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Ernst Matray und Kalla Slerna im Spieheugballetl. „Universum" am Lehnincr Platz
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ROMAN VON HANS SCHULZE
4. forisetzniiji
Ein Rotschwänzchenpaar hatte über einem Türpfosten sein Nest gebaut, so niedri;', daß er den Jungen fast in die Hälse schauen konnte, die dies zirpende KinderUonzcrt so rührendfein anstimmten.
Ein Gefühl wehmütiger Zärtlichkeit zog leise durch sein Herz, doch schon im nächsten Augenblick .hatte er die weiche Regung wieder überwunden.
„Bestellen Sie der gnädigen Frau," befahl er dem Diener, „daß ich sie abends zur Stadt abholen werde. Ich werde für die Premiere im Westendtheater Karten besorgen lassen!"
V.
Evelyn saß vor dem großen Ankleidespiegel ihres resedafarbenen Toilettenzimmers und massierte mit einem Kugelapparat ihr schmales, überwachtes Gesicht, in dessen geisterhafter Blässe eine steile Stirnfalte einen tiefen Schatten hineintuschle.
Ihre jüngere Schwester Lora lag auf dem Eisbärfell eines breiten Ruhebettes und balancierte ein Tennisrakett auf den Spitzen ihrer Füße.
Sie war nachmittags auf einem Tennisturnier in Grunewald gewesen und berichtete mit der ganzen Lebhaftigkeit ihrer siebzehn Jahre von den Toilettenwundern des mondänen Damenpublikums und den Eroberungen, die sie selbst unter den internationalen Matadoren des Tennissports gemacht zu haben glaubte,
Sie war ein wenig brünetter als die lichtblonde Evelyn; aus
ijihren lachenden Augen sprach eine sprühende Lustigkeit und die
luinbekümmsrt-heitere Lebensauffassung ihres Vaters, dessen er
lärter Liebling sie von jeher gewesen war.
Eine seltsame Erstarrung lag über ihrem ganzen Wesen,
daß sie sich nur mit Mühe zur äußerlichen Aufmerksamkeit zu
zwingen vermochte.
Seit jenem furchtbaren Augenblick, da sie aus der Villa in er Albrechtstraße zum Bahnhof geflüchtet war, hatte sie keine uhe mehr gefunden.
In zitternder Angst hafte sie den ganzen Abend über auf die Rückkelir ihres Mannes gewartet und um Mitternacht endlich die Tür ihres Schlafzimmers mit einem schweren Möbelstück fest verbarrikadiert.
Doch, all ihre Furcht und Sorge war umsonst gewesen: Der Gatte war nicht nach Hause gekommen und auch am anderen Tage unter einer belanglosen Entschuldigung von Wannsee ferngeblieben.
Was war geschehen?
Der Fernsprecher schwieg beharrlich.
Weder hatte Kurt, wie er versprochen, an jenem Unglücksabend noch einmal bei ihr angerufen, nocli war in der Folgezeit eine briefliche oder telcphonischc Verbindung mit ihm zu erreichen gewesen.
Auch Walter v. Prayer, zu dem sie in ihrer Not endlich auf eine Viertelstunde hinübergehuscht war, hatte ihr keine Auskunft geben können.
War Kurt einem Unglück, einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Und was bedeutete dieser seltsame Theaterbesuch, wenn es zwischen den beiden Männern vielleicht zu einem Zusammenstoß gekommen war, der auch für sie nur den Auftakt zu einer furchtbaren Katastrophe bilden konnte.
Jetzt trat die Zofe leise herein.
,,Der Herr Generaldirektor ist im Haus", sagte sie, ,,und kleidet sich bereits zum Theater um!"
Evelyn nickte.
Die Kehle war ihr wie zugeschnürt.
Auf einmal graute ihr wieder vor dem ersten Zusammentreffen mit dem Gatten, das sie doch den ganzen Tag über fast herbeigesehnt hatte, um der kaum mehr erträglichen Marter der Ungewißheit ein Ende zu machen.
Willenlos, mit bleischweren Gliedern, ließ sie sich das kostbare Goldlamckleid überstreifen und legte als einzigen Schmuck eine schmale Perlenkette um den schlanken Hals,