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No. 314. Der Klnematograph — Düsseldorf. denke an den Luftröhrenschnitt des Kaisers Friedrich — Thronbesteigungen, Schlachten, die erste Vorführung neuer Erfindungen, Hinrichtungen mit politischem Charakter, alles Bedeutende wird festgehalten für spätere Tage: Le¬ bendige Dokumente der Zeit. Geschichts¬ fälschungen werden nicht mehr im gleichen Umfang wie heute möglich sein. Die Menschheit hat ein neues Gedächtnis. Ein wunderbar neues! Es entflammt die Phantasie, den Ehrgeiz, die Eitelkeit, in diesem Gedächt¬ nis verewigt zu sein, als Filmschatten noch zu leben, durch die Städte zu wandern. Wenn der Leib längst vermodert ist, noch Sensationen in hunderttausend Zuschauerköpfer auszulösen. Ludwig Fulda: Der märchenhafte Siegeszug der Bewegungsphoto¬ graphie hat gleichsam über Nacht eine Reihe von Problemen hervorgerufen, die zwar zuerst, wie immer in solchem Fall, die Nächstbetroffenen beschäftigen, keineswegs aber sie allein angehen. Kein zurechnungsfähiger Mensch wird leugnen wollen, dass sie als Bildungsmittel schon heuteGrosses leistet und nochGrösseres für die Zukunft verspricht. Sie hat eine ganz neue, ausserordentlich vervoUkommnete Art des Anschau¬ ungsunterrichtes für die Jugend wie für die Erwachsenen geschaffen, und ihre Tragweite auf diesem Gebiet, einerlei ob es sich um unterhaltende Belehrung oder um belehrende Unterhaltung handelt, scheint unbegrenzt. Da das Grund¬ gesetz der gesamten Natur, der belebten wie der unbelebten, die Bewegung ist, so gibt es in deren unermesslichem Reich — von der Brandung der Meereswogen bis zum Herzschlag des Menschen, vom Getriebe der Infusorien in einem Wasser¬ tropfen bis zu dem Marktgewühl fremder Völker in fernen Weltteilen — keinen Vorgang, den nicht die La- tema magica des Kinematographen uns in unmittelbarster Gegenwart vor ■ e Augen zaubern könnte. — Durci. die Kinematographie kann Schillers Wort von der Nachwelt die dem Mimen kein Kränze flicht, zuschanden werden. Denn sie ermöglicht es, das Spiel eines bedeutenden Dar¬ stellers für künftige Geschlechter zu bewahren und damit die Theatergeschichte, die bisher nur mit Namen und Be¬ schreibungen zu operieren vermochte, aus der blutleeren Abstraktion in die lebendige und lebenerzeugende Sphäre einer anschaulichen Wissenschaft zu erheben. Sie wird von diesen untrüglichen Dokumenten das Verhältnis der verschiedenen Epochen zueinander, ihren Fortschritt und ihre Entwicklung ablesen. Aber auch der Unter¬ richt des werdenden Schauspielers und die Vervollkommnung des gewordenen können aus diesem Born reichlichen Ge¬ winn schöpfen. Man erwäge, dass der darstellende Künstler im Gegensatz zu allen übrigen bisher seiner Leistung nicht objektiv gegenübertreten konnte, weil sie von seinem Körper nicht zu trennen war. Erst die Bewegungsphoto¬ graphie schenkt ihm die Fähigkeit, sich selber spielen zu sehen und dadurch als Schaffender das Geschaffene zu überprüfen. Besser als irgend ein Dritter wird er so gewisse Unzulänglichkeiten oder Unarten seiner Kunstübung her¬ ausfinden, wird sich an der Hand dieser unerbittlichen Kontrolle imm er von neuem in die Schule nehmen können. Auf wie vielerlei Gebieten diese Erfindung Segen stiften kann, lässt sich heute noch gar nicht absehe n. Schon hat sich ein „Deutscher Bund für wissenschaftliche und Unterrichtskinematograpbie“ gebildet, und jeder Freund unserer Kultur wird ihm Gedeihen wünschen; ja die Zeit ist gewiss nicht fern, wo es überhaupt keine Lehran¬ stalt ohne kinematograpbischen Appa¬ rat mehr geben wird.