Der Kinematograph (June 1915)

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No. 440. Der Kinemato^ph — Düsseldorf. Rund um die Friedrichstrasse. I Die Filmst ra«Re nennt nian sie in der Kinohranehe und sie verdient diesen Namen zum mindesten mit dem¬ selben Rechte, mit ilem man tlen Hau.svogteiplatz als den Sitz der Berliner Konfektion betrachtet. .\n der Fried¬ richstrasse. dieser meistgenannten und \ ielverlästerten Berliner Hauptverkehrs.stras.se uml rings herum um sie konzentriert sich so ziemlich die gesa nte Filmbranche, und wenn ich, einer dankenswerten Aii'-t*gung des Herrn (’hefrctlakteur Perlmann folgend, in Zukunft allwfichent- lich im Rahmen einer kurzen Plauderei i.ber die Neuheiten sachlicher un<l ^HTsönlicher Natur berichte, <lie man bei einem Gange durch die Film brauche Icirt, und die des Interesses der „Kinematograph"-Leser sicher .sein können, .so führt dieser Gang eben ..R und um die Fried¬ rich s t r a s s e“. Und unter dieser Devise möge in Zukunft an dieser Stelle gesucht werden, was der gewissen¬ hafte Chronist der Filmbranche zu Iterichten hat. Der Krieg und die allzufrühe sommerliche AN’itterung Iteherrschen natürlich den Berliner Filmmarkt. Ein Rund¬ gang durch Berlin und seine Voroite wirkt auf den Film- fachmaim recht wenig erbaulich. Die Kinos haben in fa.st Iteängstigender Zahl ihre Pforten geschlossen, nachdem sie einen über Erwarten guten Winter hinter sich haben. Der frühe Eintritt der sommerlichen Witterung trägt natürlich die Hauptschuld ilaran. denn wenn die Sonne nur ein ganz klein weiüg freundliches Entgegenkommen zeigt, daim ist der Berliner nicht mehr innerhalb vier Mauern zu halten, sondern er will .sich ini Grünen für den Mangel an frischer Luft entschädigen, den der Winter nun cütmal für ihn mit sich bringt. De'- Krieg aber wirkt von e iner ganz anderen Seite her schädigend auf das Kino ein, ijs man geglaubt haben mochte. Als der Kri^ ausbrach, fürchtete der Kinol>esitzer — und mit ihm der Theater- ilirektor und alle die ruderen, die für Volksbedürfnisse nicht rein materieller Natur zu sorgen haben, dass es am nötigen Kleingeld fehlen und dass die wirtschaftliche I.rfige gerade der nünderbemittelten Be\‘ölkerung. die das Hauptkontingent der Kinobesucher bildet, den Besuch der Kinos nicht gestatten werde. In irklichkeit ist es eher umgekehrt, denn ich verrate., kein (ieheimnis, wenn ich sage, dass die minder Iremittelte Be\ölkerung in den vergangenen Monaten soviel verdient hat, wie kaum je zuvor. Auch jetzt würde es an dem nötig«; Gelde trotz des Abflauens der Verdienstchancen nicht felilen; der Krieg äussert vielmelu- seine W irkung in steigendem Malle dadurch, dass immer mehr Männer — und darunter natür¬ lich auch zahlreiche regelmässige Kinobesucher — zu den Fahnen einberafen werden, für die die Verwun<leten untl auf Urlaub Befindlichen keinen Ersatz bieten, weil sie zumeist von den Kinobesiizeni aus Gründen Vaterländischer Gesinnung unentgeltlich zu den Viirstellungeu zugelassen w'erden. Vor allem aber betrifft die Einberufung auch zahlreiche Kinobesitzer. die lieber das Theater schiiess«!. als die Verwaltung fremden Händen anzu^‘ertrauen und sie raubt ihneit in geradezu erschreckendem Maße die