Der Kinematograph (January 1917)

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No. 627 Der Kinematosraph — Düsseldorf. Situation passte. Man findet auf verschiedenen geschnitte¬ nen Steinen Larven mit solchen doppelten Gesichtern. Bei aller verfeinernden und erleichternden Kunst, die man auf die Verfertigung der Larven verwendete, behielten sie doch ihre grossen Unbequemlichkeiten. Sie verdeckten den Zuschauern das Gesicht, in welchem sozusagen die ganze Seele wohnt, wenn sie itn Affekt >st und es war also unmöglich, das Entstehen des Affektes vahrzunehmen und die Farbe, die Gesichtszüge und die Ajgen zu beob¬ achten. Ausserdem konnte bei der Grösse dieser künst¬ lichen Gesichter der Ton der Stimme nicht natürlich sein, und namentlich musste das Lachen der Schauspieler etwas Unangenehmes und Widriges haben. Doch die erste dieser Unbequemlichkeiten fiel für einen grossen Teil der Zuschauer weg, die in den ungeheuer grossen Theatern von dem Akteur 50—100 m und noch weiter entfernt waren, so- «lass sie die Gesichtszüge desselben ohnehin nicht genau beobachten konnten. Hinwiederum hatten die Larven einen so mannigfaltigen Nutzen, dass ihr Gebrauch dadurch gerechtfertigt wurde. Zunächst war damit der Vorteil verknüpft, dass man keinen Schauspieler eine Rolle spielen sah, dessen Gesicht dazu im Widerspruch stand. Niobe erschien mit traurigem Antlitz und Medea kündigte durch ihre wilde Gesichtsbildung sofort ihren Charakter an. Zum andern konnte dadurch die Täuschung befördert werden, die vornehmlich in jenen Schauspielen stattfand, wo die Verwechslung zweier Personen, deren eine man von der andern nicht unterscheiden kann, den Knoten und die Vernicklung des Stückes ausmachte, wie in dem Amphitruo und in den Menächmen. Drittens dienten die Larven dazu, dass die Frauenrollen, die eine durchdringende Stimme erfordern, als das Weib zu haben pflegt, von Männern gespielt werden konnten. Denn es wurden bei den Alten sämtliche Frauenrollen von männlichen Personen durchgeführt. Viertens konnten mit Hilfe der Larven alle fremden Nationalitäten mit der ihnen typischen Ge- sichtsbildung auf dem Theater vorgestellt werden Fünftens hatten die Larven für die alte Komödie der Griechen, welche Gestalt und Gesichtszüge noch lebender Bürger auf das Theater brachte, den Vorteil, dass die Aehnliehkeit sehr erkennbar dargestellt weiden konnte. Endlich halfen die Larven die Stimme der Schauspieler verstärken, sodass sie allenthalben gehört und verstanden werden konnten Dieser Umstand vornehmlich erwies den Gebrauch der Larven als einen fast unentbehrlichen. Wie hätte sonst die Stimme eines Menschen stark genug sein können, das ganze Theater auszufüllen, das, wie bemerkt, nicht nur sehr gross sondern auch in den meisten Fällen unter freiem Himmel und mit einer erstaunlichen Menge Menschen angefüllt war. Der weit aufgesperrte und gähnende Munt! der Larve trug zur Verstärkung der Stimme wesentlich bei, denn es war im Innern des Mundes der Maske eine Einfassung oder eine Art von Sprachrohr angebracht das entweder aus Erz oder von 3inem Stein gefertigt war, den Plinius Uhalkophonos nennt, weil er einen inctallähnliciien Klang von sicli gab. Es existierten auch besondere Künst¬ ler, welche über die Benutzung dieses Sprachrohrs Unter¬ richt erteilten. Ausser den hier erwähnten Larven hatte man noch eine vierte Art, nämlich orchestrische oder stumme Larven, deren sich die Tänzer bedienten. I>iesc besassen regel¬ mässige Züge, ordentliche Bildung, geschlossenen Mund und waren überhaupt die einzigen, welche keine Veränderung erlitten, während die anderen immer vermischt und vor wechselt wurden. Lessing hat bekanntlien in seiner Drama¬ turgie sogar die Wiedereinführung der Larven gewünscht Neuheiten auf dem Berliner Filmmarkte. (Original ber ic ht) Die einzige Separat Vorführung dieser Woehe fand bei der „Saturnfilm“ A.