We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Als er ein paar Minuten später wieder eintrat, stand ein schlanker Junge da in einem viel zu weiten Ulster mit hochgeklapptem Kragen, der ihm unnötig mächtige Proportionen gab. Den Hut trug er tief in die Stirn gezogen.
,, Großartig", bewunderte Robby, obwohl ihm die ganze Zeit über bei dem Gedanken nicht recht wohl gewesen war, hier womöglich einer regelrechten — — Quatsch! Das war ja gräßlich, was für kleinbürgerliche Komplexe man in sich trug.
Sie war ein bißchen verlegen und sah ihn vorsichtig und von unten heran an wie ein kleiner Hund.
,, Wissen Sic, eigentlich habe ich mir ja eine kleine Belohnung verdient", begann er. ,, Finden Sie nicht, daß ich — "
„Da ist Ragazza!"
Der Zug verlangsamte seine Bewegung.
„Ich bin Ihr Sekretär," sagte sie heftig. „Sie müssen zu mir sprechen wie zu einem Mann, ja?"
,, Gemacht!" nickte er gehorsam. ,,Und was die Belohnung — "
,, Ragazza", schrie draußen eine überschnappende Stimme. Der Zug hielt. Robby hob sein Gepäck aus dem Netz. ,,Wo ist denn Ihr Gepäck?"
„Hier, Schulze, nehmen Sie das Gepäck"
„Verlorengegangen — gestohlen — was weiß ich. Das ist ein scheußliches Land hier."
„Hm."
Er hatte keine Zeit, über diese neue merkwürdige Sache nachzudenken.
,, Geben Sie mir meinen Koffer, bitte, zum Fenster hinaus! Ich glaube, den Gepäckträgern hier ist nicht zu trauen,"
Er stieg aus dem Wagen und ließ sich die Stücke herunterreichen,
„So — jetzt kommen Sie!"
Dorrit nahm sich vor, auf keinen Fall zu vergessen, daß sie ein Mann war. Energisch und mit finsterem Gesichtsausdruck schritt sie zur Tür und sprang heraus.
,,Hier, Schulze, nehmen Sie das Gepäck!" befahl Robby und packte ihr den Schrankkoffer auf die Schulter, „Haben Sie ihn?
— So. — Nehmen Sie noch den kleinen hier — und das Plaid
— so — jetzt vorwärts. — Sie haben doch Ihr Billett?" Schulze keuchte.
„Ich — ich habe es in den Mund gesteckt", brabbelte er. ,, Sonst — sonst habe ich gar keinen Platz mehr."
„Geben Sic her!"
Robby Valberg nahm seine kleine Handtasche und ging seelenruhig durch die Sperre.
Kofferbepackt folgte Schulze,
„Wo ist der Konok?" fragte Robby den Bahnbeamten auf französisch,
„Gegenüber dem Bahnhof, Monsieur."
,,Sehr schön."
Ein ziemlich großer Platz, von einstöckigen Häusern umsäumt. Ein einziger zweistöckiger Bau mit drei erleuchteten Fenstern
— das Hotel von Ragazza.
Der Weg dahin spritzte vor Schlamm, Man fühlte das — zu sehen war nichts mehr. Von der Mitte des Weges an überfiel Dorrit — oder vielmehr Schulze — der grauenvolle Gedanke, daß die Hosen rutschten.
Es war nur eine Autosuggestion, aber sie machte aus den vierzig Schritten bis zum Konak vierzig Kilometer voller Schrecknisse.
Der schwere Schrankkoffer auf der Schulter wuchtete und schnitt ein.
Streifte das Plaid nicht mit dem einen Ende durch den Schlamm?
„Zwei Zimmer", befahl Robby Valberg.
Schulze ließ die Koffer herunterfallen und rieb sich mit dem stummen Stoizismus eines alten Sioux Schulter und Handgelenk.
Es ging eine wacklige Stiege hinauf.
