Der Kinematograph (October 1914)

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No. 407. Dor Klnematoi^ph — DfiMeldort. essHTfii als M>lclu‘ und nü’ht nur aU atununr Maskierte. stumme llarsteller einer s(Minnen<len Fab«-I. I •e»- (ieseiimaek iler Firma. «Ue tienauigkeit «ier l’hotographii. die .Auswahl «les (ielüudes, die .Aufstellung vori Wuhnungsiiiohiliar ete.. auf alles das fällt nun das ruhig gewordene .Auge, prüft, kritisiert und uiirtligt. Erst jetzt, wo man frühere Films vorzeigt, und diesella-n Zuschauer dit‘sc‘llH-- Films zum '/.weiten und <lritten .Male sehen, setzt eine Kultur des Kinogenusses ein. die bislang blos in .Ansätzen vorhanden war uml deren Fehler iMslaehtUis-n Unterneh¬ mern (lelegenheit gaiii die iM-kannten kitschigen und blut¬ rünstigen (iehilde in den llamlel zu bringen. X«H-h aus einer anderen V eranlassung nimmt «lie .Ach¬ tung vor dem Kino zur Stunde auffällig zu. Es ist die fol¬ gende. Im Theater «ler W«>rtkunst. soweit -üc ülH-rluiupt spielen, fehlt imdir als son.st und nicht blos- Ihm den l'n- iM-mittelten. die notwendige Sym|iatliie. Die l.etite eiiipfin- <b-n «'S als Widersinn, jetzt, wo so gewaltige N'oigänge sieh abspielen. w«> alles Weltgesehiehtc uixl bittere Wirklichkeit ist. in ilü-sc-m .Augenblick von Kam|M‘nlüht. von der S<hminke. von der gekünstelten l*riinadonneng«-ste sieh zerstreuen zu la.ssen. Das Theaterspiel mutet kindlich an. falsch, ausflüehtig. Selbst ilie Stüeke »ler Klas-ik»*r. s«‘lbst »U-r .Aiifwaiul wertvolh-r .V»is.stattung. s«‘lbst «lie Heran¬ ziehung g«‘wähltester Kräfte füllt »lie Häu.ser nicht. Das Theat«’r hat .s»*ine .Magie v»‘rl«>ren. Wir w»>llen nicht den 'IVaum. wir wollen »lie Wirkli»'hkeit. A Das Kinotheater bringt »lies»- Hier sin»l «be Hikler jius B«**gi»*n. »lie »{ualm»-n»l»'n Trütnnu*r z<rstörter l>ÖTf»*r. »lie Ruinen des Forts l>iusin. »ler fröhlich»- Zapfenstreich »l»-ut- seh»-r Musketiere in Rrüs.sel. Das »lunkle l’a ierri- ist voll von Zus<-hauern; sie halten »len .At»-m an; sie gela-n sieh hin an ihre Erregung: sie staunen. l>ang»‘n um ihie läelM-n. »lie mit im F»-l»le st»-hen. Hier ist »lie Wahrheit. Das Kinobild zaulM-rt sie in alle Stä»lte I)euts»-hljin»ls; un»l »ler einz»-ln»- nimmt l>ei ihrem .AnblU-k teil an »len Erfolgen »h-r »leutsehen Waff»>n.an»len Stra|«»zen «ler»leut-»<-h«-n .Männer. Di«-sesbleibt zu nterken; IK-r Kitzel »ler Neugienle winl hier nicht befric- »lif^. Dieser (»enuss hat nichts mit Sensati»in. mit Lü.stem- lu-it. mit »»b«-rfläehlieher l'{efrie<ligung zu tun. Es ist »Ue Teilnahme, »lie »las Kin»» gewährt. Es ist ein (llüek, »las wir erlelM-n: es ist »lie wirkliche un»l In-teiligte Ein¬ fühlung in »lie (Irössc- »lieser z»-rstörerisehen (Jeschieke. Das Kino ist fast ein Tein|K*l gcwonlen. Früher, lei»ler. nahm man es als Sehaubmle; j»-»zt h )Ien »lie I>i-ute sieh hier Ergriffenheit. Mitgefühl. »l»-n Willen zum .Ausluim-n. Dies»- Ciabi-n, »lie »las Kino'heater dam-ieht. helH-n »l»-n Nimbus »l»-r .Anstalt ins l’ngeluure. .Auch »lie Salon.-'tüeke, »lie lustigen Tricks spr»-»-!!»-!! jetzt zu »len be»Irückten H»-rzen, j»‘»ler kann es b».*»diachten, mit einer neu»-n, v»)rher vermissten Kraft. Was man »lern Kin<* sonst vorwarf --- »lass »-s zu nahe »U-r Wirkli»-hkeit stän»l»-, zu rt-alistis»-h, zu w»-nig »lieh- teris»-h sei »li»-s g»-ra»l»- bewirkt j»‘t.zt den Zulauf. .Man will Wahrheit. Die Wahrheit »ihn»- l’ath»»s. .Man will ni»iht aus »U-r Z»-it heraus flieli»-:i. s<in»U-rn sie mit ilm-n t»-<-hnisi-hen Errungt-nscluiften. ilm-r \'erlässli«-hk»-it »l»-r !