Der Kinematograph (April 1915)

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No. 435 Der Kinematograph — Düsseldorf. Wie töricht um! schädlich solch ein rigoroses Vor¬ gehen aber ist, sollten gerade <lic Vertreter einer auf so komplizierter, von künstlerischen, ästhetischen und tech¬ nischen Richtlinien so fein umgrenzten Basis fussenden Industrie, wie der unsern. sich-vor Augen halten. Eine von geschäftlichen Erwägungen beeinflusste Kritik ist völlig wertlos. Sieht sich der Filmkäufer und durch ihn wiederum das Publikum durch die Kritik getäuscht, so wird ihr in künftigen Fällen keinerlei Bedeutung bei¬ gemessen werden, und gerade die glänzendste Besprechung eines wirklich guten Werkes kann dann höchstens ein ironisches Lächeln hervorrufen und vor dein betreffenden Film eher warnen, als ihm zur Empfehlung dienen. Die Beeinflussung der Kritik brächte somit nicht nur diese selbst und die: Presse, die sic aufnehmen wollte, in Miss¬ kredit. son<lern auch das besprochene Werk und seine Schöpfer, denen sie doch gerade dienen soll und will. Ausser¬ dem würde ihre höhere Tendenz, «len» Fortschritt, der gesunden Weiterentwicklung die Wege zu ebnen, gänzlich illusorisch werden. In ihrem Verhältnis zur Kritik sollten sich unsere Fabrikanten. Monopolinhaber. Verleiher und Kinoltesitzer an den Schaubühnen ein Beispiel nehmen. Die Tages¬ presse. die hier als Sprachrohr der Kritik dient, «lenkt gar nicht daran, sich durch irgendwelche geschäftliche Interessen in ihrem Urteil beeinflussen zu lassen, und die Bühnen¬ leiter nehmen andererseits auch die schärfste, abfälligste Rezension entgegen, ohne es im entferntesten zu wagen, die Kritik durch Androhung von Repressalien beeinflussen zu wollen. Jeder diest>czügliehc Versuch würde auch mit berechtigter Entrüstung zurückgewiesen werden. Die Theaterdirektoren wissen «len Wert sel?»st einer abfälligen Kritik übrigens viel zu gut zu schätzet, um sich dagegen aufzulehnen. Für eine ernste Filmkritik kommt die Tagespresse kaum in Frage. Die kurzen Besprechungen über den Wociienspiclplan unserer grossen Lichtbudbühnen. die man im lokalen Teil unserer Blätter regelmässig veröffent¬ licht findet, sin«! vielfach nur Abdrucke von ..Waschzetteln“ und keinesfalls als ernst zu nehmende Rezensionen auf¬ zufassen. Es wäre für unsere Branche auch keineswegs wünschenswert, dass sieh «lie Tagespressc «ler Filmkritik bemächtigte; «lernt ihre Vertreter sin«l fast immer Nicht- fachleutc. «lie unserer Branche meist mit mehr oder weniger Misstrauen gegenüberstehen, unsere Werke durch die getrübte Brille ihres persönlichen, oft prinzipiellen Staiul- I tunkt es zum Kino betrachten un«l denen somit zur kri¬ tischen Abwägung der Vorzüge und Mängel eines Films jede Kompetenz fehlt. Es ist «ihn«- weiteres klar, dass eine abfällige Rezension in den S{»alten der Tagespressc, die «lern breiten Publikum unterbreitet wir«!, unserer ge¬ samten Branche weit mehr schaden muss, als wenn sie in «ler Fachpresse erscheint, wo der grosse indirekte Nutzen der Kritik im allgemeinen jeden eventuellen Schaden im einzelnen Falle reichlich aufwiegt. Nur der Fachmann, der neben einer gediegenen Allgemeinbildung untl einem erprobten künstlerischen Geschmack über ausgedehnte Kenntnisse auf technischem Gebiete verfügt, ist zu einer Kritik ül»er den Film l»erufen, und nur die Fachpresse kann ihm als geeignete« Sprachrohr dienen. Wolil ist es immer unser Bestreben gewesen, auch «lie Tagespresse für unsere Schöpfungen zu interessieren und gerade «lurch sie das Verständnis «ler breiten Menge für unsere Leistungen, Ziele untl Aufgaben zu wecken; gerade die Fachpresse al»er ist es, «lie durch eine ernste Kritik der Tagespressc v«»rarl»eiten und die rechte Beleuchtung für deren Betrach¬ tungen unserer Produktionen schaffen muss. Zurlem käme «laa Urteil der Tageszeitungen just für diejenigen Kreise unserer Branche, denen die Kritik in erster Linie dienen soll, Verleiher und Theaterbesitzer, zu spät und könnte allenfalls nur dem Publikum von Nutzen sein, ganz abgesehen davon, dass