Der Kinematograph (February 1917)

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Der Kinematograph — Düsseldorf. No. 630. stellerischen Mitteln die Hauptrolle. Sie bezwang durch ihr liebenswürdiges Spiel die Zuschauer vom ersten Augenblicke an. Dass sie reizend aussah, und dass man deshalb gern an Stelle des Freddy hätte sein mögen, braucht nicht erst erwähnt zu werden. Der Film hatte grossen Erfolg, und er lässt in seiner Qualität auf die folgenden Filme des Zyklus begierig sein. Der „Mozartsaal“ hat in seinem neuen Programm einen Film, an dem man nicht in der üblichen Weise vorübergehen darf, denn es ist hier endlich einmal das Märchen widerlegt, dass es auf dem Gebiete des Gesellschaftsstückes nichts Neues geben soll. Erst einmal der Inhalt dieses Films, d«*r den Titel „Ver¬ siegelte Lippen“ führt (Messter-Film). Der Gutsbesitzer von Haldem lebt mit seiner jungen schönen Gattin Helene in glücklichster Ehe. Wohl empfindet er, dass er es nicht mehr lange mit ansehen kann, wie sie in verschwenderischster Weise das Geld ausgibt. Aber die Liebe zu seiner Frau lässt ihn alles erdulden. So geht die Zeit dahin. Die Schulden¬ last wird immer grösser, und er steht bald vor dem Zusammenbruch. Nur das Spiel kann ihn vielleicht noch retten. Aber auch hier ist ihm das Glück abhold, Und gerade an den Mann, den er am meisten hasst, verliert er den Rest seines Vermögens. Ja noch mehr sogar. In einem Schuldschein verpflichtet er sich, innerhalb vierundzwanzig Stunden die verlorene Summe zu zahlen. Noch auf der Gesellschaft verliert jener junge Mann den Schein und Haldern findet ihn. Sein Gegner wird in derselben Nacht von einem Bauern, dessen Braut er belästigt, erschlagen. Als Täter kann nur Haldern in Betracht kommen. Ein einziger Mensch weiss, wer der Mörder ist, aber dieser Mann darf nicht reden, will er nicht die ange- betete Helene in einen falschen Verdacht bringen. Er ist ein junger reicher Mann, der weiss. wie sehr die Sorgen Haltern drücken, und der weiss, dass Helene in einer schwachen Stunde dem Ermordeten einen Wechsel gab, um damit heimlich ihre Schulden bezahlen zu können. Er hat den Wechsel, auf den Helene Haldems Unterschrift gefälscht hatte, an sich gebracht und ist zu Helene gerade in jener Mord¬ nacht gegangen, ihr die Mitteilung zu machen, dass sie es nicht nötig habe, sich um die Einlösung des Papieres zu beunruhigen. Ehrerbietig steht er vor der Angebeteten. Da hören sie Haldern nach Hause kommen. Der junge Baron verbirgt sich auf dem Balkon und wird so Zeuge des Totschlags. Bei Hai dern findet man jenen Schuldschein, und die Vor dachtsmoniente häufen sich so, dass ei verhaftet wird. Tage banger Qual sind über Helene hereingebrochen. Die Wahrheit, wer der Mörder ist, kann nur gesagt werden, wenn auf sie der Verdacht der Untreue fällt Der Baron aber will es nicht zulassen, dass Helene unglücklich wird, und deshalb, um wenigstens Hai dern zu retten, geht er zum Untersuchungsrichter, um zu sagen, dass Haldern der Mörder nicht ist. Der Bauer hat ihn zu Gericht gehen gesehen, er weiss. nun wird alles ans Licht kommen. Aber dann soll die Welt auch wissen, dass der junge Baron in jener Nacht in Helenes Zimmer war. Der Baron hat noch nichts gesagt, da stürzt der Bauer ins Zimmer und höhnisch, ob