*h_\'sik und der Zahl. ihr»-r ganzen nüehtenn-n (Jreifbarkeit tief ausk».sten. Varit-t»-. W»>rtth»-ater. l'eb»-rbr«-ttl. s»-lbst (>esangk»>nz(-rte un»l .Marionelteiiauiführungeii. »las alh-s trifft nicht den T»m un»l »livs IU-<lürfnis »ler Z»-it. Nur »bis Kino gewährt jetzt »len (Jra»l von Z»-rstreui.iig. »len man wünstdit. g»-ra»U- »U-n (ira»l v«>n Illusion, »len man erträgt. Ohne »lass »lie KinolH-silzer ..in l’atiioti.smusnuM-hen“ übertrt-ilM-n müssten, »»hne dass t-s «lin-kte .Aafnahmcn v»m (i»-fe<-htsst»-Hungen zu s»-hen gibt, ist »las Kino heut»- »U-r einzig»- Ort. w»> »las Fublikum »-instimmig s»-ine Erwartung »-rfüllt sieht. Wenn »lie Kin»ib<‘sitz»-r ein ül»rig»-s tun uiul in Küeksi»-hl auf »lie (U-lillage au»-h ihr»-rs»-its »lie Eintrittsprt-is»- ein w»-nig h»‘rab.s»-tz»-n w»>ll»-n. wir»l un»l kann »-s ihnt-n ni»-ht an «U-r Einnahme wie sonst f»-hl<-n. l’iul «las Kino selber winl sich so f»-st in »las Ht-rz »U-s \'olkt-s setzen, »lass kein--: späteren Frit-«lenszeit»‘n es von »U»rt wenU-n vertreilK-n könn»*n. Die sterbende Sentimentalität. Oegenwärtig gibt es kein in »ler Kunst-Kritik gang- liares W»>rt. mit »lern so viel St-hin»llu»ler getrieb»*n wird, wie mit »U-m l.H-mitlei»lenswt-rten .A»ljektiv: Sentimen¬ tal. Fast üb»-ra!I w»> der Kritikus seine Feder an irgeml »•inem Erzeugnis »l»?r Literatur wetzt, späht i*r zuvörderst mit argwöhnischen Blicken umher, »>b sich »larin auch nur ja keine .,unm»«deme" sentimentalische K»>ntreban»le ein¬ geschlichen hat, un»l wenn er auch nur »len Schimmer einer solchen ausbald»>wert hat, s»-hon ist er mit st-inem Urteil fertig, »lenn sentimental un»l rückHtän»lig, »xler gar geschmackl»>8 sind für ihn ulentische Begriffe. We»ler auf dtn- weissen VVan»l n»>ch auf der Sprechbühne will die Kritik Han»llungen sehen, welche sich die Kindeslieb»-, »lie Dankbarkeit, die .Aufopferung, ein e»U-lmütiges Ver¬ zeihen, »»der dergleichen ,,Sentimentalitäten“ zum Vor¬ wurf gemacht haben. So etwas ist „sentimentales Zeug“, »las den Oest-hmack des, ach so geschmackvollen, »leutschen PubUkums „in (»rund un»l lUxlen verdirbt!“ „So etwas muss ausgerottet werden, denn es bringt die Kunst in tie- fahrü“ „Und es gibt ja nur eine Kunst, »lie Kunst von heute, was gestern war. ist gewesen, veraltet, abgetan.“ So muss sich denn die Kunst wohl oder übel in »las Pro¬ krustesbett »ler alleinseligmachenden .,m»xlemen Rich¬ tung“ einzwängen lassen, sonst wird ihr kein Adelsbrief ausgestellt und jede Existenzberechtigung abgesprochen. l)i»-jenigen aber, wi-lche »lie Kunst heute .,macli»-n“, werfen sich zu Richtern üb»‘r »lie g»‘samte Mitw»‘lt auf. sie tlik- tieren ihren Zeitgen»>ss»-n ganz einfach: So un»l s»» habt ihr zu fühlen un»i zu »lenken, »lie un»l »lie Ursjichen müssen »lie uml di»- Wirkung»-!! bei euch erzielen. w»-nn and»-rs ihr nicht Banausen sein w»illt. l'n»l »las gniase, gebil»l»-t sein wollende Publikum, »ler lü-be gute Snob, baut »lie kümmerliche Baracke sein»*s Kunstverständnisses auf »li»^m Fundamente auf. Selbstäiulig hat »-r ja k e i n e r - 1 e i Meinung, mag ihm irgend ein Erzeugnis, »las auf Kunst .Anspruch macht, n»)ch so gut g»-fall»‘n, mag es n<x;h s») sehr zu seinem Herzen gesprochen haben, t-r »lesavouiert sich lieber tau.sendmal selber, als einzugest»-hen, »la.ss ihm etwa- von der Kritik Abgelehntes gefallen habe. Dass er sich damit seines grössten Menschheitsrechtes bi-gibt und seiner freien Meinung Uewalt antun läs.st, kommt ihm nicht in den Sinn. Wie sagt Schiller doch in seinen ,,Klein«-i' Schriften“: „Eben d»s»wegen ist »les Menschen nichts so un- wür^g, als Gewalt zu erleiden, »lenn Gewalt hebt ihn auf. Wer sie uns antut, macht uns nichts Geringer«"* als »lie Menschheit streitig; wer sie feigerweise erleid»-t. wirft seine Menschheit hinweg“. Aber was weiss der Snob von Schiller anderes, ab dass er ein grosser Dichter war, dessen Dramen er hin un»l