Der Kinematograph (August 1913)

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No. 348. Der Kiaematograph — Düsseldorf Selten ist eine schöpferisch veranlagte Persönlichkeit ganz einseitig, daher auch oft Schilderungen von Dichtern das Gepräge von malerisch Erlebtem tragen. Aehnliehes muss wohl auch Richard Wagner, der nicht nur Dichter und Musiker war, sondern auch malerisch zu schildern verstand, vorgeschwebt haben, als er vom Theater immer als dem Gesamt kunstwerkt' sprach, bei dem sich nach seinen In¬ tentionen alle Künste vereinigen müsste! Grosse Männer geh.cn ihrer Zeit voran, blicken oft in die Zukunft, möglich, dass sieh beim Kino das Vorausgeschaute verwirklicht. Dass nun die Bühnenautoren, die be m Theater mehr ode.r weniger Glück gehabt haben, das Kino auf eine an¬ gemessene Höhe bringen sollen, ist wenig einleuchtend. Psychologische Entwicklungen, philosophische Probleme, oder gar finstere Vererbungstheorien kinomatographisch Wiedersehen zu wollen, ist einfach Quatsch. Eher könnte man sieh noch vorstellen, dass eine Barfuxstänzerin eine Fjordlandschaft tanzt Sicher ist. aber, dass die Kine¬ matographie, wenn sie siel» bewusst bleibt, dass tue nur durch das Auge zu wirken imstande ist. eine selbständige Kunst werden kann, die sich ohne Scheu neben «las Theater «teilen könnte, wie eine Gemäldegalerie als Bildung«institut stets ihre berechtigte Existenz neben einer Universität, einer Bibliothek usw. Iichauptcn wird. Allerorten regt es sich, die Kunst ins Volk zu tragen, und beim Besuche einer Ausstellung, selbst nur von Schüler¬ zeichnungen, kann man bereits die erfreuliche Tatsache konstatieren, dass die bildmässigc Auffassung manche« Er¬ eignisses oder auch mancher Landschaft, bei der heran- wachsenden Jugend schon recht hübsch W irzel geschlagen r.at. Der ganze Zug unserer heutigen Zeit neigt nun ein¬ mal mehr zum bildlichen wie zum sprachlichen Ausdruck. D-r Kinematographie dürfte es verlieh alten sein, diesem allgemeinen Sehnen nach Ausdruck im Schönen zu ent¬ sprechen. Dann muss sie sieh aber auf sieh selbst stellen, ohne nach rechts und links zu blicken. Sie könnte viel beitragen zur Förderung des künstlerischen Geschmacks Ihm der lobenden Generation und eine Hochburg und Pflege- stätte werden für die Zukunft, bei der kommende Ge¬ schlechter dokumentarische Zeugnisse vorfänden, die von dem Wandel aller Dinge, der Umwertung alloi Werte und .in. h \ eil der Tatsache, da» man auch hildliclAGescl lebte überliefern kann, eine beredte Kunde geben. Das Ewige ist nur der Wechsel, darum: Maler heraus! Worte sind durchaus nicht immer notwendig, uns er¬ habene Schöpfungen der Phantasie zu übermitteln, das sehen wir an den Meisterwerken der Antike und denen der Musik. Auch die Pyramiden, der Kölner Dem schweigen schon viele Jahrhunderte. Oder reden sie vielleicht doch 1 Gusi. Taudien. Das Berliner Gewerbegericht über die Kinokunst. Von Horst Einseher. Die Weltfremdheit unserer Juristenwelt, ihre man¬ gelnde Fühlung mit dem grossen Organismus unseres Volksganzcn und seiner einzelnen Teile, bildet seit Jahr¬ zehnten den Anlass zu lebhaften Klagen weitester Bevöl- kerungssehiehten um! nicht zum wenigsten der Industrie- und Handelswelt Als rühmliche Ausnahmen pflegt man vielfach den ordentlichen Gerichten die Kaufmanns- und Gewerbegerichte voneuhulten, denen man ein höher ent¬ wickeltes soziales Empfinden, ein grösseres Vertrautsein mit den Schwingungen uml Regungen der Volksseele und schliesslich mit den Erfordernissen des praktischen Lebens nach rühmt. Das Berliner Gewerbegerieht hat indessen soeben eine Entscheidung gefällt und sie derart motiviert, dass zum mindesten die Kinoindustrie alle Veranlassung hat, sieh für Gerichte zu bedanken, deren ganze Weisheit in Kinodiiigcn aus Brocken besteht, die in et weichen kino- gegnerischen Zeitschriften aufgelesen sein mögen, den