Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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Mit Blitzesschnelle vergegenwärtigte sich Brandstetter das Straßenbild Schlachtensecs. Die Pension Hartkort lag im Schnittpunkt der Albrechtstraße mit der Potsdamer Chaussee, die er auf einem Abkürzungsvvege am Sanatorium Schlachtensce in wenigen Minuten erreichen konnte. So schnell ihn seine Füße tragen wollten, eilte er die mondhelle Viktoriastraße entlang und verbarg sich im Gebüsch eines Gartens gegenüber der Villa Hartkort. In demselben Augenblick bogen die jungen Leute um die nächste Straßenecke, und das lustige Lachen der Französin klang weithin durch die stille Nacht. Vor der Hartkortschen Pension machten sie halt. Der Herr zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Gartentür. Dann waren sie im Innern des Hauses verschwunden. — — Mit einem erleichterten Aufatmen richtete sich der Kommissar aus seiner gebückten Stellung empor, Gott sei Dank! Ein Anfang war gemacht, ein erster Faden angeknüpft worden, an dem er sich aus dem Labyrinth des Karrprozesses heraustasten konnte. Ein instinktives Gefühl sagte ihm, daß ihm hier wieder einmal einer jener unerwarteten Glückszufälle zu Hilfe gekommen war, wie er schon manchmal einer halb verlorenen Sache eine völlig neue, überraschende Wendung gegeben hatte. — XVII. Vor dem riesigen grauen Sandsteinporfal des Landgerichts in der Turmslraße fuhren die Automobile in ununterbrochener Reihe auf. Der Zuhörerraum des großen Schwurgerichtssaales war längst bis auf den letzten Platz besetzt, aber noch immer hasteten eilige Menschen durch das Treppenhaus des mächtigen Lichthofes zum dritten Stockwerk hinauf. Mit ungeheuerer Spannung erwartete man allgemein den Beginn der Verhandlung; die Sensationsstimmung eines großen Tages zitterte über einem erlesenen Publikum aus dem vornehmsten Westen, das sich zu dem Schlußakt der Karrtragödic wie zu einer nervenaufpeitschenden Premiere in einem LuxusIheater des Kurfürstendamms ein Stelldichein gegeben hatte. Jetzt öffnete sich ein schmaler Türspalt in der Rückseite der Anklagebank, und Kurt Steinhoff wurde von einem Gerichfsdiener hereingeführt. Er sah blaß und angegriffen aus, und sein Gesicht zeigte bereits die charakteristische gelbe Gefängnisfarbe. Ohne von seiner Umgebung auch nur die geringste Notiz zu nehmen, ließ er sich am äußersten Ende der Bank nieder und schaute regungslos in eine blendende Sonnenbahn, die sich wie eine Wand von glitzernden Staubatomen vor dem fahlen Grün des Richtertisches aufgebaut hatte. Wenige Minuten später wurde die große Saaltür von einem Justizwachtmeister weit aufgerissen. Das Summen der Unterhaltung sank plötzlich zu einem leisen Tuscheln herab. Am Arm ihres Verteidigers trat Evelyn ein, in tiefer Trauer, das totenbleiche Gesicht fast ganz durch einen Schleier verdeckt. Einen Herzschlag lang stockte sie, als die Gitterschranke der Anklagebank vor ihr aufklirrte. Dann aber erblickte sie Kurt, der bei ihrem Erscheinen unwillkürlich von seinem Sitze aufgefahren und ihr ein paar Schritte entgegengekommen war. Mit festem Druck lagen ihre beiden Hände für Sekunden ineinander Und aus diesem Druck floß es wie eine heimliche Glut herüber hinüber, fühlten die beiden unseligen Menschen ihre tiefe Schicksalsverbundenheit, und der Pranger der Anklagebank schien ihnen auf einmal wie eine rettende Insel, die ihnen mitten in dem Meer von Gemeinheit, Neugier und Gehässigkeit der Mitwelt eine schützende Zuflucht bot. Walter v. Prayer hatte die Karrschcn Damen zusammen mit dem alten Hausarzt im Auto nach Moabit gebracht und war Lore dann auch beim Zeugenaufruf treu zur Seite geblieben. Still und blaß hatte sie dem Kreuzfeuer von Hunderten zudringlicher Blicke getrotzt, indes sich ihm selbst das Bild des Gerichtssaales sogleich zu einem nachhaltigen malerischen Eindruck geformt hatte. Der weitgedehnte, lichtdurchflutete Raum in seiner fast festlichen, hellen Nußbaumtäfelung. Ihr