Film-Photos Wie Noch Nie (Jan-Dec 1921)

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Von LEBENDE SCHATTEN Lotte Reiniger Kunst u. Technik des Silhouettenfilms r Um und Film ist ein Unterschied. Nicht nur in Qualität oder Erfolg, auch in Herstellungsart und Technik. Wir stehen noch am Anfang der Entwicklung dieses neuen Ausdrucksmittels, haben sozusagen erst die ersten Sprechversuche in dieser allen Menschen verständlichen Sprache des „lebenden Bildes" gemacht, und schon offenbaren sich uns immer neue Sprachformen und Ausdrucksmöglichkeiten. Die Normalform des Films ist die photographische Wiedergabe eines Bewegungsvorganges. Mit Hilfe der Aufnahmeappalate kann man von einer normal beleuchteten Bewegung in der Sekunde eine große Anzahl (20 bis 30) Einzelphasen auf dem Filmstreifen festhalten; projiziert man diese vielen Einzelbildchen hintereinander auf eine Leinwand, so entsteht ein genaues photographisches Bild dieser Bewegung, wenn man pro Sekunde genau so viel Bildchen projiziert, als man aufgenommen hat. Auf diese Weise werden die meisten Filme gemacht, die Bildreportagen, Expeditionstilme, Naturaufnahmen und Spielfilme. Die Hauptarbeit liegt hierbei vor der Aufnahme, die Aufnahme selbst dauert genau so lang wie der zu photographierende Vorgang. Prinzipiell anders ist die Aufnahmeart der sogenannten „Trickfilme", wozu auch meine Silhouettenfilme gehören. Wenn man das Wort „Trick" hört, denkt man: „Da ist irgend etwas dabei." In der Tat ist ein „Trick" dabei. Man nimmt nämlich nicht wie gewöhnlich viele Bildchen hintereinander auf, sondern immer nur ein Bildchen, und zwischen diesem und der Aufnahme des nächsten liegen oft Stunden mühseliger Arbeit. Die Aufgabe des Trickfilmkünstlers ist es nämlich, Bewegungseindrücke hervorzurufen, ohne daß er eine Bewegung photographiert. Er muß die Bewegung, die er sich vorgestellt hat, in lauter kleine Elemente zerlegen. Jedes einzelne Bildchen wird hergerichtet und so auf das vorhergehende und das folgende eingestellt, daß es sich bei der Vorführung mit den anderen zu einem geschlossenen Bewegungsfluß verbindet. Diese Arbeitsart hat die größte Aehnlichkeit mit der des Komponisten, der auch seine Klangvorstellung in lauter einzelne Noten zerlegen und diese mühsam einzeln aufschreiben muß. Diese Arbeitsart hat den Vorzug, daß der gestaltende Künstler in seinen Entwürfen auf die sonst alles beherrschenden Gesetze der Schwerkraft, des Zusammenhangs der Materie, kurz auf die jede natürliche Bewegung beherrschenden Naturgesetze keine Rücksicht zu nehmen braucht. Er kann mit seinen Formen und Gestalten schalten und walten wie er will. Gerade die völlige Umkehr der Naturgesetze spielt zum Beispiel in den herrlichen amerikanischen Grotesken von Felix dem Kater oder Oswald dem Kaninchen die Hauptrolle. Da wird ein Tier z. B. länger, weil seine Vorderbeine schneller gehen als seine Hinterbeine, eine Eisenbahn wird unendlich breit, weil der Schienenabstand sich vergrößert, oder unendlich schmal, weil sie sonst nicht durch einen Tunnel geht. Der ausschweifendsten Phantasie sind keine Schranken gesetzt. Umgekehrt wieder können die größten Wirkungen erzielt werden, wenn — wie in meinen Filmen — Schattenfiguren sich mit größter Lebenswahrheit bewegen, so daß man vollkommen das Gefühl verliert, daß es keine wirklichen Schauspieler sind. Ich verfolge bei meinen Silhouettenfilmen nicht das bei den meisten figuralen Trickfilmen gebräuchliche Prinzip, die einzelnen Bildphasen zu zeichnen. Ich konstruierte mir nach einem jahrelang ausprobierten System Spielfiguren aus Blei und Pappe, die auf durchleuchteter Fläche spielen. Von Bildchen zu Bildchen werden die kleinen schwarzen Schauspieler geändert je nach der Bewegung, die sie gerade auszuführen haben. Bei einzelnen Figuren und bei Großaufnahmen ist das nicht so schlimm. Unangenehmer wird es, wenn viele verschiedene Akteure gleichzeitig zu tun haben. Da zieht sich oft eine Szene tagelang hin, 45