Der Kinematograph (April 1915)

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No. 435. Der Kinematograph — Düsseldorf. bare Landschafts- bezw. Architektur-Aufnahmen von her¬ vorragendem künstlerischen Wert heraus: ..Alt-München“ und ,,Winterpracht in den bayerischen Bergen'. Diese beiden Films stellen mit das Schönste und Geschmackvollste dar. was in letzter Zeit an derartigen Sujets auf den Markt kam. An diese Films reihte sich die Herausgabe eines Hakligen Lustspiels „Gustl's Seitensprung " mit Gustav Waldau, Thea Steinbrecher und anderen I ervorragenden Kräften der Münchener Bühnen. Dieses Lustspiel muss als wahrhaft gelungen und mit seinem soi nigen Humor geradezu erlösend in unserer tristen Zeit wirken. Seit einigen Monaten hat die Wiener Kunstfilm-In- dustrie eine Filiale in München errichtet und uns mit sehr schönen Schöpfungen erfreut, von denen in erster Linie der wohlgelungene Anzengruber "sehe ..Pfarrer von Kirch- feld“ rühmende Erwähnung verdient. Am 10. April trat die Firma im Vereine mit dem Oesterr.-ungarischen Hilfs¬ verein mit einer grossen Wohltätigkeitsvorstellung auf den Plan, der die Königin mit Töchtern, die Prinzessin Franz, die Tochter des Kaisers von Oesterreich. Prinzessin Gisela und Prinz Leopold anwohnten. Die Vorführung fand in «len glanzvollen Räumlichkeiten des Deutschen Theaters statt. Den Reigen eröffneten hochinteressante und aktuelle Aufnahmen vom österreichischen Kriegsschauplatz und hieran anschliessend ..DerTraum eines österreichisch«! Reservisten"", nach «lern bekannten Tongemälde des k. u. k. Hofkapellmeisters V. M. Ziehrer bearbeitet. Es ist einer der lebenswahrsten Kriegsfilms, den man sich denken kann. Kleine Kürzungen könnten da und dort wohl nicht schaden, immerhin aber ist der Eindruck auf den Bescha icr ein über¬ wältigender. Ziehrer‘s packende Musik verhall der gewal¬ tigen Schöpfung noch zu ganz besonders glanzvollem und nacht altigem Eindruck. Es wäre erfreulich, wenn sich aus diesen Anfängen eine recht kräftige Blüte erschliessen möchte, zumal kaum ein Boden für Filmschöpfungen aller Art dankbarer ist, als gerade der Münchener. München sollte als Metropole süddeutschen Kulturlebens auch auf dem Gebiete der Film¬ fabrikation mehr und mehr der grossen norddeutschen Schwester Berlin nachstreben. Josef Aubinger. Kinematographische Lügen. Ueber die Art, wie unsere Gegner das Ansehen Deutsch¬ lands in überseeischen Ländern zu schmälern fortgesetzt bestrebt sind, ist an dieser Stelle schon des öfteren — so¬ weit hierbei die Verwendung des Films in Betracht kommt — berichtet worden. Nun wissen auch die Hamb. Nachr. von Dingen zu berichten, die gewiss auch unseren Leser¬ kreis interessieren dürften. Es heisst da: Vor uns liegt die Ausgabe der argentinischen Zeitung La Union vom 21. Januar, und ferner ein Privatbrief eines Argentiniers an uns vom 16. Januar. In beiden wird von der neuen Erfindung der Engländer eingehend berichtet: und wir müssen gestehen: es ist im Grunde, soweit von Gemein¬ heiten die Rede ist, das Ei des Kolumbus. Um es kurz zu sagen: die Engländer fügen zu ihren telegraphischen Schwin¬ deleien auch die kinematographische Lüge. Sic stellen Schmierenkomödianten und Statisten an und schaffen mit untadelig perverser Phantasie Schauerdramen deutscher Greuel, wüster Roheiten und Bestialitäten, die von deutschen Soldaten im Feindeslande begangen sein sollen und uns als ein Volk von Barbaren, Räubern und Frauen- schändem hinstellen — gegenüber den verbündeten Gent- lemen und Kavalieren und Kosaken und Buschnegern. Es handelt sieh hier nicht um ein Geschäft sunt emehmen findiger und unverantwortlicher Unternehmer: vielmehr wird sowohl in dem Zeitungsaufsatze wie in dem an uns gerichteten Briefe erklärt, «lass es eine Propaganda des amt¬ lichen Englands ist, um in den neutralen Völkern, bis in die breitesten Schichten hinein, Stimmung gegen unser Vater¬ land und «leutsches Wesen zu machen. Ein schlau