der Angeber auch gesagt habe, von wo aus er den Mord gesehen bat. Der Mörder sühnt seine Tat und über der Ehe Haldems und Helenes wird wieder die Sonne des Glückes scheinen. Es lässt sich auf einen so kurzen Raum nicht die ganze logische Entwicklung dieser Handlung erzählen. Sie 'st, so romanhaft sie auch hier e"scheinen mag, ein Stück aus dem Leben, sie bringt Menschen aus Fleisch und Blut. Sic entwickelt sich vollkommen logisch und schon von Anfang an melken wir, wie sich das Schicksalsnetz um die beiden Hauptfiguren enger und enger zusammenschliessen wird So prachtvoll wie der Aufbau des Stückes, so ausgezeichnet ist auch die Regie. Hier und da Nebensächlichkeiten, die viel leicht anders hätten gemacht werden können, aber im ganzen betrachtet, eine der reifsten Arbeiten, die wir seit langem zu sehen bekamen. Auch die Phöto graphie ist ausnahmslos gut. Und dann das Spiel der beiden Hauptpersonen, Wanda Treumann und Viggo Larsen. Beide in ihrer Art vortrefflich. Sie. das leichtsinnige Weib, aber doch voll Gefühl für das Unglück, das sie über den Gatten gebracht hat Er, der für die Frau alles hingiht. lässt über sich das Unabwendbare ergehen. Der Schluss der die Gatten wieder zusammenführt, ist von immenser Wirkung. Ich wiederhole, hier haben wir *in Gesellschaftsstück, das als Muster zu gelten hat. Argus. Pädagogen-Urteil über die Bedeutung der Kinematographie. Zwei bekannte Pädagogen haben an die „Eiko- Film-Gesellschaft“ folgendes Schreiben gerichtet: „Auf die Frage, ob sich der Film „Ostpreussen und sein Hindenburg“ zur Vorführung für unsere Jugend eignet, kann ich als Lehrer und Erzieher nur aus voller Ueberzeugung mit ja antworten. — Wie leicht wird es der Tertianer vergessen, wenn er in der Geschichtsstunde hört: „die alten Preussen waren Heiden. Bekehrungsversuche misslangen zuerst; dann kamen die Ritter vom Deutschen Orden und machten die Preussen zu Christen“: wenn er aber die präch tigen Bilder sieht, wie die Alten opfern, die Mönche ihren Altar Umstürzen und darob von den Erzürnten fast erschlagen werden und nur mit Mühe im letzten Augenblick von den heransprengenden Kreuzrittern gerettet werden und wie die Heiden ihren stolzen Nacken durch Ueberredung und Gewal* der Taufe beugen, das prägt sich ganz anders ein! das ver gisst er sobald nicht! Und in gleichpackenden Bil¬ dern ziehen in den ersten beiden Akten die Haupt eprchen von Preussens rühm- und tränenreicher Ge¬ schichte vorüber und die kahlen Daten 1525, 1701. 1812 13 gewinnen Leben: eine Geschichtsrepetition, wie sie sich der Lehrer nur wünschen kann! Aber ist’s nicht vielleicht vom erzieherischen Standpunkt bedenklich, wenn im 2. Teil die Russen greuel gar zu anschaulich der Jugend vor Augen geführt werden? — ich meine, unsere Jugend ist in Gefahr, hier zuhause den Ernst der Zeit nicht recht zu begreifen. Was erlebt sie vom Kriege? gewiss manches Unangenehme und Bequeme: die fehlende Butter auf dem Frühstücksbrot, etwas Schneeschippen und dergl.. aber in ihrem gesegneten Optimismus und ihrer fröhlichen Unbekümmertheit wird sogar das Schneeschippen zur vergnüglichen Abwechselung, denn — die Schule fällt ja aus! Siegesfeiern mit ..Deutschland, Deutschland über alles“ und „Heil Dir im Siegerkranz" mit ausfallendem Unterricht erzeugen