eine umfassende^Besprechung von Filmneuheiten in «len Zeitungen kaum Raum finden würde. Aus diesen Gründen schon erscheint es nicht nur miklug, s«indern nahezu unnn'iglich, unserer Fachpresse ihr Recht uuf die Kritik zu bestreiten oder auch nur zu schmälern. Jeder Versuch dazu muss als ein Verrat an der eigenen Sache bezeichnet werden. Neben der Wahrung unserer Brancheinteremen nach aussen hin ist die Kritik «lie wichtigste und vornehmste Pflicht «ler Fachpresse. Wollte sie sich in der Ausübung derselben einschüchtera lassen, ihre Meinung verschachern, ihr Ohr irgeiulwclchen Beeinflussungsversuchen öffnen, würde sie sich «ler Be¬ stechlichkeit, ja des Betrugs ««-huldig machet.; denn jede» wifler bessere« Wissen abgegebene günstige Urteil über einen minderwertigen Film bringt andere, bessere Erzeug¬ nisse tun einen Teil ihrer Chancen im Wettbewerb «les freien Marktes. Abgesehen hiervon alter würde sich die Fachpresse in ihrem eigenen Ansehen, ihrer Bedeutung, ihrem Einfluss aufs empfindlichste schädigen, wollte sie sieh wirklich «lurch unwürdige Androhung geschäftlicher Repressalien beeinflussen lassen. Nur eine nach aussen wie nach innen Willig unabhängige Fachpresse kann unserer Branche in «ler Weise dienen, wie es ihre Aufgabe ist, die zu erfüllen sie bisher stets ehrlich beflissen war. Es ist klar, dass die Vertretung unserer Interessen nach aussen hin in wirksamer Weis«? nur «lurch ein Organ geschehen kann, «las si« h im eigenen Lager des unantastbaren Ruf«ss der Unbestechlichkeit als etwas ganz Selbstverständlichem erfreut. Dieser Ruf aber wurde durch eine Beeinflussung der Filmkritik völlig untergraben und unsere Fachpresse auf «las Niv«sau blosser Inseratenblätter herabsinken. Welch schwere Schädigung «las aber für unsere gesamte Branche bedeuten müsste, braucht nach dem Vorhcr- gesagten nicht weiter erörtert zu werden. Einer der Hauptvorwürfe, die gegen unsere kritische Temlenz aus «lern eigenen Lager erhoben werden, besteht in «ler Verschiedenheit, ja «»ft Gegensätzlichkeit «ler Ur¬ teile. Es kommt häufig vor, dass ein neuer Film in dem einen Fachblatt aufs glänzendste rezensiert wird, während «las lindere ihn abfällig beurteilt. Dem letzteren wird dann sicher vom Fabrikanten «lie Meinung der Konkurrenz cntgegongelialten (der umgekehrte Fall dürfte sich nie¬ mals ereignen...), un«l die Quintessenz der Kritik seiner Kritik ist «ler schwere Vorwurf ungerechtfertigter, wohl gar absichtlicher geschäftlicher Schädigung. Der Wider- spruch, «ler in. der Gegensätzlichkeit «ler kritischen Mei¬ nungen liegt, ist jedoch nur ein scheinbarer. Ebensogut wie jecles Kunstwerk seine imlivifluelle Wirkung ausübt, wird es von jedem Kritiker individuell beurteilt, sofern er eben seine Aufgabe ernst nimmt untl nicht ein auf ganz breiten Gemeinplätzi-n äsender Zeitungss. hreilier ist. Eben- s«i wie ein Film vom Publikum verschieden aufgenommen wird, das er zum Teil vielleicht lux-h entzückt mul interes¬ siert, zum anderen Teil dagegen langweilt und abstösst, <*benso different kann seine Wirkung auf die verschiedenen Rezensenten sein. Der eine empfindet Mängel und Schwä¬ chen, «lie vom anderen nicht bemerkt werden, der wiederum für gewisse Feinheiten ein tieferes Gefühl besitzt, «las jenem abgeht. S«»viel Köpfe, soviel Meinungen — und «larinnen eben liegt «ler grosse Wert «ler kritischen Urteile. Es ist eine Torheit, aus ihrer Versehie«lenheit ihre B«*leu- tungslosigkeit txler Ungerechtigkeit folgern zu wollen. Der Rtsgisseur nehme nur «lie einzelnen Kritiken über sein Werk zur Hand, und je verschiedener die Ansichten unter¬ einander sind, «lesto fruchtbarere Anregungen wird er aus ihnen schöpfen können, «iesto mehr von ihnen lernen. Schliesslich ist kein Mensch unfehlbar; auch « 1 er Kritiker kann irren, aus der Gesamtheit «ler Meinungen aber lässt sieh ein Urteil bihlen, «las im Spiegel «ler herrschenden Zeit Verhältnisse, Geschmacksrichtungen, Kunst- und Literat urströnningen wold als kompetent gelten darf. Schon aus diesem Grunde muss das Individualitätsprinzip