Der Kinematograph (April 1915)

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Der Kinematograph — Düsseldorf. No. 435. in der Kritik als wichtigster Faktor zur Realisierung ihrer erzieherischen und bildnerischen Tendenzen gewahrt werden. Aus alledem geht klar hervor, dass die kritische Auf¬ gabe der Fachpresse eine überaus wichtige, ihre Pflicht eine ernste, leider nur zu oft recht dornenvolle und undank¬ bare ist. Man sollte sie ihr wahrlich nicht noch mehr er¬ schweren, indem man durch absurde Androhung geschäft¬ licher Repressalien ihr Urteil zu beeinflussen sucht. Ohne unabhängige Presse keine unabhängige Kritik, ohne diese aber kein gesunder künstlerischer Fortschritt. Streift da« Parvenuekleid ebenso kraftvoll ab, wie ihr die Kinder¬ schuhe ausgewogen habt' Schwingt euch zu jener inneren Grösse empor, die auch einmal einen Tadel ruhig und ohne die lächerliche Pose beleidigten Pharisäertums einsteekt, in dem Bewusstsein, dass er gut gemeint um! sein Nutzen weit grösser als sein Schaden ist. Lasst der Fachpresse die Kritik und dem Rezensenten die Freiheit seiner Ueberzeugung und Meinung; denn nur wenn die Kritik sich der strengsten Sachlichkeit Indleissigt und befleissigen darf, kann sie ihren Zweck restlos erfüllen. R. Genenncher. Münchener Brief. Die Geschäfte, die den Winter über, wenigstens an den Sonntagen, zufriedenstellend gegangen sind, fangen jetzt unter dem Einflüsse des nahenden Frühlings an. schlecht und schlechter zu gehen. Nenne ich das Wort Frühling, so ist. das nun allerdings eine stark optimistisch gefärbte Redensart, denn in Wahrheit waren hierzulande in der Karwoche die Dächer weis« und nach Ostern herrscht ein elendes Sudelwetter. Dessenungeachtet merkt der Kino¬ besitzer den nahenden Frühling sehr schmerzlich am emp¬ findlichsten aller Barometer, dem Kassenschrank. Freilich «lürfte in unserem blut- und pulvergeschwän¬ gerten Jahr 1915 das Wetter an dem sich verschlechternden Geschäftsgang den allergeringsten Teil der Schuld tragen. Es sind andere Umstände, die hier hemmend wirken. Diese herauszufinden ist nicht schwer, wenn man sich unter dem Publikum eines Kinos umsieht: auf etwa zehn Frauen trifft ein Mann. Und jetzt da viele Jahrgänge des ungedienten Landsturms einberufen werden, wird sich das Verhältnis der Geschlechter noch mehr zu ungunsten der Männer ver¬ schlimmern. Jeder Von uns wird den Satz unterschreiben: Das Vaterland über alles. Ganz aber sollte man auch das wirt¬ schaftliche Gedeihen der Geschäfte während der Kriegs¬ zeit nicht ausser acht lassen. Denn die Stärkung und mög¬ lichste Erhaltung des wirtschaftlichen Lebens ist ein nicht minderer wichtiger Faktor, als die Verteidigung des Vater¬ landes mit Waffengewalt. Wie alles im Leben muss eines mit dem andern Hand in Hand gehen. Wir hier in München können diesltezüglich nicht einmal so sehr klagen, schlimmer steht es in der Provinz und hier wiederum am schlimmsten in der fröhlichen Rheinpfalz. In Zweibrücken stellte der Armen pflegschaftsrat an die StadtVerwaltung das Ansuchen, angesichts des ständigen Besuches der dortigen Kinos durch die ärmere Bevöl¬ kerung die Lustbarkeitssteuer bedeutend zu erhöhen. Aus Kreisen des Stadtrats wurde hierzu weiter angeregt, diejenigen Kinobesucher festzustellen, welche Armen- oder Kriegsunterstützung beziehen und gegen derartige Leute mit Einziehung der Beihilfe vorzugehen. Mit derartigen Massnahmen schiessen die Behörden denn doch allzu arg über das Ziel. Jeder Pfennig, der aus- gegeben wird, stamm«' er nun von arm oder reich, entspringe nun «lie Ausgabe Nützlichkeit«- oder Vergnügungszwecken, stärkt das allgemeine wirtschaftliche Leben. Das nicht begreifen, heisst Vogelstrauss-Polit ik mit dem schauer¬ lichen Emst unserer Zeit treiben. Warum um alle Welt missgönnt man