prak¬ tischen Verhältnissen, w ie sie in der Kinobranche tatsächlich lügen, indessen direkt ins Gesicht schlagen. Das Berliner Gewerbegerieht hat die Kinoschauspieler ohne w eiteres für gewerbliche Angestellte erklärt. Empören¬ der aber als di<»se Tatsache an sich ist die Begründung, di«- inan dieser denkwürdigem Entscheidung lieigegebtm hat und «lie w«»hl in Zukunft berufen ist. so belacht, bespöttelt uml bewertet zu werden, wie «lie tiereinstige Unterstellung der Schauspieler unter «las Gosindcrecht. di<> heute n«x-h in den Gesindebällen der Bübncngenossensi-haft fort lebt. Nach tler ,,Feststellung” <l«*s Berliner Gewerbegeriehts. «las ganz bestimmt niemals einen Einblick in unsere künst- Krisch geleiteten Filmateliers getan hat. „fehlt « 1 er Tätigkeit d«*s Kinosehauspielers jedes höhere Kunst interesse”. Zur Begründung dieser naiven Ansicht wird angeführt: „Eine freie künstlerisch«- Tatigk«-it lügt nur dann vor, wenn der Künstler die ihm übertragen«- einzelne Leistung seinem eigenen' künstlerischen Ermessen ge¬ mäss gestalten kann, ohne sie «len speziellen Anforde¬ rungen des Ailw-itgebers anpassen zu brauchen. Bei den in der Filmindustrie tätigen Kinosohauspü-Iern ist dies nicht « 1 er Fall. Sie haben sich in ihren Leistungen vielmehr gerade dem Zweck des Unterneh¬ mens. aus der Darstellung einen zugkräftigen Film zu machen, anzupassen und danach die Einzelheiten ihrer Darstellung einzurichten. Ihre Tätigkeit ist demnach keine freie künstlerische, sondern eine solche, die dem gewerblichen Zweck «les Unternehmens des Arbeitgeber« angepasst ist.“ Auf schwächeren Füssen hat wob 1 selten ein«- Begrün¬ dung gestanden, uml man muss in der Tat staun«-n. woher das Gericht lx-i einem solchen absolu:«*n Mangel an »Sach¬ kenntnis den Mut genommen hat, ein Urteil in di«- Welt zu setzen, das geeignet ist. eine grosse ehrlich künstlerisch ringende Industrie so vor aller Welt herabzusetzeu. Wenn das Berliner Gewerbegerieht wenigstens den einen der beiden Betriebe, also den Thcatcrix-tricb, genügend gekannt hätte, so wäre das vielleicht eine Entschuldigung dafür gewesen, dass man in diesem Falle keine Sach verstand gen zugezogen hat. Auf solche aber bei der krassesten Un¬ kenntnis aller in Betracht kommenden Verhältnisse zu ver¬ zichten, erscheint uns doch wesentlich von den bewährten Gepflogenheiten abzustehen, die sonst bei unsem Gerichten, gottlob, zu bestehen pflegen. Wo gibt es denn heute noch einen Schauspieler, der ..«lie ihn» übertragene einzelne Leistung «einem eigenen künstlerischem Ermessen gemäss gestalten kann, ohne sie den speziellen Anforderungen des Arbeitgebers anpassen zu brauchen“ ? Nur den Aller¬ grössten ist «las gestattet, uml selbst sie müssen sich in einem gewissen Rahmen den speziellen Anforderungen des Arbeit¬ geber« oder des von ihm beauftragten Regisseurs »uipassert Bei 99 von hundert Schauspielern trifft Wort für Wort «las zu. was das Berliner Gewerbegerieht als charakteristisch für die Tätigkeit des Kinosehauspielers bezeichnet. „Sie haben sich in ihren Leistungen vielmehr gerade dem Zweck «les Unternehmens, aus der Darstellung einen zugkräftigen Film zu machen, anzupassen uml danach die Einzelheiten ihrer Darstellung einzurichten.“ Setzt man an Stelle von Film „Kassenstück“, so ist die Tätigkeit des Durchsehnitts - schauspielern ganz zutreffend charakterisiert Wer den modernen Theater betrieb kennt, wer «lie Textbücher mit Regieeinrichtung gesehen hat, in denen förmlich jede Be¬ wegung vorgeschrieben ist, wer „Puppchen“ «xler „Filni- zauber" oder „Kinokönigin“ in einem Dutzend Provinz¬ städten gesehen, wer sich bei den photographisch getreuen gleich massigen (k-sten zu den „Schlagern” und «len Tanz¬ refrains gelangwcilt hat, die alle nur bestimmt sind, nach den Intentionen «les Direktors den Zweck zu erreichen, einen Kassenschlager zu schaffen, der wird leicht zu der