er¬ sonnenes Mittel fürwahr, und dazu ein sehr gefährliches. Denn man spekuliert damit gerade auf die Instinkte der Masse, die am meisten in Leidenschaft und Wut ausbrechen. Man rechnet mit der Dummheit «1er Analphabeten, «lenen «las Bild «lie einzige Vermittlung mit der Feme bedeutet; mit tler Urteilslosigkeit der Unbildung, die «lie kulturelle Wirkung der dort ansässigen Deutschen nicht keimt. Und man rechnet mit der Sensationsgier «les Pöbels; mit dem Kitzel, «1er «las breite Romanentum aufpeitscht un«l die Menge immer wieder dahin lockt, wo es das Schaurige und Entartete zu sehen gibt. Mar rechnet auch mit der laxen Gesetzgebung jener Himmelsstriche, die «ler wildesten Aus¬ schweifung ins Blutrünstige untl Lasterhafte wenig Grenzen setzt un«l es ermöglicht, «las denkbar Scheusslichsto den Zuschauern jedes Alters und Geschlechts Vorzuführen. Die Films werden sehr geschickt hergestellt. Sie bringen Geld ein, also kann man auch etwas «Iranwenden. Man lässt «leutsche, feklgraue Uniformen anfertigen un«l schändet sie. indem man Afterkünstler hineinsteckt und sie deutsche Soldaten spielen lässt. Wer «leutsche Sohlaten kennt, merkt ja «len Betrug sof«»rt; aber wer in diesem Parkett kennt sie, kennt überhaupt Deutsche? Zudem, wenn die Figuren eng- lischen Ursprungs sind, so sehen sie eben europäisch aus. und sind blond un«l gross v«»n Wuchs. Also natürlich „Deutsche"; es stimmt schon. Und diese Figuren auf «lern Film wüsten nun gegen die amleren Puppen, «lie belgische, französische, russisch-polnische Opfer «larstellen. Ebenso werden lange Serien von Bihlern zerstörter Orts«"haften gezeigt; vernich¬ tete Städte mit ihren Kirchen. Denkmalen, öffentlichen Ge- häuden — Trümmerhaufen, die ebensogut wie aus Belgien, auch aus San Franzisko «xler Valparaiso «xler Messina sein können. S«>bald eine Stadt «lurch ein Erdbeben heimge¬ sucht worden ist, ist sie ausgezeichnet brauchbar, um ein Opfer der Linse für den erhabenen Zweck Englands zu werden. Wir zweifeln keinen Augenblick «lass auch die Ixrühmte Ansichtskarte von «lern ham burgischen Ab¬ bruchsviertel dabei wieder aufgetaucht ist als Schul¬ beispiel einer verwüsteten französischen Stadt Auch sieht man da hungernde Familien; sieht Kinder und Greise, die mit angstverzerrten Mienen vor den einbrechenden trun¬ kenen Germanenhortlen flüchten: sieht junge Mütter un«l Bräute, die «len Tod suchen, um v«»r den teutonischen Lüst¬ lingen ihre Kulissenehre zu retten. Nach «lern Genüsse solcher Moritaten hat «lie ..Union" den sicheren Eimlruck gewonnen, «lass im Interesse einer künstlerisch-pyra¬ midalen Steigerung —- nun auch bald «lie englische R«'gic- rung öffentliche Dirnen anwerben wird, «lie sich als wirk¬ lich gelieferte Opfer «ler deutschen Gier dem p. t. Publik«» vorstellen — denn die Sittenpolizei da und dori sieht be¬ kanntlich anders aus. als in dem Barbarenlandc Germunv Was Wunder, «lass die fleischerne Verbh'Wlung. die stundenlang Vor solchen Films geniesst. aufs h-'ichste auf gebracht wird und sich am liebsten sof«»rt auf jed«*n «l«*s Weges kommen«len Deutschen stürzte. ..Krank wir«! man ", so schreibt «lie Union ..wenn man bedenkt, mit welcher Nietierträchtigkeit die Feinde Deutsch- lands handeln. In Anbetracht «ler guten Beziehungen, die unser Land mit «len kriegführenden Staaten unterhält, and «ler Sympathien, die die hier ansässigen Deutschen ge¬ messen. sind wir der Meinung, dass es weder korrekt mx li anständig von uns ist. solchen frechen Lumpen zu erlauben, die patriotischen Gefühle eines deutschfreumllichen Laiulcs in der Oeffentlichkeit zu beleidigen. Die Behörden müssen einschreiten. . . . “ Wie lange noch ? Den Schmerzensschrei unseres ameri¬ kanischen Mitarbeiters und Freundes, Dr. Baer, möchten auch wir in diesem Falle wiederholen. Wann entllich wird die deutsche Regierung sich der deutschen Filmindustrie bedienen, um mit deren Erzeugnissen den erbärmlichen Lügen unserer Gegner entgegenzutreten ?