-G. statt, die der Presse ihren Urban Gad-Film „Der rote Streifen" zeigte. Der Film, der. wie wir berichteten, bei seiner Uraufführung in Kopenhagen, ebenfalls vor geladenem Publikum, einen sensationellen Erfolg erzielte, besitzt in der Tat aussergewölinliche Qualitäten, die alle gipfeln in der Darstellungskunst Maria Widal’s, eines neuen Sterns, der plötzlich da ist. Maria Widal ist ganz das Rasse weib, die sinnbetörende Schöne, die reizt, ob sie nun ein verwahrlostes Zigeunermädchen, wie hier am An¬ fang, oder ob sie die gefeierte Künstlerin, wie später im Stück, darzustellen hat. Eine schlanke, schmieg¬ same und biegsame Figur ist der Künstlerin eigen. Aus dem scharf geschnittenen Gesicht sehen zwei abgrundtiefe Augen. Mit diesen körperlichen Vor zügen gewinnt das junge Zigeunermädchen die Gunst des alternden Schlossherrn. Mit dem Grossvater zieht sie bettelnd durch das Land. Ihr Violin spiel bringt ihr den nötigen Lebensunterhalt. Der Gutsherr will mehr von ihr, und um sie ganz zu ge winnen, lässt er ihr die Geige nehmen. Nachts schleicht sich das Mädchen in das Schloss, um ihr Kleinod zurückzuholen. Da erwacht der Alte. Die beiden ringen miteinander, er fällt, vom Schlage ge¬ troffen, tot zu Boden. Sie hatte das auf dem Tisch liegende Rasiermesser zur Wehr ergriffen, und wird selbst beim Ringen durch dieses verletzt. Ein tiefer Schnitt geht über die Wange. Wie ein gehetztes Wild durcheilt sie den Wald, hin zur alten Zigeunerin. Die verbindet die Wunde und lehrt sie, eine Schminke brauen, die die Narbe unsichtbar macht. Jahre sind vergangen. Aus dem talentierten Zigeunermädehen ist die weltberühmte Violinvirtuosin geworden, und auch der Sohn jenes alten Grafen wurde ein angesebe ner Violinkünstler. Die Kunst führt die beiden zu sammen, auch ihre Herzen. Nun erfährt sie, wer er ist. Die ständige Furcht, entdeckt zu werden, ver hindert es, dass der junge Graf das geliebte Mädchen küsst. Wie leicht könnte die Narbe entdeckt werden. Da eines Tages geschieht das Unglück. Das Mädchen, das ohne Schuld an dem Tode des Vaters ihres Ge liebten war, sühnt unschuldig jene Nacht. — — Alle Phasen, der für die Schauspielerin ausgezeichnet erdachten Rolle werden von Maria Widal hier er schöpft. Es darf aber nicht vergessen werden, dass ihr hier durch Urban Gad für ihre scheinbar unbe grenzte Kunst alle Möglichkeiten der Entfaltung ge geben wurden. Das Stück ist von Anfang an bis zum Schluss dramatisch gesteigert. Was Urban Gad als Regisseur bedeutet, bedarf nicht besonderer Erwäh¬ nung. Es war unbestreitbar ein grosser Erfolg, der noch grösser beim Publikum sein wird. Die „Krönungsfeierlichkeiten für Kö¬ nig Karl IV. undfürdie Königin Zita" brach te ebenfalls die „Saturnfilm" A.-G. zur Vorführung. Es sind dies die vom ungarischen Ministerium herge¬ stellten also offiziellen Bilder. Die Bewertung des Kinematographen als aktuellstem Berichterstatter und Geschichtsschreiber ist ja anerkannt. Hier konnte tnan sich wieder darüber freuen, in wie greifbare Nähe uns alle diese geschichtlichen Ereignisse ge-