Der Kinematograph (September 1912)

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No. 300. Der Kinematograph — Düsseldorf. Der bekannte Bühnendichter jr.d Verfasser der viel¬ gespielten Pantomime „Sumurun“, «iie auch eine zeitlang Kino-Repertoirstück in den Berliner Ausstellungshallen war, Friedrich Freksa, ist gleichfalls der Meinung, dass der Kinematograph berufen wäre, ein ausgezeichnetes Volksbildungsmittel zu sein. Er zieht einen drastischen Vergleich mit der Kartoffel und sagt: Während der Wert der Kartoffel von den Regierungen sofort erkannt wurde (denn für Magen¬ fragen ist stets ein ursprüngliches Verständnis da. das der Gutsbesitzer und Administrator schon im Viehstalle sich aneignet,) gingen bisher die praktisch wirkenden Staats¬ männer an den ebenso wichtigen geistigen Volks bedürfnissen, die nicht sofort ihre Zinsen für den Bürger- und Militärdienst tragen, glatt vorbei. Der Kinematograph in Verbmdung mit dem Grammophon wäre geeignet, grosse und fruchtbare Volks¬ akademien ins Leben zu rufen, wenn sich Städte, Universitäten. Zeitungen und Künstler auf die Pflichten besännen, die sie gegenüber den Millionen ihrer Volks- f enossen haben. Im Volke schlummert die heisseste I e g i e r d e , die grossen Ereignisse des Tages mitzuer¬ leben. Sensationsgier wird nur dadurch gezüchtet, wenn das Volk von dem vorschreitenden geistigen lieben der Nation ausgeschlossen wird. Die Menschen, die acht bis zehn Stunden des Tages mechanisch arbeiten, deren Hirn am Werktisc' e, am Sc'.reibpulte, im Strassen staube aus¬ trocknet, die finden ihre Erholung im Kino. Der Kinematograph hat die Mission, das Volk das geistige Leben und Ringen der Zeit mitfühleu zu lassen. Er kann der moderne Ausdruck der Saga werden. Es heisst nur den Mut haben, alte Dinge in neue Werte umzudenken. Der bekannte Wiener Feuilletonist Raoul Auernheinier zieht einen Vergleich mit dem lebendigen Theater und sagt: „Das Kino ist bequem; an jeder Strassenecke lockt eines, und man kann zu jeder beliebigen Stunde, wenn man gerade Zeit hat, ein treten. Ein Automaten¬ büffet des Geistes, ist es jederzeit willig, den Appetit der Passanten zu befriedigen. Hierzu kommt noch, dass unsere Bühnen wirklich nicht gerade volkstümlich sind. Es sind fast durchwegs Luxustheater, die sich an das zah¬ lungsfähige Publikum wenden. Dass es hinter diesem, in der geringgeschätzten namenlosen Menge, noch ein anderes gebe, beweist die jetzige Entwicklung des Kinotheaters. Und wer weiss, ob eine volkstümliche Bühne, die ein volkstümliches Repertoire und populäre Preise be- sässe, da nicht vieles gutmachen könnte. Aber freilich man müsste nebst den Direktoren auch die Dramatiker zunächst in die Schule des Kinos schicken Nicht damit sie den niedrigen Instinkten der Menge Rechnung tragen, sondern damit sie den Punkt treffen lernen, auf den es im Theater ankommt. Lichtenbergs geistreich-verwegenes Wort von der partiellen Aehnlichkcit der Fürstinnen und Bauernmädchei. gilt auch im Bereiche der Kunst, und am Ende lässt sich auch noch von dem schlechtesten Kinostück etwas lernen — zumindest, dass auch das beste Stück, wenn es .Anspruch auf theatralische Wirkung macht, das haben muss, was man den kinematographischen Ge¬ halt eines Dramas nennen könnte. Shakespeares Tragiklien haben ihn ausnahmslos, auch Schillers Werk hat ihn, Grillparzers Stücke besitzen ihn häufig, die Hebbelschen selten, die Ibsenschen nie. Das berührt natürlich den lite¬ rarischen Wert nicht, aber der Bühnenerfolg eines Werkes wird immer in einem Zusammenhang mit dem kinemato- vünnl'iwiy RODIIMl metol