Der Kinematograph (March 1917)

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No. 634. Der Kinematograph — Düsseldorf. Fünftausend" zu hauen beabsichtigt, die Behönle dieselbe Antwi rt nicht geben wird, die sic Hern Hagin gab. Und der Verfasser der ..wt-issen (Jefahr" macht sieh Luft, indem er sehreibt: „Und während inan diese Behaup¬ tung (es ist die. dass in Wien kein weiterer B'.-darf an literarischen Theatern sei. gemeint) mit der 4(M>. Ensuite- . ufführung der Sehlager».perette und dem kürzlich er- t. lgten ..Xatursängerverh« t" in einen l< gischen Zusainmcn- liang z.u bringen bemüht ist. grinsen • inem di'* Plakate eines neueröffneten Kinos mit 1 Kni Personen Fassungs- raum entgegen und ein grüngcldbetressUw „Honneur- maeher" drückt servil, mit kollegialem Schmunzeln «lie „Vorschau unserer Novitäten und Schlager" eines Stadt¬ kinos in die Hand . . . Und wenn man dann vor dem reklameübergrcllten (ein wie schönes Wert!) Eingänge solch eines Unterhaltungsschnellsieders (wie geistreich ver¬ steht sich der Herr ..Regisseur" auszudrücken) die Wiener Bevölkerung in quetschender Enge der Wunderdinge harren sieht, von denen der Honneurmacher ekstasisch schwärmt, dann erkennt man resigniert : O, Behörde, die «lu s I on so oft recht hattest, du hast auch in diesem Falle recht: Wien hat keinen Bedarf an literarischen Kunstinstituten!" Ja. der Herr „Regisseur" tut wirklich so, als ob er ein gründlicher Kenner des Kim s wäre. Kr spielt sich auf den Gegner des Kinos hinaus und wäre cs vielleicht nicht, wenn er schon einmal Gelegenheit gehabt in einem litera¬ rischen Film mitzutun und dafür ein paar hundert Kr. neu (Jage bek« muten hätte. Man weis« ja wirklich nicht, wie oft eigentlich Molche „Gesinnungen" entstehen. Doch hören wir ihn weiter an: ..Wer Anwandlungen künstl 1 1 r Genußsucht hat. <:er deckt seinen Bedarf von halb tünf bis sechs Uhr vollauf mit ..Amors tollen Streichen" und der „Verwechslung unterm Bett": um! die ganze Chose k< stet SO Heller; - - und den Winterreck darf er auch anbehaltcn: und die Geschichte ist nicht so gottl« s spät aus, wie die „Walküre“ oder „Faust" oder sonst so; und die Elektrische ist einem auch sicher; und überhaupt beim Kino pfeift man auf die Elektrische, denn das nächste Kino ist ja höchstens drei Häuser w eit .... Und «la noch andere Kunst- mstitute ? lächerlich 1 —“ Die Beispiele, die der Herr „Regisseur" da gewählt hat, beweisen natürlich gar nichts. Eine Sache lächerlich machen, das ist bei Gott gar keine Kunst. Man kann doch einer jeden Sache k. mische und schwache Seiten ab¬ gewinnen, eine jede Sache so klein machen, dass nichts übrig bleibt. Aber warum weist er gerade auf „Amors tolle Streiche“ hin und nicht darauf, dass wir heute im Film Künstler und Werke haben, die auf dem Theater nicht ihresgleichen haben. Warum will er nichts davon wissen, dass ein Paul Wegener. ein Schildkraut und so viele andere Künstler von Ruf schon seit Jahren im Dienste des Kinos stehen. Und ist es nicht erklärlich und begreif¬ lich, dass das Kino dadurch, dass es etw a einen Paul Wegener für sich gew, nnen hat, neue Freunde wirbt? Die weisse Gefahr ist vielleicht viel näher als die Herrschaftin glauben. Das Theater wird grosse An¬ strengungen machen müssen, um sich nach «lern Krieg die vielen Besucher des Kinos znriiekzuerobern. Natürlich passt es dem Herrn „Regisseur" aueh nicht, dass der Geschmaik des lhiblikums durch das Kino ..ver¬ bildet“ wird. Die Zeiten sind schon lang, sehr lang vor- üIkt, wo man sich not Rieht darüber aufregen dürft dass das Kino auf den (■' -<-hnia«-k vim hem! w irke. Frei¬ lich keine Regel « hne Ausnahme. Gewiss findet man auch heute noch auf der weissen Leinwand manches Filmstiick das man lieber zu ailtn Teufeln wünschen möchte. Aber gibt es nicht auch g< uug Theaterstück -, die alles eh'r nur nicht bildend sind ? Hand aufs H rz. ihr Kiiugcgiu r und ihr könnt euch darauf die Antw< rt selber geben' Ganz falsch ist der Kimvand des Verfassers, „dass für den, der den Faust sieht, das Kino nicht existiere, datiir existiert, seitdem das Kino seine Arme dem Eindrucks¬ bedürftigen öffnet, liir diesen kein Faust mehr." Aber, aber! Warum? Wenn cs wirklich wahr ist. dass für den Kindruekshcdürttigcn kein Faust mehr existiert, da in ist die Ursache nur einzig und allein darin zu suchen, dass die Preise in den Theatern für den Mittelstand von Jahr zu Jahr unerschwinglicher werden und deshalb immer das Kino an seine Stelle tritt. Und nachdem der Herr Verfasser des Artikels n. ch über mancherlei Dinge seine kleinlich-denkenden Ansichten kundgibt. kemmt er zum Schluss und resümiert: „Das Theater der künstlerisch einwandfreien Absichten ist der breiten Masse durch das Kino entfremdet! Da heisst cs el>en den Stier bei den Hörnern fassen und durch Abstellung eben der Uebelstände, an denen das Kino nicht k-ankt. den Kontakt wi dir inniger zu gestalten. Man erleichtere* die Möglichkeit eines häufigen Theaterbesuches den breiten Schichten und der emdrucksw illigcn Jugend durch billige, in jedem Bezirke und in jeder Schule erhältliche Serien- ab< nnements mit Einheitspreisen, damit das arme Fabrik.- mädcl. wenn cs sich rechtzeitig darum kümmert, auch cinnill im Parkett sitzen kann. Man gebe Theaterzettel und Garden be gratis, denn gerade v< r - lehen Neben¬ spesen schreckt das Publikum leicht zurück und mail wird die Bevölkerung für gute Kunst ireichen; früher ist keine Besserung zu erwarten; denn so lange ein Kino besuch 80 Heller und einer im Theater .‘Min Kr. kistet. so lange man ins nä< liste Lichtspieltheater drei Minuten braucht und nach der Walküre die Theaterzüge überallhin, nur nicht nach den Vorstädten gehen, so lauge man die Autoren vom „Haus mit dem Blutfleck“ und dem „Glas¬ auge einer Gefallenen“ im lebenden Bilde und Kleist (aus¬ gerechnet!) nur dem Namen nach kennt, wird die Behörde Recht behalten: Wien hat keinen Bedarf an literarischen Theatern.“ So stark aueh der Herr „Regisseur“ in die Posaune bläst, er wird unsere Thcaterdirektoren nicht anders machen. Eine Tradition schmeisst man nicht von heute auf m<ngen um. Die Theaterdirektoren werden es niemals einsehen wollen, dass sie mit billigen Preisen bessere Ge¬ schäfte machen können — weil, ja weil sie mit den hohen Eintrittspreisen eben aueh volle Häuser machen. L T n«l wenn sie diese vollen Häuser nicht haben, dann liegt es an ganz anderen Dingen. Der Kampf der Theater gegen «las Kino ist unbegrüiulet. Wie schön könnten die beiden nebeneinander bestehen, ohne Kampf und ohne Fehd«-. Aber die Herren Bühnenleiter reden sieh die w«*isse Gefahr so lange ein — bis sie wirklich da sein wird. Sie ist natür lieh auf «lein W ege. Aber statt Zeter und Mordin zu sehn*k*n. wäre es vielleicht vernünftige^ auf Mittel uiul Wege zu sinnen, wie man gemeinsam auf das Publikum er zieherisch wirke. Sollte «las wirklich nur ein Märchen sein ? Rudolf Huppert.