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einer jun^i i Kollegin, die mit ihren 10 Lenzen und dem dazugehörigen, in Berlin an ■der Seebach-Schule erworbenen Größenwahnsinn zunächst meine erbittertste Feindin war! Ihre 19 Jahre nahmen jede Probe so heilig ernst, wie eine Staatsaktion. — Ein Tunichtgut, mit schlechten Witzen gespickt, war ich allezeit. Da konnte es nicht ausbleiben, daß zwischen uns, die wir als Partner viel zusammen spielten, manch erbitterte Fehde ausbrach. Daß Liebe oft in Haß umschlägt, ist eine alte, ewig neue Geschichte. Warum soll es nicht einmal umgekehrt sein? Wir haben es erlebt, aber selbst während unserer Brautzeit gab es noch gelegentlich heftige Ausbrüche der alten Feindschaft.
Während einer Vorstellung von „Madame sans gene" herrschte in einer künstlerischen Frage wieder einmal eine Meinungsverschiedenheit, die sich dahin auswirkte, daß die kleine, nicht gerade an Temperamentlosigkeit krankende „Madame sans gene" ihrem „Lefevre" anstatt des im Stück vorgeschriebenen usuellen Backenstreiches eine so handfeste deutliche Ohrfeige verabreichte, daß Lefevre-Schlettow nasenblutenderweise sich in seine Garderobe verziehen mußte! Ich sehe förmlich, wie der liebe Leser vor Schadenfreude grinst, doch wer zuletzt lacht, lacht am besten. Seit meine kleine Frau aus Gesundheitsrücksichten dem Theater Valet sagen mußte und keine beruflichen Fragen mehr Anlaß zu Temperamentsausbrüchen geben, herrscht eitel Freude und Friede!
1919 kehrte auch ich dem Theater den Rücken, nachdem mein Weg mich über Frankfurt, Wien, Stuttgart, Dresden, Barmen und Mannheim geführt hatte, um mein Heil im Filmland zu suchen und zu finden. Die Erfolge im Film, die Arbeit und Freude an meiner künstlerischen Entwickelung sind mir heute Lebensinhalt und vollwertiger Ersatz für das Theater geworden, nachdem die Verdienstmöglichkeiten in den Kriegs und Inflationsjahren meine Liebe zum Theater gründlich herabgemindert hatten. Mit Schrecken denke ich noch an diese Zeit, in der die Hoftheatergagen sich in solcher Höhe, richtiger: in solcher Tiefe bewegten, daß ich, um zu unserem kümmerlichen Einkommen einen Zuschuß zu haben, mit meinen Kollegen eine private kleine „Reiseschmiere" gründete unter dem Namen: „EnsembleGastspiel" des Mannheimer 1 Ioftheaters.
Aber wenn man es hinter sich hat, ist alles Deprimierende vergessen, und nur die Momente, in denen wir z. B. abends den meist erfreulichen Kassensturz machten, und die teils herzlich komischen Situationen, in denen die Hauptdarsteller Zettel anklebten, selbst Dekorationen malten usw., haften noch in der Erinnerung. Als der entsetzte Intendant von der „Unehre" erfuhr, die seine Hofschauspieler durch künstlerische Abstecher ihrem Theater — meist ging es in den Schwarzwald und in badische Städte — machten, schob er einen Riegel vor und verbat sich ein für allemal meine direktörliche Konkurrenz! Damals wagte ich es mitten in der Spielzeit (der Intendant hatte Einsicht und ersparte mir eine Kontraktbrucherklärung), das ganze Theaterelend zum Alteisen zu werfen, als sich mir das erste große, gut bezahlte Filmengagement bot.
Seit dieser Zeit bin ich in 65 Filmen der verschiedenartigsten Gattungen tätig gewesen. Ehrliche Anerkennung brachten mir bei Presse und Publikum mancherlei Rollen, die mir besonders eng ans Herz gewachsen waren. Ganz unerwartet traf mich wenige Wochen vor der mit Spannung erwarteten Nibelungenpremiere — ich wagte damals den ersten Schritt vom Liebhaber zum Charakterdarsteller ein schwerer Schlag: meine liebe Mutter, die als Einzige der Familie sxets meine beruflichen Pläne unterstützt und gefördert hatte, starb. Daß sie, deren ganzes Denken schon wochenlang um die bevorstehende Premiere und den für mich ersehnten Erfolg kreiste, diesen Tag nicht erleben sollte, war mir ein schwerer Mißton in der Freude über den auch wirklich nicht ausbleibenden Beifall.
Ein ähnlich feierliches und doch mit einem Schuß Nervosität durchpulstes Gefühl, wie bei dem „Aus-der-Taufe-heben" dieses Filmmeisterwerkes, habe ich nur noch einmal erlebt, als ich zu Beginn des Krieges als Begleiter eines Kampffliegers meinen ersten Aufstieg im Flugzeug erlebte und das seltene Glück hatte, einen neuen Höhetemporekord mitaufzustellen! Mag es auch paradox klingen, — beide Erlebnisse lösten in mir die gleiche Hochspannung aus!
Der sich immer zu neuen künstlerischen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten durchringenden jungen Filmkunst ein produktiver Helfer und überzeugter Freund zu bleiben — es sei die Losung für mein weiteres Schaffen!
IG