Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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Sie lief unschlüssig hin und her, dann riß sie plötzlich die Tür auf daß er kaum noch Zeil halle, zurückzulrelcn, ging an das nächste Wagenfenster und spähte hinaus. Was suchte sie? Die nächste Station? Es v\ar Ragazza, und bis dahin waren noch gut anderthalb Stunden, noch hundert Kilometer. Draußen ging die Dämmerung schon in Nachl über. Graugrün und düster flog die Landschaft vorbei. Der Wagen war leer. In jedem Coupe lagen ein paar Menschen und schliefen. Robfiy Valbcrgs gute Stimmung verflog. Jäh, und ohne daß er sich direkt sagen konnte, weshalb. Auch er öffnelc ein Fensler und ließ sich die weißen Rauchschwaden um die Ohren wehen. Das Rädergebrüll verscheuchte ein unangenehmes Gefühl. lir starrte plötzlich nach der hinteren Wagcniür, die sich langsam öffnete. Eine Hand erschien. Wer war denn da verrückt geworden? ,Um Himmels willen, lassen Sie mich los!" Er war mit fünf, sechs großen Schritten den Gang entlang am Wagenende, Die Tür war offen, die junge Dame stand halb auf dem Trittbrett. Er griff zu und riß sie zurück. ,, Lassen Sie mich!" stieß sie hervor. ,,Um Himmels willen, lassen Sic los!" ,,lch denke gar nicht daran!" sagte er energisch, seine lähmende Erschrockenheit meisternd. ,,Ich werde doch nicht zusehen, wie Sie sich das Leben nehmen." Sic lachte kurz auf. ,,Ich denke gar nicht daran, mir das Leben zu nehmen. Abspringen will ich." Er riß die Augen auf. „Sie wollen — — " Sic riß sich los und kletterte wieder aufs Trittbrett. Der Zug halte vielleicht vierzig Kilometer Geschwindigkeit, mehr als genug zum Zerschmettertwerden, ,, Haben Sic nur keine Angst!" schrie sie und brachte es tatsächlich fertig, einen spöttischen Unterton in der Stimme zu haben. ,,Ich falle immer wieder auf die Beine. Lassen Sie los!" ,,lch denke nicht daran." Ihr Gesicht wurde hart. ,,Dann werde ich — — ,. Sehen Sie dahin!" sagte er, ihren Arm weiter festhaltend. Ein halbes Dutzend Wagen weiter vorn war auch eine Tür geöffnet. Ein dunkler Körper stand auf dem Trittbrett. Die Augen des Mädchens weiteten sich jäh. ,, Jetzt ist es aus", sagte sie verzweifelt. Kobby Valberg fühlte ihre Worte mehr, als daß er sie hörte. I r brachte seinen Mund ganz nah an ihr Ohr. „Er verfolgt Sie? ' raunte er. Sie nickte mit zusammengepreßten Lippen. . ,,Wird er nachspringen?" Sie nickte wieder. Da zog er sie zu sich hinauf. „Versprechen Sic mir, eine Sekunde hier stehenzubleiben!" Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern war mit zwei Sätzen in seinem Coupe, riß mit kalten Fingern den kleinen Schrankkoffer vom Sitz, schloß auf, nahm einen langen Kleiderbügel heraus, auf dem ein leichter Mantel hing und rannte zum Wagenende zurück. Sie stand noch da, Gott sei Dank. ,, Passen Sie auf — tun Sie genau, was ich Ihnen sage!" Er drängle sie auf das Trittbrett, hielt ihr den Mantel vor den Körper, daß oben der Kopf, unten die Beine aus ihm hervorzuragen schienen. ,, Jetzt tun Sie, also ob Sie springen wollten. Heben Sie die Arme nach hinten und machen Sie eine leichte Kniebeuge!" Sie fühlte seine Faust fest in ihr Kleid greifen. Er hatte immer noch Angst, sie würde wirklich springen. Robby beobachtete wie ein Indianer, Drüben setzte auch der Mann zum Springen