gerade gegenüber der eisengraue Senatorenkopf des Vorsitzenden mit den feingeschnittenen, geistvollen Zügen und der vornehm-beherrschten Haltung eines Diplomaten alter Schule. Ganz anders der Vertreter der Staatsanwaltschaft, ein breitschultriger, monokelbewehrter Herr mit einem drohenden Durchzieher auf der rotgeäderten, von brüchiger Haut gespannten linken Wange. Die Geschworenen zu beiden Seiten der schwarzen Talare des Richterkollegiums, unter ihnen eine einzige Frau, eine angejahrte, entschlossen blickende Blondine. Unter den Zeugen hatte Herr Brandstetter bei Eröffnung der Sitzung gefehlt, und auch später im Zeugenzimmer hielt Walter vergebens nach ihm Ausschau. Mit der ersten Post war endlich die ersehnte Chiffrenachricht des Postamtes Dorotheenstraße eingegangen; ein ganz knapp gehaltener Brief in Maschinenschrift, daß Schreiber dieser Zeilen Punkt zwölf Uhr vor dem Portal III des Kriminalgerichts in der Turmstraße zum Austausch der Dokumente erscheinen würde und den Depotschein bereitzuhalten bitte. Walter hatte sich sofort mit der Privatwohnung und dem Büro Brandstetters in Verbindung gesetzt, ohne seiner jedoch persönlich habhaft werden zu können; nach einer Auskunft seiner Pension hatte der Kommissar bereits gegen sieben Uhr morgens, ohne das Frühstück abzuwarten, das Haus verlassen und aus dem Büro kam die Nachricht, Herr Brandstetter habe soeben aus Schlachtensee angerufen, daß er heute voraussichtlich überhaupt nicht mehr zur Friedrichstadt hereinkommen würde. Was war geschehen? Was suchte der Kommissar zu dieser Zeit, da alles auf dem Spiele stand, in Schlachtensee? In steigender Unruhe sah Walter in den jungen Tag hinaus, der sich wie zum Hohn auf das düstere Drama im Gerichtssaal mit seinen leuchtendsten Farben geschmückt zu haben schien. Was würden die nächsten Stunden bringen? Immer wieder suchte sein Blick das feine Gesicht Lores, und ein stilles Gelübde stieg in ihm auf, wie auch der heutige Tag ausgehen mochte, dies Kind in ein neues Leben zu führen, daß keine Schicksalsnol ihr junges Herz je wieder verwunden könnte. Im Sitzungssaal halte inzwischen der eine der beiden Beisitzer, ein greisenhafter Herr mit einem lederfarbenen Mumiengesicht, dem die Worte in pausenloser Eintönigkeit von den dünnen Lippen knarrten, die Verlesung der umfangreichen Anklageschrift beendet, und der Vorsitzende begann mit dem Verhör der Angeklagten. „Herr Dr. Steinhoff," sagte er, „Sie haben soeben mit angehört, welche Anschuldigungen gegen Sie erhoben werden. Gestehen Sie die Tötung des Generaldirektors Alfred Karr zu?" Ein kurz herausgeschnittenes, scharfes ,,Ja" war die Antwort. ,,Frau Evelyn Karr," fuhr der Vorsitzende in seiner verbindlichen Art fort, ,, Ihnen gilt dieselbe Frage: Bekennen Sie sich gleichfalls im Sinne der Anklage schuldig?" Evelyn hatte ihren Schleier ein wenig zurückgeschlagen, ihre Augen waren groß und weit. „Nein!" klang es dann kaum hörbar von der Anklagebank zurück. Der Vorsitzende räusperte sich leise und zog seinen langen Notizbleistift nachdenklich durch die schmalen, aristokratischen Hände. „Herr Dr. Steinhoff," nahm er dann wieder das Wort, „Sie haben zwar in der Voruntersuchung bereits ein offenes Geständnis abgelegt, zur vollen Klärung der Sache ist es aber erforderlich, daß ich den Text der Anklage noch einmal ausführlich mit Ihnen durchgehe. Und da entsteht gleich am Anfang eine sehr bedeutsame Frage, die man gewissermaßen als das Leitmotiv dieses ganzen Falles bezeichnen könnte, nämlich, welcher Art Ihre Beziehungen zu Frau Evelyn Karr gewesen sind?" ,,Wir beabsichtigten eine Heirat, sobald Frau Karr wieder freigeworden sein sollte!" ,,Wie stellte sich der Ehemann Karr hierzu?" „Er erklärte mir, daß er niemals seine Einwilligung zu einer Trennung seiner Ehe geben würde!" „Wann haben Sie mit ihm hierüber verhandelt?" ,,ln meiner Wohnung. Am Tage seiner Rückkehr aus England!" ,,War dies Ihre einzige Unterredung mit Herrn Karr?" Forlsetzung folgt