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No. 388. DOssddorf. 3. Juni 1914. Enditini Jodm Mittwocti. NMMrmk 4 m l■k•ltt,•■ek ■■wn—* » ». «MkaiM. Bittere Wahrheiten. (iro(v«kapitalisti8che SpekulationsKuoht hat auf dem A»-ker der Kinematographie einen unverantwortlichen Baiih- i»au getrieben. Nun ist aber der einst »o fruciitb.ire Boden «ix-höpft und verlangt Brachzeit. Allerorten tauchen llodenreformer der Branche auf und preisen ihre kün.stlichen Düngemittel an — Theorien und lYaktiken, abe- fa.st alle ■hne nennenswerten Erfolg. Es wurde zuviel gesündigt, iin den Schaden mit Traktätchen kurieren zu k'innen. — Es gibt ein Sprichwort vom goldenen Mittelwege, l’iisero Fabrikanten aber wollen die Henne schlachten, um /u den Eiern zu gelangen. Man begeht den Fehler, aus iiveni Extrem ins an«len.* zu verfallen. Die Acra der Autoren¬ ilms scheint vorüber, eine Aera <lor Regisseure löst sie aus. Ik>r Mis.serfolg der literarischen Richtung wird den Autoren III die Schuhe gewhoben. Zu l'nrocht! Weshalb haben ir den berühmten Namen mit Gold aufgewogen, ohne nach der Qualifikation des Wirkes für die N'erfilruung zu • lagen ?! Es fehlte nicht mehr viel, uml Häckel, Kant und N-hopenhauer hätten auch dran glauben müs.sen! — Wenn zwei dasselbe tun, so — verringert sich der ' iewinn. Futtemeid ist eine gefährliche Untugeml. Eine Fabrik hätte mit den Autorenfilms grossen Gewinn erzielen können, als sich aber sämtliche Firmen wie eine Schar hungriger Wölfe auf die zum Sehlagwort avancierte lite¬ rarische I’arole stürzten, war das Schicksal der neuen Rich¬ tung besiegelt. Heute heisst c« nur noch: Rest ex! — Der Rummel ist tot — es lebe der Rummel! Ein Extrem '■ rsagt. — das entg^engesetzte vor die Rampen! Krasse Fllfektmittel, artistische MomLscheinsereraden auf den Huinen der kaputgew irtschafteten läteraturepoche, Brücken- ciiistürze, Fliegerkatastrophen, Verbrecherjagden — das ist ♦hc .Signatur des Tages. Die Aera der R^i.sseurc blüht — bald, und auch sie wird welken unter der verzehrenden fdutensonne des edlen Wettbewerbes! — Weshalb um alles in der Welt wandelt man nur nicht den Mittelweg aufwärts ? Weshalb lä.sst man den S«'hrift- *teller entgelten, was der Literat v,;rbrochen ? Weshalb erteilt man den Regisseuren Prokura und erlaubt, dass sie “1*' der Filmkunst Filmkunststückchen machen ? — Wenn die Fabriken auf die immer dringenderen Wünsche aus den Kreisen der Theaterbesitzer und des Publikums *ut werden, auch nim einigermassen hören wollten, so würden sie bald dem richtigen Weg entdecken: eben den Mittelweg. Und ist er auch kcbi goldcrer, so mag man sicli halt mit silbernem I’lla.ster Vjognügen! Kleine (iewinr.c sind l)esser als grosso Verluste. — Es gibt unter den deuts«-hen Sc-hriftstellem unzählige, die für den Kinematographen recht gern wirklich guti- Szenerien liefern, ohne Sensationshonorare zu fordern. i>a> wirklich Gute trägt aber noch ininr.er den Erfolg in sich. Doch die Rezepte, <lie sich unsere Fabrikation heutziitaj.i verschreibt, grenzen zuweilen an Giftmischerei! — Gunst richtet sich nach Kunst: l>eim Kino mehr als anderswo. Die Kunst freilic.i besteht wc<U*r in kilometer¬ weise betricber.cr Idyllenmalcrei no<-h in der Anhäufung toller Sensatior.en. Von der Tragik bis zur lücherlichkeit ist oft nur ein Sc-hritt — das sollte man künftig mehr als bisher bcslenken! . . . . Genug hiervon! Wie sieht c*s aber sonst in unserm Is«ger aus i 4Vie haben sich die Kinercatographenintcrc-ssenten bisher im Kampfe gegen ihre Feimle gehalten und wi- sind sie für die Zukunft gerüstet > — Auch das ist ein trau¬ riges Kapitel. Es gibt bei uns zuviel Organisationen und zuwenig Organisation! Die vielgerühmte Einigkeit .steht meist nur auf dem Papier, und s >11 sie wirklii’h einmal in die I*raxis übertragen werden, so fehlt es an Grosszügigkeit. Welche Orte Deutschlands sind heute noch ohne di ¬ so grausam an unserm Marke saugende Kinematographen- steuer ? Herzlich wenige! Das moderre Raubrittertuni gemeindefiskalischer Steuerpolitik ist ein Schlag ins tü-siclit unserer gesamten Kultur. Hätte man den Vampyr mit vereinten Kräften umgebracht, als er noch klein und iin- betleutend war, — es hätte gelingen müssen! Heute ist c- zu spät, oder doch wenigstens mit unendlichen Schwierig¬ keiten verbunden. Was war unsere Antwort auf die «Ireistcn Schröpfmanöv» r der Gemeinden ? Belanglose IVotestc, einige Verwaltungsstreit verfahren — c’est plus qu'un crime, c est ure faute! — Es hätte keine ar.deien Mittel gegeben? Al»er d<.ch' Wo war die Einigkeit, wo die Grosszügigkeit ? — Und clas- selbo ist jetzt wieder der Fall, wo die rcichsgcsetzlichc Regelung des Kir.ematographenwi-sons zu erwarten ist. Wohl haben einige Vereine mit anerkennenswerter Energie im Interesse der Branche gearbeitet und Petitionen an den Reichstag eingercicht, aber von einem einheitlich geschloee:-- nen V'ergeben aller für alle ist nichts zu spüren.