an. „Jetzt reißen Sic die Arme hoch! So! ' Sic tat es, und er warf mit mächtigem Schwung den flatternden Mantel samt Bügel aus dem Zug und riß sie zurück. Wie ein Blitz war er wieder an der Tür. ,, Reingefallen!" schrie er begeistert, Sie sah ihn fassungslos an. Sic begriff nicht, begriff nichts von der ganzen Sache. Es war alles so schnell gegangen. ,,Er ist reingefallen", wiederholte Robby. ,,Ist tatsächlich meinem alten Regenmantel nachgesprungen, hat geglaubt, Sie wären es. Ich glaube, er wird sich ärgern, das Ding ist nämlich nicht mehr neu. Ich wollte ihn schon immer wegwerfen. Hallo — aber wer wird denn, Kindchen!" Jetzt, wo alles vorbei war, wurde der jungen Dame so sonderbar schwarz vor den Augen. Als sie zu sich kam, saß der Helfer vor ihr im Coupe und hielt ihr ein Glas Kognak an die Lippen. Sie trank widerstrebend und hustete. Aber das brennende Zeug half. . ,,Ist er wirklich abgesprungen?" fragte sie matt. ,,Ich kann es beschwören." Und dann saßen sie sich einander stumm und verlegen gegenüber und starrten sich an. Es war ganz unmöglich, auch nur irgendein Wort zu sagen. Ernsthaft betrachtete er ihr junges Gesicht, das jetzt, vom überslandencn Schrecken noch blaß, seinen Blick mit weitgeöffnelen Augen zurückgab. Da kroch ein winziger lächerlicher Gedanke in ihm herauf: So halte er als Kind seiner Freundin Maria gegenübergesessen, Maria, der Tochter des Gärtners, Maria, mit den dicken blonden Zöpfen — und sie hatten gespielt: Wer zuerst lacht! und hatten sich grausam ernst in die Aujjen gestarrt. Er hatte dabei immer verloren, und er verlor auch hier. Es zuckte verräterisch um seine Mundwinkel — er wollte an sich hallen, konnte es aber nicht und brach in ein frohes Gelächter aus, das sofort — eine wundervolle Erlösung — auch das Mädchen ergriff. Es gab kein Gchetzlscin, keine Furcht, kein Alleinsein mehr; man saß plötzlich einem warmen, lieben Menschen gegenüber und lachte. Aber dann brach sie ab, und nun perlte es feucht aus den lustigen Augen und rann talabwärts. Er war furchtbar erschrocken, und es fragte in ihm, wie es in jedem Mann gefragt hätte: Um Himmels willen, was hatte sie denn jetzt? Eben war sie doch noch ganz vergnügt! Und dann dachte er mit jener wundervollen männlichen Logik weiter, die den Mann der Frau gegenüber immer wieder ins Hintertreffen geraten läßt: Es ist natürlich die Reaktion, die Reaktion auf die große Aufregung. Die Männer sind so dumm. Keine Ahnung haben sie, daß Lachen und Weinen bei der echten Frau Geschwister sind, bei der echten, gesunden Frau, bitte, nicht bei der ,, hysterischen '. Es sind Geschwister, die sich lieben, nicht Gegensätze. Sie fließen ineinander über, kommen und gehen zusammen, sind ungetrennt, werden nicht künstlich vom Versland auseinandergehallen. Trotzdem tat der Mann das in diesem Falle einzig Richtige: Er faßte die Hände des Mädchens und streichelte sie. Er sprach leise und tröstend auf sie ein, wie man zu einem Kind spricht, das hingefallen ist und sich weh getan hat. Und dann sagte sie: „Ich habe Ihnen viel zu danken." Das klang so feierlich, daß er wieder anfangen mußte, zu lachen. Diesmal langte es bei ihr nur zum Lächeln, und er ertappte sich dabei, daß er das reizend fand. ,, Springen Sie immer ab, wenn jemand im Zug ist, den Sie nicht mögen?" fragte er. Fortsetzung folgt.