Die Räume lagen nebeneinander und hatten natürlich eine Verbindungstür.
Ebenso natürlich fehlte jede Möglichkeit, abzuschließen.
Sie war sehr dankbar, daß er nicht grinste, auch keine Bemerkung machte. Er nahm vielmehr in durchaus ehrerbietiger Form von ihr Abschied, wobei er allerdings auf etwas zu warten schien — wie ein Junge, dem man ein Stück Schokolade versprochen hatte, und der sich nicht recht getraut, daran zu erinnern,
Sie reichte ihm die Hand, überlegte sehr ernsthaft: War es möglich, daß man ihm den Kuß gab, auf den er die ganze Zeit schon wartete?
An und für sich war es natürlich ganz unmöglich — aber man war jetzt in Illyrien — das war schließlich ein Ausnahmezustand.
Freilich — —
Da hatte er schon den Arm um sie gelegt, und sie bekam einen wilden Kuß.
„Na also", sagte er vorwurfsvoll.
,,Es fehlt nur noch, daß Sie sagen: Warum nicht gleich so!?" fauchte sie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
Robby hörte, wie sie ein Möbelstück davorschob, und schmunzelte.
Dann ging er zu Bett und schlug sich, außer mit verschiedenen kleinen Lebewesen lästiger Art, mit einem Haufen verrückter Gedanken herum.
Das konnte von Dorrit Brink nicht behauptet werden.
Allein in dem kleinen, ärmlichen Zimmer, das nur von einem Kerzenstumpf erleuchtet war, fiel ihr plötzlich ein, daß sie ein gutes Recht darauf hatte, müde zu sein.
In demselben Moment spürte sie ihre Knie schwer wie Blei.
Die Augen klappten förmlich zu und waren durch nichts zu bewegen, wieder aufzugehen.
Sie riß sich die Kleider herunter — flüchtig fiel ihr ein, daß sie nicht einmal mehr einen Pyjama bei sich hatte — und Seife — aber für alles das war morgen Zeit genug.
Sie fiel in das Bett, das vielfach geflickte bäuerliche Kissen enthielt.
Die Leinwand lag ein bißchen feucht auf ihrem müden, nackten Körper.
Das war das letzte, was sie feststellte.
Zwei Minuten, nachdem Robby Valberg das Zimmer verlassen hatte, schlief sie fest wie ein Stein.
*
Trotz ihres festen Schlafes hatte Dorrit allerlei komische Träume,
Frau von Jancovics lief hinler ihr her, nackt, bis auf einen feuchten leinenen Schurz, um ihr das Papier abzujagen. Sie selbst saß in Männerklcidern auf dem Dach eines Eisenbahnzuges.
Aber Frau von Jancovics lief so schnell, daß sie den Zug erreichte, und ergriff sie bei den Beinen. Sie zog ihr die langen, grauen Hosen herunter, die immer länger und länger wurden und die sich abwickelten wie zwei Taurollen.
Dann kam Robby Valberg und schrie: , Machen Sie eine leichte Kniebeuge, sonst erschieße ich Sie!' Er hatte eine Kanone mitgebracht, um die sich ewig verlängernden Hosen zu durchschießen.
Der Schuß krachte fürchterlich, und Dorrit sah die riesige Granate langsam auf sich zuscf^eln, Sie blieb hart unter ihr stecken und explodierte. Das ganze Waggondach flog in die Luft.
Daorrit sah das Land tief unter sich und hörte, wie Frau Gageike ihr etwas zurief. Ja, ja, sagte sie. Es war natürlich acht Uhr, sie hatte wieder zu lange geschlafen. Um neun Uhr mußte man im Büro sein — Stavrides rief mitunter von seiner Wohnung aus an, um festzustellen, ob man da war. — Also herunter mit B II, dem Palenlbrett, auf dem Strümpfe und
Wäsche lagen. Sie angelle nach der Schnur, — Aber wo
was — . fortseUune folgt