Film-Photos Wie Noch Nie (Jan-Dec 1921)

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DIE KULTURELLE MISSION DES KINOS VON KURT MORECK w enn Vervollkommnung ein Zeichen von Kultur ist, so dürfen wir hoffen, daß das Kino sich aus einer Zivilisationserscheinung weiterentwickelt zu einem Kulturfaktor. Nach den wirren Tastversuchen der Anfangszeit scheint nun in der Kinoindustrie die Klärung zu beginnen. Deutlicher heben sich die Ziele heraus, sichtbar werden die Wege. Die Konkurrenz auf dem internationalen Markt zwingt die Kinoindustrie zur Aufbietung der höchsten Kräfte, und aus der abstoßenden Jagd nach dem Profit ward ein weitaus edlerer Wettkampf. Das Kino ist eine elementare Erscheinung, die von der stark gewollten Primitivität des Volkes erzwungen ist, es stillt Bedürfnisse, die im Volk vorhanden sind. Das brennende Interesse an menschlichem Schicksal ließ einst die homerischen Epen, ließ das unvergängliche Werk des Sophokles und des Euripides, ließ unsere großen mittelalterlichen Heldengedichte, ließ Don Quichote, Hamlet und Faust erstehen; nichts anderes eben ist es auch, was heute den Film entstehen läßt. Man wende nicht ein, daß es sich dort um Kunst, hier um Unkunst handele. In den Rahmen dessen, was die Aesthetik bisher für Kunst erklärte, läßt sich das Kino vielleicht nicht einordnen. Das besagt aber nichts gegen das Kino, sondern ist nur ein Zeichen dafür, daß die uns überlieferten und von uns übernommenen Kunstgesetze nicht mehr zeitgemäß und zu erweitern sind. Vergegenwärtigen wir uns doch, daß das, was wir bisher als Kunst erkannten und anerkannten, schon längst nicht mehr in lebendiger Beziehung zum Volke stand, dem Volke nichts mehr bot und nichts von ihm erhielt. Kunst ist seit langem schon das Privileg einer Schicht von Eingeweihten, die sie für das Wertvollste, Wichtigste, Höchste halten und diese Meinung als Glaubensgrundsatz eigensinnig verteidigen. Für das Volk trat das Kino an die Stelle der nicht mehr volkstümlichen Kunst und hat damit allein sein Existenzrecht schon bewiesen. Denn Volk ist die bildungsfähige Vielheit jener, die noch barbarisch und jung sind. Die Kunst von heute ist dem Volke auch dadurch entfremdet worden, daß sie ausschließlich zum Verstände spricht, der Film ward ihm vertraut, weil er sich stärker ans Gefühl wendet. Dort geht der Weg der Wirkung durch das Hirn, hier geht er durch die Seele. „Wie wenige denken heute noch daran," schreibt Dr. Erwin Ackerknecht mit Bezug auf das Lichtspiel im Dienste der Bildungspflege, „daß Bildung von ,Bild' und .bilden' herkommt; wie wenigen liegt in unserem Zeitalter der Photographie noch das Gefühl, daß alles Bildliche wurzelhaft dem Sinnbildlichen, also dem seelisch Wirkenden verwandt ist, eine Tatsache, die ja heute noch — freilich in getrübter, fast mechanisierter Form — im Gefühl der Völker des Islam lebendig ist. Bei Bildung denkt heute beinahe jeder, soweit er überhaupt beim Sprechen und Schreiben nachdenkt, an ein gewisses Normalmaß von Wissen und Lebensart (also Willenstraining), mit anderen Worten an intellektuelle Werte, nicht an Gefühlswerte." — Der nachdrückliche Appell des Kinos an das Gefühl ist wohl die Ursache für die Zurückhaltung und anfängliche Blasiertheit der intellektuellen Kreise, die dadurch die „rasche Verseuchung des Lichtspielwesens" mitverschuldet haben; er gibt uns aber auch das Vertrauen in die Zukunft des Kinos: erzieherisch zu wirken auf dem Wege über das Gefühl. Dazu bedürfen wir keines künstlich „veredelten" Films. Alle Reformen, die nicht aus der natürlichen Entwicklung selbst sich bilden, führen zu nichts. Sinsheimer trifft das Richtige, wenn er vom Standpunkt als Zeitgenosse des Films, dem er weder Feind noch Freund sein will, behauptet, der Film hebe sich von selbst. Dann nämlich, wenn sich das Volk hebt. Film und Volk sind wie zwei kommunizierende Röhren. Wieviel an Kultur und ähnlichem Inhalt in der einen ist, soviel ist auch in der anderen. Das ist Naturgesetz. Wenn der Film durch die Macht seiner lebendigen Bildwirkung auch die stumpfe 39