We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Nachdruck des Inhalts, auch auszugsweise, verboten. Traumgesprädi. Von Emil Ilartmann. Der Portier verneigte sich tief, als der berühmte Theaterleiter durch das Vestibül des prunkenden Hotels schritt. Eine auffällige Erscheinung! lieber der schlanken, straffen Figur einer jener Köpfe, die sofort frappieren, denen man nachblickt! Heute schien das seh&rfgeschnittcne. bartlose Gesicht in einem besonderen Triumph zu strahlen; stolz glitten die Augen über die wenigen Gäste, die sich noch in den weiten Korbsesseln räkelten oder im Begriff waren, ihre Zimmer aufzusuchen. Rasch hatte der Lift den Gewal¬ tigen in den ersten Stock expediert, und raseheil Schrittes eilte er nun über den wollüstig-weichen Läufer, der jedes Geräusch erstickte, die^Flucht der Türen entlang bis an sein Zimmer. Mit innerer Freude konstatierte er das Gefühl einer ech¬ ten Müdigkeit. Eine Gotteqgabe, die er. von den Nervo¬ sitäten seines aufreibenden Berufes gepeinigt, meist des Abends in stundenlangem Herumwälzen suchen musste. Heute aber hatten die lange Eist nbahnfahrt und die soeben beendete anstrengende Bcgriissungssitzung ihr redlich Teil getan, das Verlangen nach Ruhe zu gebären. Sorgfältig legte er den Frack ab, an dem die Orden leise aneinander klangen. Stolz durfte er schon sein! Unter den vielen Kongressmitgliedern nahm er einen ragenden Platz ein, direkt an der Seite der führenden Exzellenzen, denen er vermöge seiner erstaunlichen Arbeitskraft ein unentbehr¬ licher Helfer war. Und solche Tage der grossen Aus¬ sprachen, wie sie jetzt wieder begannen, brachten ihm, der in klugen Ausführungen mit einer Unterlage von emsig gesammeltem Material das gespannte Interesse seiner Kol¬ legenschar zu erwecken verstand, jedesmal schmeichelhafte Ehrungen. Das tat gut nach der Plackerei der Wintersaison, die nun wieder einmal — er bekreuzigte sich leise — hinter ihm lag. Ach! heute würde er schlafen! Ehe er sich ins Bett fegte, machte er, einer gewissenhaften Gewohnheit folgend, in sein Taschenbuch eine knappe Eintragung über den Tages¬ inhalt: „Glänzende Eröffnungssitzung. Exzellenzen L. und K. gratulierten mir zu erfolgreich iiberstandoner Saison. Lehnte lächelnd ab mit Hinweis, dass Kino mir unermess¬ lichen Schaden gebracht. Exzellenz Pf. meinte: Ding schon drehen! Stimmung glänzend, a llgem ein gegen Kino, mein grosser Vortrag wird morgen fa.»elhaft einschlagen.“ Dann vertraute er sich den weichen Kissen. Schlaftrunken glitt sein Blick noch einmal durch den hohen Kaum und haftete an dem aufgeschlagenen Taschenbuch, in dem kaum die Tinte getrocknet ; dann drehte er an dem Knopf und lag in schwarzem Dunkel. Seltsam schien ihm, dass die drei elektrischen Birnen am Plafond wieder aufflammten, ohne dass er den Arm er¬ hoben hatte. Und auch die Schreibtischlampe warf einen buchtenden Streifen herüber. Als er mühsam den Blick dorthin lenkte, erschrak er gewaltig. Am Schreibtisch sass jemand, — ein Mann. Er versuchte sich aufzurichten —, cs gelang ihm nur mühsam; über seine Stirn perlte kalter Schweiss; die Hand tastete schwer aufjder weichen Decke. Der Mann sass unbeweglich am Schreibtisch; die Lampe warf ihr Licht voll auf ihn. Ein alter Mann war es mit einem eckigen, strengen Gesicht ; kurzes, graues, aufrechtstehendes Haar bedeckte den mächtigen Schädel, ein altmodischer, weisser Bart umkleidete Backen und Kinn, der Schnurrbart war fort rasiert; ein Bürger aus dem Anfang oder der Mitte des verflossenen Jahrhunderts, in einem dunklen, dicken, abgeschabten Tuchrock. Er sass unbeweglich am Schreib¬ tisch und hatte den Blick auf das Taschenbuch gesenkt, das geöffnet auf der Platte lag. Der berühmte Theaterlenker wollte unwirsch nach seinem Begehren fragen, aber es gelang ihm nicht recht, seiner Stimme Herr zu werden. Da blickte der alte Mann in die Höhe, wandte den Kopf zum Bett und sagte mit einer eigenartig schnarrenden und kräch¬ zenden Stimme: „Grüss Sie Gott, Herr Kollege: Sie wollen es mir nicht verargen, wenn ich diese ungewohnte Stunde zu einem Besuch erwählt habe, aber das Tageslicht duldet mich nicht mehr! Immerhin hat es mich mit Gewalt hierher gezwungen. Ich musste einmal wieder aus den Kreisen meiner modernen Kollegen hören, wie es um unser geliebtes Theater 1 k>s teilt ist und ich glaube", — und dabei neigte er verbindlich grüssend das greise Haupt , ,,auf der Suche nach einem unserer eifrigsten InteressenVerfechter mich nicht geirrt zu haben!“ Seine zitternden, fast durchsichtigen Hände spielten an den Knöpfen des dicken, schäbigen Rockes und die Augen ruhten mit einen» Ausdruck von hei¬ terer Ironie auf dom im Bett Sitzenden. ,.Zu viel Ehre!“ murmelte dieser, „zu viel Ehre'“ Dem alten Kollegen gegenüber verlor er das Angstgefühl, das einer gespannten Neugier Platz machte. Ein merk würdiges, altes Haus! Auch eine Manier, nachts die Leute zu belästigen! Auf was für Ideen d ese alten Kräcker manch mal kommen! Er schielte nach seinem über dem Stuhl hängenden Frack, an dem die Ordenreihe im Li ht funkelte.