Film-Photos Wie Noch Nie (Jan-Dec 1921)

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er soll damit den Anschein erwecken, als könne man die Menschen nur nicht hören in seinem Getöse. Und deshalb erscheinen auch zuweilen Schriftzeichen an der Wand, die da künden, was der Papalagi gesagt hat oder noch sagen wird. Trotzdem — diese Menschen sind Scheinmenschen und keine wirklichen Menschen. Wenn man sie anfassen würde, würde man erkennen, daß sie nur aus Licht sind und sich nicht greifen lassen. Sie sind nur dazu da, dem Papalagi alle seine Freuden und Leiden, seine Torheiten und Schwächen zu zeigen. Er sieht die schönsten Frauen und Männer ganz in seiner Nähe. Wenn sie auch stumm sind, so sieht er doch ihre Bewegungen und das Leuchten der Augen. Sie scheinen ihn selber anzuleuchten und mit ihm zu sprechen. Er sieht die höchsten Häuptlinge, mit denen er nie zusammenkommen kann, ungestört und nahe wie seinesgleichen. Er nimmt an großen Essenshuldigungen, Fonos und anderen Festen teil, er scheint selber immer dabei zu sein und mitzuessen und mitzufeiern. Aber er sieht auch, wie der Papalagi das Mädchen einer Aiga raubt. Oder wie ein Mädchen seinem Jüngling untreu wird. Er sieht, wi<i ein wilder Mann einen reichen Alii*) an der Gurgel packt, wie seine Finger sich tief in das Fleisch des Halses drücken, die Augen des Alii hervorquellen, wie er tot ist und ihm der wilde Mann sein rundes Metall und schweres Papier aus dem Lendentuche reißt. Währenddem nun das Auge des Papalagi solche Freuden und Schrecklichkeiten sieht, muß er ganz stille sitzen; er darf das untreue Mädchen nicht schelten, darf dem reichen Alii nicht beispringen, um ihn zu retten. Aber dies macht dem Papalagi keinen Schmerz; er sieht dies alles mit großer Wollust an, als ob er gar kein Herz habe. Er empfindet keinen Schrecken und keinen Abscheu. Er beobachtet alles, als sei er selber ein anderes Wesen. Denn der, welcher zusieht, ist immer der festen Meinung, er sei besser als die Menschen, welche er im Lichtschein sieht, und er selber umginge alle die Torheiten, die ihm gezeigt werden. Still und ohne Lustnehmen hangen seine Augen an der Wand, und sobald er ein starkes Herz und ein edles Abbild sieht, zieht er es in sein Herz und denkt: dies ist mein Abbild. Er sitzt völlig unbewegt auf * AI» = Herr (Karikat. The New Yorker) seinem Holzsitz und starrt auf die steile, glatte Wand, auf der nichts lebt als ein täuschender Lichtschein, den ein Zauberer durch einen schmalen Spalt der Rückwand hereinwirft und auf dem doch so vieles lebt als falsches Leben. Diese falschen Abbilder, die kein wirkliches Leben haben, in sich hineinziehen, das ist es, was dem Papalagi so hohen Genuß bereitet. In diesem dunklen Raum kann er ohne Scham und ohne daß die anderen Menschen seine Augen dabei sehen, sich in ein falsches Leben hineintun. Der Arme kann den Reichen spielen, der Reiche den Armen, der Kranke kann sich gesund denken, der Schwache stark. Jeder kann hier im Dunkeln an sich nehmen und im falschen Leben erleben, was er im wirklichen Leben nicht erlebt und nie erleben wird. Sich diesem falschen Leben hinzugeben ist eine große Leidenschaft des Papalagi geworden, sie ist oft so groß, daß er sein wirkliches Leben darüber vergißt. Diese Leidenschaft ist krank, denn ein rechter Mann will nicht in einem dunklen Raum ein Scheinleben haben, sondern ein warmes wirkliches in der hellen Sonne. Die Folge dieser Leidenschaft ist, daß viele Papalagi, die da aus dem Orte des falschen Lebens treten, dieses nicht mehr vom wirklichen Leben unterscheiden können und, wirr geworden, sich reich glauben, wenn sie arm, oder schön, wenn sie häßlich sind. Oder Untaten tun, die sie in ihrem wirklichen Leben nie getan hätten, die sie aber tun, weil sie das nicht mehr unterscheiden können, was wirklich ist und was nicht ist. Es ist ein ganz ähnlicher Zustand, wie ihr alle ihn an dem Europäer kennt, wenn er zuviel europäische Kava*) getrunken hat und glaubt auf Wellen zu gehen. *) Kava — das samoanische Volksgetränk, bereitet aus den Wurzeln des Kavaslrauches. 23