Der Kinematograph (November 1912)

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No. 307. Der Kinemfctograph — Düsseldorf. Seele: <la wird uns keine fremde Meinung cingeredet; da kann jeder naeh seiner Fasson selig werden, sieh «las Bild ausinalen wie er will, seine- geistigen Bildungsstufe ent¬ sprechend. Das Jx>ben will sieh selbst im .Spiegelbilde ge¬ messen: es will .gepackt. Irrt gerissen, erschüttert sein; es will Ereignisse. Taten. Schicksale, typische Kontraste sehen: es sucht sieh selbst. Tun die Besucher der Schau¬ spielhäuser etwas anderes Das Volk aber vermag sich auf die Stufe der „Gebildeten“ nicht zu erheben; es ist für ver¬ wickelte seelische Konflikte nicht reif. Deshalb langweilt es sieh im Theater, deshalb vermag dieses auch nichts zur Hebung der Volksbildung zu tun Es ergeht dem modernen Theater wie der soviel nngepriesenen modernen Lektüre, die die Schundliteratur bekämpfen will, duhei aber in keiner¬ lei Beziehung dem Volksempfinden Rechnung trägt. Dieser Fehler ist hier wie dort dieQuel.e alles Misserfolges, der Grund dafür, dass geldsüchtige Spekulanten mit ihren Films und ihren Schauerromanen die besten Geschäft«* machen. Es gibt tatsächlich schlechte Films, aber wer wollte deswegen ilie Lichtspielhäuser verdammen, wo der alte Volkshumor seine tollen Orgien feiert, die in ihrer Derbheit an die altdeutschen Schwänke, in ihrer grotesken Unwirk¬ lichkeit an Wilhelm Büschs Bildererzählungen erinnern. l*aul Jsindau hat recht : Die alte Volksphantasie hat ihr bestes stets im Humor geleistet, und die Technik des Film- gibt das denkbar beste Werkzeug in die Hand, um schauer¬ liche skurrile Dinge «iarzustellen. jenen rasenden Rhythmus de- allgemeinen Tohuwabohu w lederzugeben, in dem alles durch(‘inander stürzt, hinpurze't. wieder aufsteht, in dem «lie Tische tanzen, die Strassen auf dem Kopfe spazieren gehen und die Häuser einen Cancan aufführen. Da sehen wir zwei Schutzleute in französischer Uniform gemächlich die Strasse entlang wandeln. Plötzlich saust ein giosses Etwas vom Dach«* herab, ausgerechnet auf die lieiden Gardiniers <le 1a paix. «lie mit einem grotesken Purzelbaum hinkollern, um die sie ein (’ircuskünstler beneiden könnte. Selbst das Grausige wird lustig ausgenutzt, wenn mein«*t- wegen ein Betrunkener statt «*in«*s Brausepulvers ein Stück Nitroglyzerin verschluckt, in Stücke gesprengt wird. sich mühsam seine Knochen wieder zusammenklaubt und ver¬ gnügt fortgeht. So wird das Kino zum Sammelbecken alt«*r Volkspoesie, die von Altin«liena Pantschatantra aus sich hindurclizieht durch «lie Jäteratur aller Zeiten un«l aller Völker, «li«* ebenso widerklingt in den Märchen Tausend un«l eine Nacht, w'e in «len Dramen Shakespeares und «len Werken unsere! Klassiker. Sie ist ein unverlierbares Eigen¬ tum «ler Menschheit, der nie versiegende Brunnen «1er gött¬ lichen Phantasie, der unermessliche Schatz aller Erzäliler- kunst. «las schönste Raritätenkabinett des Lebens. Wohl allen, denen unsere Volkspoesie bekannt ist, die in den bunten Guckkastenbildern der ,,J>aterna magica der Er- waehsenen" ein Abbild «ler Welt erkennen! Ihnen wird die Vergangenheit zur Gegenwart, und sie kehrt wieder die goldige Zeit, «ler Traum der .Jugend, das Paradies der Kiml- heii . . . Ist «w da recht, wenn man über die Films aus¬ nahmslos den Stab bricht, wenn man auch den Kunstfilms j«*«len künstleriachen Wert abspricht, wenn man ihnen nachsagt, dass sie das ästhetische Gefühl ruinieren, das künstlerische Empfinden abstumpfen, den Sinn für wahre Kunst vernichten ? Es kommt noch etwas hinzu, auf «las A. Baeumler in «ler Zeitschrift ...März’' aufmerksam macht. Durch das Lichtbild ist der Mensch gleichsam noch einmal entdeckt worden, «ler Mensch als Darsteller, Ausdruckskünsthw. Schauspieler. Die Bühne des Films ist intim. Alle die feinen Verschiebungen der Züge des Gesichts, die sonst nur «len Inhabern «ler Proszeniumslogen und der ersten Reihen des Parketts sichtbar werden, die aus»lrucksvollen G«ssten, die leisen Bewegungen «ler Hand und derjäppen werden scharf und klar anschaulich. Eine ganze Welt des Ausdrucks tut sich auf. Die zahllosen Möglichkeiten der Seele, sich zu geben, zu verraten, in einem Zuoken «xler Zittern sichtbar Eug. Bauer. Stuttgarts Kinematographen-Fabrik. Vertreter: Berlin: Joh's. Oschatz, Murkgraf.-nstr. 25. Hamburg: A. F. Döring, Sohwalbcnstr. 35. Düttbidorf: L. Gottschalk, Centralhof Wien: Frz. Seidl, Mariahiuerstr. 51 Hirichterg I.B.: Eltr.Birnbaum, Kan>«*rafabrik.