Der Kinematograph (February 1913)

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No. 319. Der Kinematograph — Düsseldorf. kaum etwas an unseren politischen Verhältnissen ändern wird. Die Früchte dieser Tätigkeit wird erst eine kommende Generation ernten. „Und wer einst in spi.toren Jahren die Kulturgeschichte unserer Zeit zu schreiben hat“, wird ganz sicher nicht daran denken, den Kinematographen für den schlechten Volksgeschmack verantwortlich zu machen. Er wird, wenn er wirklich objektiv ist. und die Welt nicht durch antisemitische und chauvini-« s tisch gefärbte Augengläser betrachtet, viel eher konstatieren müssen, dass das Licht spiel wesen m i t seinen Anteil an der Weiterbildung des menschlichen Geistes hatte. Die scharfmacherische Tendenz dieser neuesten Flugschrift gegen die Kinematographie dokumentiert sich übrigens noch deutlicher in den wiederholten Hinweisen auf die internationale Herkunft der Bilder und in der Betonung „der von den Fabrikanten auf die ganze Erde erstreckten Verbreitungsabsicht“. Man fühlt ordentlich, wie die reaktionären Parteigänger eine Gänse¬ haut überkommt bei dem Gedanken, dass z. B. die kine- matographische Berichterstattung einer ausländischen poli- t ischen Demonstration so und so vielen Millionen Deutschen gleichfalls zu Gesicht kommt. Herrgott, wenn diese unge¬ heure Masse anfangen sollte, über die wahre und innerliche Bedeutung solcher Volksszenen nachzudenken! ^Wenn all' diesen Köpfen die plötzliche Erleuchtung käme, wie'weit wir noch in mancher politischer Beziehung hinter dem Ans¬ lande zurück^ sind; Donnerwetter, das müsste ja ganz plötzlich den lange befürchteten Kladderadatsch geben! Auch seinen antisemitischen Gefühlen iässt Herr Professor Dr. Karl Brunner in dieser Broschüre freien Lauf. Einen ganz besonderen Spass scheint es ihm gemacht zu haben,\ dem Artistennamen eines fachschriftstellerischen Kollegen mit behaglicher Breite und bei jeder Gelegenheit ausdrücklich auch den jüdisch klingenden Familiennamen beizufügen. Es ist bei Auseinander¬ setzungen mit Personen gegenteiliger Ansicht im allgemeinen nicht üblich seine stilistischen Mätzchen an derlei Aeusser- lichkeiten zu üben, und noch weniger üblich ist es, dem Namen von Personen, deren Anschauungen man sachlich bekämpft, verächtlich machende Charakterisierungen an- zuhängen. Die Fachpresse hat sich bisher stets in den Formen des Anstandes und der Sachlichkeit gehalten, die bei unvermeidlichen Repliken selbstverständliche Voraus¬ setzung sind. Sie hat das Recht der freien Meinungsäusserung genau so gut wie Herr Professor D. Karl Brunner und ihre Vertreter und Mitarbeiter dirfen von ihm verlangen, mit dem gleichen Respekt behandelt zu werden, wie er be¬ handelt wird. Kleinliche Sticheleien und boshafte Be¬ merkungen sind keine Beweismittel für die Stichhaltigkeit eigener Anschauungen. Herr Professor Brunner nimmt für sich ohne weiteres das Recht in Anspruch, alles, was nicht in seine Theorie passt, in Grund und Boden zu verdammen. Wenn es nach ihm ginge, müsste sich eine blühende Industrie die eine grosse Zahl ebenso aufstrebender Nebenindustrien gezeitigt hat, die zusammen nach Tausenden zählenden An¬ gestellten und Arbeitern ein auskömmliches Dasein geboten haben, einfach willen- und widerstandslos der behördlichen Diktatur fügen. So nimmt es Prof. Brunner unserer Zeit¬ schrift verdammt übel, dass sie sich „e r d r e i s t e t e“ an die Verfügung der Steglitzer Schulbehörden über das Schülervervot ein paar kritische Bemerkungen zu knüpfen. Wir können Herrn' Brunner die bestimmte Versicherung geben, dass wir »ms nach wie vor ,,ordreist en“ werden. Kritik an behördlichen Verfügungen zu üben, wie sie uns passend erscheint. Der Vorwurf des',,Mangels an Verant¬ wortlichkeitsgefühl“ muss aber mit aller Entschiedenheit an die zurückgegeben werden, von denen er ausging. Uns scheint jedes Verantwortlichkeitsgefühl an dem Wohler-