Film-Magazin Vereinigt Mit Filmwelt (1929)

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..Moscli, du bist kostbar!" Ja, und dann ereignete sich, was für die Lebensbahn der beiden jungen Menschen von umwälzender Bedeutung werden sollte. Vielleicht um die vierte Nachmittagsstunde pochte es unfreundlich heftig an der kleinen Mansardentür. Bill sah durchs Guckloch: ,,Um Gottes willen, Billie, der alte Mosch und Polizei!" ,, Verdammt, in letzter Minute! Ausgerechnet. Komm aufs Dach, rasch, rasch, nur raus hier! Sie sprang auf den Tisch, machte das Fenster auf und stieg aufs Dach, wo Mohamed sie mit überraschter Zärtlichkeit begrüßte. ,, Aufgemacht!" schrie man draußen, ,,oder wir schlagen die Tür ein!" Schon knallten Fußtritte gegen die bebende Tür. ,,Komm doch, Bill, wo bleibst du denn?" ,,Fine Sekunde, — so!" Bill wollte auf den Tisch springen, verhedderte sich in den Drähten des Radio-Apparates; mit großem Gepolter fiel der Lautsprecher herab, Bill stürzte und fühlte einen stechenden Schmerz im Schienbein; er versuchte, sich zu erheben; der linke Fuß versagte den Dienst, es war, als gehöre er ihm nicht mehr; ächzend ließ er sich wieder fallen und rief halblaut: „Billie, ich habe mich verletzt; wenn alles gut geht, treffen wir uns an der Bahn; nachweisen kann man uns ja nichts! Auf Wiedersehen!" Billie verschwand. Er lächelte schmerzlich. Aus dem Wiedersehen würde wohl nichts; aber was nun? Er hatte sich das Bein gebrochen, das war unbestreitbar. Was nun? Was hatte Billie neulich gesagt? ,Wir sind Sonntagskinder?" Ach, ach, ihm wurde schwindlig; eine leichte Ohnmacht machte ihn unempfindlich. Er hörte nicht mehr das Eindringen der Beamten. Viel später erst, als das Bein in Gips und lästigen Verbänden lag, erwachte er und erfuhr, daß er im Laurcntius-Hospital war. alte, gut aussehende dessen Anzug einen 2. Kapitel. ,,Wir wollen jetzt frühstücken!" Die Dame sagte es zu einem jungen Herrn teuren Schneider verriet. Das Hotel Grande Bretagne, dicht an der Avenue Kiphissia in Athen, war ein elegantes Haus, und seit ein russischer Professor die Küchcnleitung innehatte, versammelte sich hier täglich zu gewissen Stunden alles, was vor dem Krieg zu der Gesellschaft gehörte. Der junge Herr geleitete sorgsam, aber ein wenig zerstreut, seine Tante Philba Erskine zu ihrem Tisch im Palmenhof des Hotels und blickte interesselos auf die ägäischen Krebse, Arlischockenböden, Sardinen, Salate und Cumberlandschnitten, denen die Tante mit Eifer zusprach. Lediglich durch einen Aperitif stärkte er sich, der am frühen Morgen genossen, neurasthenische Naturen lebendig macht. Mrs. Erskine nahm noch ein wenig Wildschweingelatine und eine winzige Scheibe Burgunderpudding, dann wischte sie sich behaglich den Mund und widmete sich einem vierfach schwarzen, türkischen Kaffee. Ganz bedachtsam musterte sie ihren Neffen: „Pitt, du bist verliebt!" ,,Laß doch, Tante, ich bin ein wenig nervös, das ist alles." Mrs. Erskine und ihr Neffe Pitt waren aus Kairo vor einigen Tagen in Athen eingetroffen. Sie hatten eine lange Reise hinter sich. Mr. Hamilton Erskine sagte am Tage, als Pitt von der Yale-Universität das Zeugnis der bestandenen Staatsprüfung heimbrachte: Jetzt macht ihr beide, Tante und du — Pitt war ein weitläufiger Verwandter aus Deutschland, den das kinderlose Ehepaar an Kindesstalt angenommen und voller Güte und Großzügigkeit herangebildet hatte — , eine Fahrt nach Europa. Der Onkel griff tief in seinen Beutel, er konnte es, denn die meisten Getreidespeicher von Dallas gehörten ihm, und nun begann die schönste Zeit im Leben des jungen Baccalaureus. Manchmal, wenn er träumte, wirbelte durcheinander, was er seit Wochen in sich aufgenommen hatte: der Nachthimmel von Honolulu, die jäh ragenden Felswände der norw-cgischen Küste, die dunklen Olivenhaine Spaniens, die seltsam verwinkelten Wege der Insel Korsika, die Gesänge der Misriat, der Bewohner des Nillales, und beängstigend, bedrückend mischten sich Bilder und Gedanken ein, die hier erst, in Athen, verursacht wurden und entstanden. „Pitt, ich will mich nicht in ein Geheimnis drängen", sagte Tante Philba, „ich sage nichts, daß du nichts ißt, daß du am frühen Tag schon einen Schnaps trinkst, aber du weißt, daß ich dich noch nie im Stich gelassen habe, wenn du einmal nicht weitergewußt hast!" „Tante!" Mehr brachte der offensichtlich