Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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Beispielsweise fragte man sich schon des öfteren, stört das Drama die Entwicklung des Films zur reinen Kunst? Ist es für Filmkunstbegriffe unmöglich, ist es „Kitsch"? Meiner Meinung hat das Drama auch seine Filmberechtigung — es kommt wohl einzig und allein darauf an, w i e es behandelt wird oder besser: wie sein Inhalt ist. Denn ich möchte meinen, für das erreichte künstlerische Niveau ist die Dramatik schlechthin zu Weiterentwicklung nötig; — dem Vorwurf des Kitsches ist wohl nur ein bestimmter Inhalt des dramatischen Films ausgesetzt. Welcher Inhalt das ist, mag daraus hervorgehen, daß wir d i e Filme für künstlerisch wertvoll halten, in denen kein Mord vorkommt. Und gerade diese Mordgeschichten dürften es sein, die das Drama für Filmkunstbegriffe unmöglich machen. Nun haben die meisten Dramen in ihren Handlungen für die entscheidenden Wendepunkte einen oder auch gleich zwei Morde . . . und zum Schluß dann die entsprechende Sühne, das ist eine Dramatik zum Steinerweichen. Aber für die heutigen Kunstbegriffe sind derartige Mordgeschichten selbst in erstklassiger Darstellung keine Kunstfilme mehr. — Unsere Begriffe dürften sowieso für einen Mord und ähnliche Dinge nicht mehr allzu empfänglich sein, und tatsächlich schafft es eine unbehagliche Atmosphäre beim Zuschauer, wenn auf der weißen Wand immer und immer wieder derartigen impulsiven Handlungen durch den Revolver Nachdruck verliehen wird. — Ja, das ist sogar auch dann so, wenn der betreffende Film aus — Schweden kommt. Aber das deutsche Publikum ist nun einmal komisch; es bemängelt einen deutschen Film wie „Die Straße" oder „Sylvester", lehnt womöglich auch noch entrüstet den amerikanischen Film „wegen des Kitsches" ab, und ruft dann nach dem „künstlerischen schwedischen Film". - Das ist zumindest gedankenlos; denn ich glaube nicht, daß in Handlung und Darstellung ein Schwedenfilm so bald auf der Höhe eines Grune-Films steht, mag dieser Film nun „Die Straße" oder „Arabella" heißen. Der schwedische Film lieferte uns bisher größtenteils Dramen, — die anerkannterweise künstlerisch-seelisches Empfinden in vorbildlicher Dynamik aufwiesen, — das Empfinden war aber mehr als einmal Wiedergabe von solchen Impulsen, die unsere kulturellen Erziehungsbegriffe nicht gern dulden. Auch der schwedische Film sollte nicht mit Vorliebe im Drama Mordgeschichten bringen; die „erdrückend düstere Atmosphäre" des Schwedenlandes bedingt nicht, daß der Grundton der I ilmhandlung auf „kitschiger Dramatik" beruht -_ und daß die durchweg erstklassigen Schauspielkräfte nur darin verwendet werden. Auch in ..üösta Beding" ist der „nordischen Eigenart", dem „innersten schwedischen Volks•charakter", mehr im Sinne einer „psychologischen Dramatik Rechnung getragen, in welche die (im Gegensatz dazu) äußere Handlung nicht „übel" und „abgeschmackt" (gleichsam „zerstörend") eingreift. — Ich glaube, der deutsche Filminteressent darf, wenn er fremde Filme lobt oder tadelt, nicht vergessen, die Charakterzeiclien der '90 Produktion des eigenen Landes zu werten. Ueberhaupt soll man sich möglichst von Vorurteilen zu befreien suchen; denn jedes Land, ja, jeder Regisseur, wird e i n mal einen „guten" Film herstellen, und ein ander mal einen „weniger guten", vielleicht einen „üblen", „abgeschmackten". — Aber das Drama mag selbst fürs „höhere Niveau" noch gelten — ja — ich möchte sagen: wir brauchen es. — Man fragt noch jetzt: „Ist der Film „Sylvester" ein Fortschritt??" — Ach, man sagt sogar: er besitze kein gutes Manuskript! — Warum? — Die Dramatik, die meiner Meinung nach „Kunst" ist, liegt im — ,,Sylvester"-Film! — Dieser Film ist nun einmal so ganz anders, als die anderen der dramatischen Art. — Er ist ein Fortschritt; — genau so einer, wie „Die Straße" — „Sylvester" — „Arabella" — „Der letzte Mann" — ; alle sind sie ein Fortschritt. Sie sind hauptsächlich die Produkte, die ein „höheres Niveau , die das „bestimmte künstlerische Niveau" erreichen ließen; und sie haben alle eine ganz bestimmte Dramatik gemein: „die psychologische Dramatik". — Betrachten wir doch die Dramatik des Sylvester-Films: Der Hauptpunkt liegt im Innerlichen; die Ursache der Katastrophe ist das innere Zerwürfnis der Familie! — ^psychologische Dramatik" also. Und die äußere Handlung, die diese Vorgänge begleitet, stört nicht, verlangt keine seelische Einführung in Dinge, keine Wiedergabe von Impulsen, die das ästhetische Empfinden stören: sie steht scheinbar in gar keinem Verhältnis zur inneren, und doch ist sie in ihrer wahren Lebendigkeit mit die Ursache zur Katastrophe. Und diese Katastase ist seelisch und äußerlich echtes Leben, ist ohne romanhaften Zwang, ist „Kunst". — Es käme aber darauf an, seelische Konflikte zu suchen, dramatische Probleme des Alltagslebens zu lösen, eine psychologische Dramatik zu entwickeln und harmonisierende äußere Rahmen z'< finden. Auch „Der letzte Mann", von dem gesagt wird, er habe den Bruch mit dem dramatischen Gesetz herbeigeführt, ist doch eigentlich auch immer noch „Drama", beinahe eine Schicksalstragödie, im letzen Moment aber noch in der äußerlichen Auswirkung behindert, in die Komödie umgebogen, — daher für viele erträglicher. Die Handlung hat aber durchaus dramatische Momente — , nur eben nicht äußerliche. — Aber ist das nicht ein besseres, ein wirklich künstlerisches Drama? — Aber nicht die dramatische Mordgeschichte sei unser Zukunftswunsch, nicht „kitschige Dramatik", sondern „psychologische Dramati k". die entweder als äußerliches Drama endet oder, wie „Der letzte Mann", grotesk. — Und da wurde gesagt: „Schaffen wir einen deutschen, weniger tiefen, aber heiteren, weniger logischen, aber angenehmeren I ihn, der gar nicht zum Denken anregt! — Nein, nein! Nur nicht das! Ich fürchte, daß der unlogische, heitere, gar nicht zum Denken anregende Film eher „zerquillt", da man ihn ja gar nicht „aufnehmen" kann! — Werner P a r 1 o w , B e r 1 i n.