V^orführer, sodass die Vorführemot zur Zeit die schlimmste von den zahlreichen Nöten ist, unter denen der Kinobesitzer zu leiden hat. Es liegt im Zuge der Zeit — die Kleinen haben von den Grußspekulanten und den Heereslieferanten gelernt — die Notlage ties anderen auszuimtzen, und so werden von den Vorfülu-em \-ielfach geradezu unsinnige Forderungen gestellt. So wird in den Krei.sen der Berliner Kinobesitzer zur Zeit \iel ein Fall besprochen, in dem ein l'ucführer, der für einen plötzlich zu den Fahnen ein- berufenen Kollegen einsprang, für einen Abend die Kleinigkeit von 50 Mark verlanitte und sie erhielt. Ein tüchtiger Vorführer muss natürlich sehr ^•iel können, aber in diesen Zeiten könnte man sich schliesslich auch mit schnell ausgebildeten Hilfskräften behelfen, wenn nicht die polizeilichen Bestin;mungen geradezu unüberwindliche Hindernisse auftürmten. Fast noc-h schlimmer ist die Not an geschulten Auf- nahmeoperateinen, und da kann man sich schlechterdings nicht mit Hilfskräften behelfen; dazu ist die Beileutung einer guten Photographie für den Wert eines Films zu gross. Es ist jetzt gerade keine Seltenheit, dass Regisseure tagelang feiern müssen, weil man keinen Aufnahmeoperateur auftreilien kiumte, und deshalb verdient jetzt in der ganzen Kinobranche niemand soviel Geld wie ein guter Auf¬ nah meojrerateur. Auch da ist uns ein Full bekannt geworden, dass beispielsweise ein noch sehr jugendlicher Herr, dei erst seit drei Monaten die Kurbel dreht, die be.scheidenc Forderung von 50 Mark pro Tag stellte — und nicht er¬ hielt. Aelteren. geschulten Aufnahmeoperateurcu be¬ willigt man aber notgedrungeli diese Forderung, angesichts deren mancher Kinobesitzer zu dem Resultat kommen wird, dass ihm wohl wäre, wemi er in der Woche so\'iel Reinverdienst hätte, wie ein Aufnahmeoperateur an einem Tage. Auch in die Krci.se der Regisseure reissen die Ein- Irerufungen furchtbare Lücken. So erzälüte man sich in dieser Woche, dass Carl W'ilhelm (Dccla) täglich seine Einberufung zu e: warten habe und da.ss ihn vielleicht schon tlie neue Wi*che im Schmucke »1er tTniform sehen werde; ebenso ist Max Mack (Ljiion) längst ang»^tzt und weiss nicht, ob er am nächsten Tage auf dem Ka.seineii- hof, statt im Atelier l>ien.st tut; Z e y n (Oliver) ist ange¬ setzt und mu.ss sich langsam rüsten. Joseph D e 1 m o n t . der wie alle österreichischen L''ntauglichen sich einer Nach¬ untersuchung unterziehen mus,stc, iiat zum !5. »1. Mts. einzurücken, Hubert M o e s t , Hedda Vemons Rigis.seur. betätigt sich schon seit fast einem Monat als wackerer Trainsohlat und exzelliert als Kunstreiter und Max O b a I . dessen Regisseurseele stets nach Sensationen dürstete, wird wohl bald auf dem Schlachtfelde oder im Schützen¬ graben Gelegenheit haben. Sensationen anderer Regi»- aus nächster Nähe kennen zu lernen. D a m m a n n (Bumke-Luny) ist schon seit Beginn des Krises drausseii und anscheinend der Heeres\‘eiwaltung so unentbehrlich, dass ihm nur selten Zeit bleibt, etwas von sich hören zu lassen. Auch Karl Luduig Schröder, «eien Angc hörigen aus seiner Tätigkeit als Dramaturg der Nordischen und als Leiter des Internationalen Filmvertriebs bekannt, ist angesetzt und sieht seiner Einlierufung entgegen.