unglückliche Jüngling nicht heraus. ,,Geh, Pitt, geh ein bißchen spazieren und sei in einer Stund wieder hier. Ich will heute mittags in Phaleron sein." Sie nickt ihm freundlich lächelnd zu, blieb sitzen und versteckte sich hinter einer riesigen Zeitung, Pitts Betrachtungen waren immer noch nicht von Heiterkeit gefärbt, als er von der breiten Straße in den öffentlichen Park einbog. ,,Bin ich denn wirklich krank?" Ganz laut waren diese Worte über seine Lippen gekommen. ,,Um Himmels willen!" Er sah sich um, ob niemand ihn belauscht hatte; sein Ausspruch schien eine tiefere Bedeutung zu haben, denn sein Gesicht war von einer glühenden Röte Übergossen. Er ging und sah nicht das Astwerk, das ihn hinderte, quer durch die Sträucher zu laufen, bemerkte die märchenwunderlichen Farben indischer Pflanzen nicht, die man sorgsaii hier aufzog, fühlte nicht Stacheln und Dorne, die ihn zurückreißen wollten spürte nichts von der drückenden Hitze, die über allem lag, lief nur vorwärts, hinein in die üppige Blumenflur, um seine schlimmen Gedanken zu verscheuchen. Plötzlich knackten die Büsche, dann tauchte ein schneekaltes Batistkleid auf und pilgerte überschäumend und friedesam glücklich auf einem der schmalen Wege zum Denkmal eines großen Griechen, das zu dieser Stunde nur wenige aufsuchten. Das war ungefähr in der gleichen Minute, als sich der junge Jurist entschlossen hatte, eine unschuldige Pinie durch einige sachkundige Boxhiebe zur Vertrauten seiner Mißstimmung zu machen. Kurze Zeit nachdem stand er auf dem stillen Weg und sah in dem Lichtfleck am Standbild das allerliebste Batistkleid. Pitt hatte alles Bilterslrengc verloren und empfand plötzlich das Bedürfnis, sich an irgend wen, an die Besitzerin des weißen Batistkleides anlehnen zu müssen. Er beschleunigte seine Schritte. ,, Tausend nein, was geschah denn jetzt?" Das Fräuleinchen glaubte sich unbemerkt und tänzelte mauseschnell um das Denkmal, spitzte das Mäulchen und pfiff wehmütige Melodien, die ihre Lebenslust verrieten. Gerade kam Billie, jawohl Billie, wieder um die versteckte Ecke des Sockels, sah jemanden auf dem Wege und ging, Gleichmut und Unbekümmertheit heuchelnd, an Pitt vorbei. ,,Wie appetitlich!" dachte er und schmeichelte ihre Gestalt mit Blicken, die ihn zunächst nur trösten sollten, dann aber und mit sonderbarer Geschwindigkeit an Aufrichtigkeit gewannen. , Ja, ist denn das möglich? Dieses Profil, diese, nein wirklich, das ist zauberhaft!" Pitt lief hinter Billie her, immer schneller. Es geschah, daß sich Pitt in wirreu Unlösbarkeilen verlor; die Ähnlichkeit des jungen Mädchens mit der Ursache seiner Niedergeschlagenheit richteten seinen Blick weit weg von allem, was ihn in dieser Minute umgab, er empfand niemals früher oder später das An-einander-Vorbei, dies unnennbare Gefühl so stark. Und er ging wie eine Maschine hinter Billie her, verlangsamte oder beeilte seinen Schritt, wie sie es angab, dachte in keiner Sekunde daran, sie anzusprechen. Das alles war gut für Billie. Irgendwo am Konkordiaplatz verschwand sie im Gewühl. Pitt suchte nicht nach ihr. Aufatmend schloß Billie die Tür hinter sich und lehnte sich horchend an sie. Niemand kam. Das kleine Häuschen, das Billie für ein Spottgeld mieten konnte, lag in einer Seitenstraße, welche direkt zum Gesandtschaftsviertel führte. Nie empfing Billie Besuche; sie konnte auf diese Weise ihr Zimmer in ein j| Schmuckkästchen weiblicher Empfindsamkeit und Ordnungsliebe verwandeln. Peinlich sorgsam lagen über einem Stuhl die vollständigen Bekleidungsstücke eines einigermaßen eleganten Herrn. Seufzend zog Billie ihr Batistkleidchen aus und schlüpfte in ein linkes Hosenbein. Genau die gleiche Situation hatte sie schon einmal erlebt; sie erinnerte sich und ließ die letzten Wochen im Geist an sich vorüberziehen: Es begann auf dem Dach. Sie hockte und wartete auf Bill, der ihr gerade ein Köfferchen heraufgereicht hatte. Aber Bill erschien nicht. Statt dessen erhob sich in der Mansarde ein Getöse, und sie entdeckte mit halbem Blick, daß wütende Men j sehen in die kleine Wohnung eingedrungen waren. Später erhaschte sie noch, daß Bill verletzt war. Er schien bewußtlos zu sein. Im ersten Augenblick wollte sie sich selbst stellen, um den Bruder nicht im Stich zu lassen. Aber dann siegte eine andere, zweckmäßigere Erwägung. Fortsetzung folgt ^ lli i i.„.