Filmland : deutsche Monatschrift (1924 - 1925)

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zum Schlüsse rebellisch gemacht und trostlos gestimmt. — Wie also soll ich das, was ganz subjektiv von mir empfunden wurde, zu einem gerechten Urteil im Sinne des Lesers ausreifen lassen? In der Tat, die Aufgabe ist nicht ganz leicht, — und sie ist bisweilen, namentlich bei dem Roman „Sohne und Liebhaber", absolut unmöglich. Denn zum Schluß kristallisiert sich doch immer wieder das letzte Resümee heraus: dieser Roman ist etwas faszinierend Bestechliches, — er gehört zu denen, die man „gelesen haben muß" , . , auch wenn man sie ablehnt. Denn es gibt in unserer großen Allcrwelts-Literatur wirklich nur wenige Bücher, die ihm an innerem Gehalt und am Streben, wahrhaft zu sein, an die Seite gestellt werden könnten . . . Wie ganz anders nimmt sich ein zweiter Roman, „Maria am Gestade" von Herbert Scllke, aus. Er ist in der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart-Berlin erschienen. Sellkc wohnt in Danzig, und er brütet aus der Danziger See-Atmosphäre eine seltsam abentcurliche Geschichte hervor, das Erlebnis eines Danziger Hochschullehrers. Dieser Professor Wend Rehberg hat einmal ein nächliches Erlebnis, er kommt in einer von sagenhaften Nixen bevölkerten Gegend mit einem rothaarigen Mädchen zusammen — und wird diese ganz oberflächliche visuelle Erscheinung nicht mehr los. Er wird von seiner Phantasie durch die Lande gehetzt, und überall glaubt er Ebenbilder jenes nächtlichen Spukes zu erkennen. Ein russischer Hochstapler muß ihm schließlich seine Begleiterin abtreten, die dem Nachtspuk gleichfalls ähnelt, und er heiratet diese Frau sogar, obwohl sie alles andere als normal erscheint. Sic hat zwar keinen Fischschwanz, aber jeder Dritte in Danzig erklärt sie nichtsdestoweniger für eine Melusine, wie denn sie selbst sich auch als eine Undinge betrachtet, Sellkc setzt ohne weiteres voraus, daß der Leser sich gegen diese eigenartige Naturerscheinung unter den Oanzigcrn nicht auflehnt, er tut jedoch — abermals subjektiv gesprochen — recht wenig, den Leser einzufangen, ihn so zu umketten, wie D. H. Lawrence in seinem „Söhne und Liebhaber". Natürlich bleibt Lawrence auf dem Boden der Wirklichkeit, Sellke aber kommt gespensterhaft-abergläubisch und erwartet nun, daß man ihn trotzdem für voll nimmt. Ja, wäre er ganz konsequent verfahren, hätte er den Spuk als das Komplott einer Gaunerbande aufgelöst — und hätte er irgend etwas erfunden, das wert gewesen wäre, den Stubengelehrten Dr. Wend Rchberg von einer hochstapelnden Gesellschaft umgarnt werden zu lassen, dann hätte man alle Gesichte der Hauptfigur des Romans für wahr genommen. So aber bleibt zum Schluß etwas Verwaschenes zurück, das nicht recht befriedigt: Rchberg stirbt mysteriös . . . und alles hat ein Ende. Das also ist das subjektive Gefühl des Referenten dem Autor Sellke gegenüber; wie wird der Leser denken? Der Referent weiß es nicht, — er kann also nur andeutungsweise zitieren, was sich vielleicht jener Zeitgenosse als Fazit formuliert, der ganz — auf des Bücherwurms Ansicht eingestellt ist . . . Und vielleicht stößt sich dann auch dieser Zeitgenosse — gleich dem Referenten — an der ungleichmäßigen Sprache Sellkes. an der Willkür der vcrbialen Tempi . . . und an vielem andern mehr, das unausgeglichen erscheint. Viel einfacher ist es, über „Die drei Baronessen Schlag vom Höllcnhammcr" zu schreiben; der Verfasser ist Hans Posscndorl, der Verlag W. Vobach & Co. Possendorf, so glaube ich, hat sich mit dem Vorsatz an die Arbeit gemacht, einmal eine Geschichte so recht aus dem Schöße der Familie zu schreiben: also da ist der Gutshof, der allgemach unter die Räder kommt; da ist ein Vater, der bald stirbt und drei Töchter zurückläßt, — und da ist die Mutter, die alles mehr oder weniger