den armen Kriegerfrauen, die durch die Abwesenheit ihrer Männer ohnehin genug mit Sorgen be¬ lastet sind, eine bescheidene Erholung ? Warum muss stets und immer der Arme, den naturgemäss die Borgen weit schwerer drücken, als den in des Lebens Ueberfluss schwimmenden Reichen, sich auf Schritt und Tritt be¬ muttern und bevormunden lassen? Aber auch sonst kommen gerade aus der Pfalz bittere Klagi*n der Kinobesitzer über kleinliche polizeiliche Mass¬ nahmen. Sehr schlecht stehen die Verhältnisse in Nürnberg. Dort sind die meisten Theater gezwungen, mangelnden Besuches halber, ihre Theater bis auf zwei Tage in der Woche geschlossen zu halten L?nd in München bahnen sich jetzt allmählich ähnliche Verhältnisse an. Mit Bangen sieht alles dem Sommer entgegen. Spraiell sin«! es wieder die Th«?ater an der äussersten Peripherie, die am meisten unter «len Einberufungen zu lernen haben und von Glück sagen können, wenn <?s ihnen eben knapp und unter grossen Entbehrungen gelingt, ihre Existenz während der Kriegs- «lauer aufrecht zu erhalten. Es treffen jetzt alle Umstände zusammen, um dem ehr¬ lichen Gewerbetreibenden das Indien über die Gebühr sauer zu machen. In erster Linie sind da die immer mehr und mehr anschwellenden Filmroieten zu nennen. Soweit es sich um Neuschöpfungen handelt, mögen «lie Filmfabri- kanten noch einigermassen entschuldigt sein, wenn si<; auf angemessene Preise halten. Schliesslich uml endlich ist auch der Filmfabrikant Ka.ifmann und muss sehen, wie er seine Rechnung findet. Dass man aber für den ältesten und verregnetsten Schmarren wahrhafte Wucher- preise verlangt, ist denn «1«jc1i nicht so ganz an der Ord¬ nung und muss es als ein frevelhaftes Spiel bezeichnet werden, in solcher Weise aus « 1 er Haut « 1 er wahrlich nicht auf Rosen gebettet«'!! Theaterbesitzer Riemen zu schneiden. Man überschätzt «lie Ertragfähigkeit un«l Widerstands- kraft der milchenden Kuh Kino. Als ob der Krieg das Wirt¬ schaftsleben an sich noch nicht genug getroffen hätte! Andererseits muss alter auch gesagt werden, dass «lie Kinob«?sitzer «len Verfügungen « 1 er Behörden nicht so nach- kommen, wie sie sollten. Unser humaner Polizeipräsident erliess einen warmen Aufruf an die Kinobesitzer, doch «lern Ernste der Zeit Rechnung zu tragen und sich der Plnkat- reklame zu enthalten. Wer die derzeit geradezu schauer¬ lichen Machwerke an Bunt«lruckplakat«'n kennt, wird für «len Erlass ein mitfühlendes H«*rz haben. Leider sieht das Gros der Theaterbesitzer noch immer nicht ein, dass «lurch das Aushängen allzu blutrünstiger und allzu greller Plakate ihr Theater für den feiner empfindenden Menschen eine verzweifelte Aehnlichkeit mit einer Jahrmarktsbufle ge¬ winnt. Geht es «lenn gar nicht ohne das scheussüche. strassenweit knallende ..Schlagerplakat' 4 ? Es ging wohl, wenn nicht von vornherein der gute Wille fehlte. Dass es geht, bewiesen verschiedene grosse Münchener Lichtspieltheater, «lie sich schon seit Jahren aller aufdringlichen und geschmacklosen Plakatiererei ent¬ hielten und auch auf ihre Rechnung kamen, dass es geht, beweisen ferner eine kleine Zahl vernünftiger Theater¬ besitzer, welche sich der Anregung des Polizeipräsidenten in willigster Weise fügten, und nur mehr mit Aushängung geschmackvoller Photos Reklame machen. Freilich, über den unvernünftigen Rest lasst uns schweigen München weist seit der heurigen Wintersaison die An¬ fänge einer Filmfabrikation auf. Das ist sehr erfreulich! Da ist Vor allem die altbewährte Firma Münchener Kunst- film (Peter Ostermayr), die uns mit schönen Sujets erfreute. Den Anfang machte der zugkräftige Kriegsfilm ..Die Heldin aus «len Vtvgesen“, dessen Vorwurf nach einer wahren Be¬ gebenheit von «lern Schriftsteller Emil Herold bearbeit«*! wurde. Weiterhin brachte die rührige Firma wunder-