Film-Photos Wie Noch Nie (Jan-Dec 1921)

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BELA BALASZ Hat bisher jemand nach ihm gefragt? Hat sich jemand eines Filmdichters Namen gemerkt? Schauspieler und Regisseure sind berühmt geworden — auch die Darsteller. Aber was sie dargestellt haben, schien ganz gleichgültig zu sein. Ist das ungerecht? Eigentlich nicht. Denn dieses „was" scheint ja im Film gar nicht vorhanden zu sein. Auf dem Theater ist es immer ein doppeltes Ding, das wir wahrnehmen: das Drama und seine Darstellung Sie erscheinen fast unabhängig voneinander, immer als Zweiheit. Es gibt ein Stück an und für sich, das Schauspieler und Regisseur nur interpretieren. Aber wir haben die Möglichkeit zu kontrollieren, ob sie dies richtig oder unrichtig getan haben. Denn wir hören den Text, die Worte des Dichters und können darüber urteilen, ob die Darstellung sinngemäß ist. Das Original bleibt uns stets zugänglich. Beim Film ist es anders. Wir können nicht hinter der Darstellung ein selbständiges Stück wahrnehmen und dieses unabhängig von der gelegentlichen Vorführung beurteilen. Das Publikum hat beim Film keine Kontrollmöglichkeit darüber, ob Regisseur und Schauspieler das Werk des Dichters gut oder schlecht dargestellt haben, denn sie bekommen dieses ursprüngliche Werk überhaupt nicht zu sehen. Die Darstellung hat die Dichtung gleichsam aufgesogen. Sie ist im Film nicht mein vorhanden. Was wir sehen, ist nur das Werk der Darsteller, des Regisseurs und des Photogiaphen. Sie sind die Dichter des Films Wer kümmert sich um einen anderen? Aber es war einmal auch auf dem Theater so. Bekanntlich gab es schon Theater, bevor es eine Dramenliteratur gegeben hat Auch auf dem Theater hat man ersl im provisiert und auf Grund irgend einer sehr allgemein angegebenen Situation drauflos gespielt. Die commedia dell arte war auch die Urform des Theaters gewesen. Schauspieler und Regisseur waren schon lange da, bevor der Dichter kam. Es war ein entscheidendes Stadium der Entwicklung, als die Darsteller sich in den Dienst einer bestimmten, und zwar vorher bestimmten Idee, in den Dienst eines festgeformten Kunstwerks stellten. Und das kam, als dem Publikum die kindliche Freude am bloßen Spiel nicht mehr genügte, als es nach einem Sinn zu fragen begann, das dem Schauspiel zugrunde liegt und von den Spielern möglichst getreu gestaltet werden sollte. Da wurde aus der Spielerei das Spiel. Es war das Zeichen der Reife. Vielleicht der Verlust einer Naivität. Aber mit der Frage nach dem tieferen Sinn kam der Schrei nach dem Dichter. Der Film scheint in das Stadium dieser entscheidenden Entwicklung zu treten. Allenthalben hört man klagen über die kitschig banalen seichten Manuskripte. Waren sie denn früher besser gewesen? Aber wer fragte danach? Man hatte so viel Freude an der unmittelbaren optischen Erscheinung des Spiels, an der Schönheit einer Frau, an der Reitkunst eines Mannes, am Tempo eines rasenden Autos an der Bildwirkung einer interessanten Einstellung, am Gefühlsausdruck eines Mienenspiels, daß es vollends genügte, zumal man da immer Neues, Ueberraschendes zu sehen bekam. Noch vor wenigen Jahren applaudierte das Publikum einer interessanten und schönen Aufnahme. Heute nicht mehr. Denn die gute Photographie ist heute schon so allgemein, sine qua non und selbstverständlich geworden, daß sie gar nicht mehr überraschend wirkt. Die Stimmungstechnik der Regisseure hat auch allgemein ein solches Niveau erreicht (und ist einstweilen auf diesem stehen geblieben), daß keine besonderen Ueberraschungen unser Interesse für die Dauer fesseln können. Nach der Spielerei soll jetzt das Spiel beginnen. Anfangs machte uns die neue Technik so viel Freude, dann die Entdeckung der sichtbaren Welt, das rein Gegenständliche. Dies scheint nun' für eine Zeit vollendet zu sein. Die bloße naive Schaulust ist befriedigt. Nun fragen wir nach dem Sinn und fordern den Dichter. Wir sind vielleicht reif geworden ? 18