Film-Photos Wie Noch Nie (Jan-Dec 1921)

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Menge zu bewegen und für Menschheit und Welt zu interessieren vermag, so kann er damit ein für den Bestand der Gesellschaft notwendiges Gemeingefühl und schließlich eine neue Humanität erwecken. Der Film kann für die vielen, die in der Enge und in der Beschränkung leben, den Horizont erweitern, er kann auch ihre Seele an Terrain gewinnen lassen. Mensch und Welt werden dem Zuschauer zum Erlebnis werden und sein Gefühl dadurch bereichern. Diese Bereicherung des Gefühls aber hebt den Menschen aus der Menge auf eine höhere Stufe der Gesittung. Das Kino birgt in sich die Möglichkeiten zur Erfüllung seiner kulturellen Mission. Wenn das Kino vor den naiven Augen der Schaumenge das Leben, die Gegenwart, den Menschen, der jubelt, leidet und untergeht, erscheinen und dem Volke die primitiven Erschütterungen der Seele zuteil werden läßt, so ist dies nicht zuletzt eine innere Werte schaffende* Erziehung zur Ehrfurcht vor dem Menschlichen. Das Kino lasse die Menge „ihr eigenes Dasein, ihr Lachen und Weinen, ihre Wonnen und Schrecken, ohne den Druck der Wirklichkeit, frei von allen Schranken, noch einmal genießen" und „ihre Existenz in der Phantasie durchleben". So werden ihre rohen und brutalen Instinkte emporgeläutert zu feineren Empfindungen. Auch die wesentlichste Eigenheit des Kinos, seine absolute Modernität, ist für den Menschen der Menge belangvoll, wie Alfred A. Baeumler in seinem Versuch einer Apologie des Kinematographentheaters betont. Das Lichtbild ist durch und durch Gegenwart. Das Leben, welches das Lichtbild schildert, ist unser eigenes Dasein. Die Straßen, durch die wir gehen, das Auto, die elektrische Bahn, die Zimmer, in denen wir wohnen, unsere Art zu essen, unsere ganze Form zu leben finden wir auf den Filmen wieder. Die eigentümlich vibrierende Atmosphäre unserer Tage, die nervöse, schnelle, abkürzende Existenz des modernen Menschen, wird auf einen Augenblick aus dem Tanz und Wechsel der Zeit herausgenommen und erlebt einen Moment der Verewigung. Das Dasein im Bild ist eine Verklärung des Daseins. So stark wirkt diese Erhebung des fließend Gegenwärtigen in die Sphäre des Entrückten, Scheinhaften, daß wir dies unser Dasein erst zu verstehen meinen, wenn es im Spiel an uns vorüberzieht. Wir sehen uns selber leben. Was am Tage uns quält und hemmt, die ganze verwirrende Vielfältigkeit der modernen Existenz, hier, wo wir kein Wollen haben, das gehemmt werden könnte, gelangen wir dazu, es rein in seinem Wert zu genießen . . . Unser Leben hat ein atemloses Tempo angenommen, die Erscheinungen sausen vorüber mit einer Flüchtigkeit, die uns manchmal erschreckt. Unsere Lebensform ist eine gleitende. Und doch können wir die Sehnsucht nach Stille, Dauer, Festhalten nicht unterdrücken. Das Leben selbst kann uns diese Stille nicht geben. Nur im Scheine können wir den ersehnten Augenblick erleben, und wir besitzen ihn, während wir die ganze göttliche Komödie des Daseins im Bilde an uns vorüberziehen sehen. Die Bilder sind stumm, aber wir haben gelernt zu sehen. Wie im Spiegel erblicken wir unsere eigene Unrast, unsere eigene Ruhelosigkeit. Der Druck des Daseins weicht für einen Augenblick einer ewigen Stille. Wie kostbar ist dieser Augenblick und wie schnell vergangen. Aber es ist keine Flucht, keine Berauschung, der die Ernüchterung folgt, sondern ganz und gar Bejahung der Zeit, ohne doch in ihren unerbittlichen Fluß getaucht zu sein. Alles Wirkliche fließt und vergeht. Der Schein allein ist ewig, weil er keine Realität besitzt. Diesen Augenblick Ewigkeit, den der Leser vielleicht aus einem zeitgenössischen Dichter schöpft, genießt der naive Mensch vor der Abspielung des Lebens durch den Film. — Vorausgesetzt, daß der Film, wie es im Sinne seines Wesens liegt, auch wirklich Spiegelbild des Lebens ist. Der Film ist für uns Zeitgenossen der Spiegel unseres Seins, ein Spiegel aber mit unvergleichlichen Bildern, mit Bildern, die nicht verlöschen. Zeugen unserer Zeit für die Zukunft sind diese Zelluloidstreifen, in denen wir tatsächlich Kulturdokumente hinterlassen, die unserer Zeit Wesen tiefer ind rücksichtsloser offenbaren als alle mit Klios Griffel geschriebenen Annalen. „Gemeingut unserer Zeit" nennt Urban Gad den Film: für alle und jeden ist die geschliffene Linse dort oben ein Auge, worin alle Schätze der Welt sich sammeln und brechen, wo die Erdkugel sich von Nord bis Süd spiegelt und die Seele sich in kurzen Blitzen so hell und deutlich wie der Körper zeigt. Dort kann man Belehrung finden über Natur und Menschen, über das ganze Weltall, vom Sternenmeer bis zu den Mikroben — als wäre das Auge dort oben in der Dunkelheit dasjenige, das 40