Der Kinematograph (February 1913)

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l^Wnenialos?^ ^Kinematographie, Phonographie, Musik-Automaten Bezugspreis: Tiertelj ihr lieh Inland Mk. 2,10 I Anzeigenpreis: Nonparsille-Zell« 20 Plg. nalaad. „ 2,75 | SteUen-Anzeigen die Zeile. 10 Schloß der Redaktion and Anzeigen-Annahme: Montag Abend. Berliner Bureau: Franz Glau, Berlin SW. 29, Marheinekeplatz 14, L Telephon Aut Moritzplatz 10 607. No. 319. neprccher" SOI Düsseldorf, 5. Februar 1913. Erscheint jeden Mittwoch. 0e< Inhaiti, auch Der Kinematograph — ein Kulturfeind? Eine Entgegnung auf d e letzte I*rof. Brunnersehe Broschüre. astragiwstM, serhotsn. Im Verlag des Vaterländischen Schriften*Verbandes lässt Professor Dr. Karl Brunner als Flugschrift No. 24 eine Broschüre erscheinen, deren Titel ,.l)er Kinematograph von heute — e i n e Volks¬ gefahr" die Tendenz des Inhalts kennzeichnet. Der Verfasser sagt dein Kinofach mann auf den 32 Seiten des Heftchens nichts Neues mehr. Et begnügt sich damit, auch an dioserStelle mit etwas anderen Worten das zu wiederholen, was vom deutschen Staatsanwalt der Kinematographie schon mehrmals gesagt worden ist. Eine künstlich auf ge¬ baute Anklage, die einen Schein von Berechtigung hat. zu deren Widerlegung es aber nicht einmal eines besonders geschickten Verteidigers bedarf. Nach der Lektüre des Heftchens muss jeder, mit den Verhältnissen der Kinemato¬ graphie halbwegs Vertraute, den Eindruck gewinnen, der Herr Staatsanwalt scheint sich in der Beurteilung des Delikts geirrt zu haben und er muss seine ganze Beredsam¬ keit aufwenden, um den unangenehmen Eindruck zu ver¬ wischen, den ein Fehlgriff immer erweckt. Dass er dabei, nach Art hartnäckiger professioneller Ankläger, an dem Beschuldigten kein gutes Haar lässt und in der Befürchtung, vorurteilsfreie Richter könnten wenigstens mildernde Um¬ stände für vorliegend erachten, dafür plädiert, doch zu einer Verurteilung zu kommen, weil die eventuelle Ge¬ fahr vorliege, die Kinematographie könnte vielleicht einmal Unheil anstiften, ist nur selbstverständlich. Professor Brunner meint nämlich im Anschluss an statistische Zahlen. <lie die ungeheure Oeffentlichkeit der Eicht spiel beschälter erweisen sollen: ..Welche Riesenmacht liegt in dea Händen derer, die den Filmmarkt beherrschen! Welche Gefahr, wenn diesen wenigen Geldleuten, denen jetzt noch der Erwerb die einzige Triebfeder .ist. andere an die Seite treten, die aus irgendwelchen anderen Beweggründen Einfluss auf die Massen gewinnen wollen." und fährt dann nach Zitationen weniger Sätze eines Fach¬ kollegen von der Feder fort: ..Welche Aussichten eröffnen sich damit für die Vorkämpfer guter und schlechter, nützlicher und g e - meingefährlicher Ideen!“ Und zwei Seiten vorher heisst es ausdrücklich: „Es muss ja bekanntlich jedes Bild, auch das harmloseste, durch die Zensur hindurch¬ gehen. weil ohne polizeiliclM- Erlaubniskurte die Vor¬ führung nicht gestattet ist.“ Wem fällt dieser Widerspruch nicht auf ? Gibt er nicht ztiglek h die- Erklärung dafür ab, aus welchen ureigent - liehen Beweggründe« die Stätten der Kine¬ matographie drangsaliert und eingeschränkt, womöglich samt und sonders unterdrückt werden sollen ' Die Kinc- matographentheater sind nun einmal trotz des sehr ge¬ mischten Programms mit den eingestreuten „Dramen" und ..Schlagern“ in gewissem Sinne Volksbildungsinstitute in denen auch für den stupidesten Besucher etwas von den Fortschritten und den Errangt nschaften internationaler Kultur haften bleibt, in denen der Geist der Massen zum Nachdenken angeregt wird und in denen die Möglichkeit geboten ist, Vergleiche anzustellcn. zwischen den Verhält¬ nissen bei uns und anderwärts. Herr Professor Brunner hätte sich sicher nicht zu den zitierten Behauptungen aufge¬ schwungen. wenn er und seine Gesinnungsgenossen nicht die Befürchtung hegen würden, durch die ständig verbesserten und erweiterten Filmdarbietungen könnten in den Besuchern der Lichtspielhäuser Wünsche rege werden, an deren Er¬ füllung die heutigen Machthaber nicht im entferntesten denken. Die Aufklärung, die durch die Lichtspieltheater ziemlich unbewusst, in die Volksmaasen dringt, das ist es, was gefürchtet wird. Und die Zensur sieht sich trotz strengster Handhabung völlig ausserstande der fort¬ schreitenden intensiven Aufklärungsarbeit des Kinemas einen Damm entgegenzusetzen. Anders ist der bedauernde Ausruf über die Vorkämpfer, die sich des Kinos für die Ver¬ breitung guter und schlechter, nützlicher und anderer Ideen bedienen könnten, wohl kaum zu verstehen. Gemeingefährliche Ideen - wirklich gemeingefährliche — nicht solche, wie sie vermutlich Herr Prof. Brunner unter diesem Ausdruck versteht, wird die Polizei wohl ohne weiteres inhibieren können, denn ihre Zensur urtterzieht ja „bekanntlich“ auch das harmloseste Bild einer Prüfung Und deshalb erscheint uns diese „Gefahr“ in ziemlich aus¬ sichtslose Fernen gerückt, wenn sie auch in noch so deutlicher Gestalt auf die Wand gemalt wird. Wir sind nämlich auch der harmlosen Meinung, dass die Filmindustrie, trotz Prof Brunner, sich weiteren Aufschwunges erfreuen wird, und dass auch die stille Aufklärungsarbeit des Kinemntographen