seinen Gang gehen läßt. Die Hauptsache sind natürlich die drei Töchter, die Baronessen: die erste ist stolz, die zweite ist künstlerisch akkreditiert . . . und die dritte ist zunächst nichts weiter als burschikos und jungenhaft. Es ist ganz klar, daß aus diesem Milieu ein Romin resultieren muß; — ich habe bei der Lektüre oft an Roda Rodas „Drei aus einem Nest" denken müssen, weil so manches grad so liebenswürdig klingt, wie es in jenem Roman der Fall war. Nur, leider — möchte ich sagen! — mit der betrüblichen Einschränkung, daß bei Possendorf der Ausgang etwas dramatischer ist . . . und das Nesthäkchen ausgerechnet zum Film gehen muß. Das Buch ist, wie der Verfasser sich das vorgenommen hat, ein sehr liebes Lektürchen geworden und verkürzt die Zeit in durchaus harmonischer Weise. Das Gleiche darf gleich von zwei Untcrhaltungsbüchern aus dem Verlage von Friedrich Rothbarth, Leipzig, gesagt werden, nämlich von „Was du ererbt von deinen Vätern hast — ", Verfasser Guido Kreutzer, — und von „Das Haus der Gnade", Verfasser Otfrid von Hanstein. „Was du ererbt von deinen Vätern hast — " ist selbstverständlich eine bodenständige Angelegenheit; hier geht es um landwirtschaftliche Dinge . . . und ein junger Offizier muß erst durch eine gewisse sentimentale Schule hindurch, ehe er den Wert der heimatlichen, der väterlichen Scholle schätzen lernt. Der Vater stirbt, und das Gut wird von einem Freunde verwaltet . ., die Uniform triumphiert also im ersten Gefecht. Es bedarf erst eines zweiten Konfliktes, ehe der Sohn erkennt, wie sehr der verwaiste Besitz der fürsorglichen Pflege bedarf, — und da verzichtet er, im Innersten geläutert, auf das bunte Tuch, um — ■ sein Erbe „zu erwerben". Die Sache ist nett und geschmackvoll erzählt, ohne auf Ewigkeitsbestand Anspruch zu erheben. Auf demselben ambitionslosen Standpunkt hat Otfrid von Hanstein gestanden, als er „Das Haus der Gnade" erfand. Ich lese eigentlich diesen Autor recht gerne, so behaglich er auch plaudern und uns vor dramatischen Herzkrämpfen bewahren mag. Das Haus der Gnade ist ein Spitzname für das Gutsbaus der reichen Verwandten: hier dürfen alle heruntergewirtschafteten Familienmitglieder sozusagen das Gnadenbrot essen; sie müssen dafür, daß sie durchgefüttert werden, Hausarbeiten verrichten, dürfen zumeist aber als Gesinde nicht einmal am festlichen Fcmilientisch Platz nehmen. Der Gedankeist, wie man sieht, überaus witzig, boshaft und echt. Daß er nur der Kern einer Liebesgeschichte ist, kann nicht anders erwartet werden, denn Hanstein schreibt keine Reden an die deutsche Nation, sondern Romane für die tägliche Unterhaltung. Er ist der schlechteste nicht, mein Wort drauf! Sehr amüsant ist ein Büchlein, das Rudolf Grcinz unter dem Titel „Der Bratelgeigcr" im Verlag Fleischhauer & Spohn, Stuttgart, erscheinen läßt. Dieser Verlag gibt unter der Aegide von Manfred Schneider eine Sammlung von „KristallBüchern" heraus, jedes Bändchen ist auf holzfreies Papier gedruckt und in Ganzleinen gebunden, also so recht für das Bücherbrett geeignet. Man findet hier allerlei vertreten: Bonseis, Jakob Boßhart, Bruno Frank, Wilhelm Scholz, Norbert Jacques, Isolde Kurz und Auguste Supper . . . Und eins der zuletzt erschienenen Bücher ist nun von Rudolf Greinz. dem so ungemein fruchtbaren Romanschriftsteller und Novellisten, der von München aus wirkt. Die vier Novellen, die im ..Bratelgeiger" vereint sind und sämtlich in Tirol spielen, sind ungemein herzerfrischend zu lesen: es ist ein Stückchen derber, gesunder Volkskunst, das hicir geboten wird, — und wonach sonst sehnen wir uns denn, nachdem wir eine Fülle psychologischer Sezierkunststücke vorgesetzt erhalten haben? Eine so urwüchsige Sammlung läßt stets das Herz auftauen! t: ■"X.-. mim FÜHRENDE ERSCHEINT TUELLE JEDEN ^KJCrMDIFT V*-^ MITTWOCH WOCHENSCHRIFT MITTWOCH m m