Der Kinematograph (April 1917)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

Der Kinematogr&pb I >n»weld..rf No. 63t*. ttns von dieser («ternnmi Kunst *>in treffendes Kilrl entwirft: Beim Auftritt ufk>gt er ->leicii da- Volk gebückt /.ii begrüben. Zum Reden »chiekt die Hand, die klugi- Hund »ich an. Er weis» den sü»»eii Ton de» Chor» un- aufzux ldiesaen. Weil er, was )«ni«-r »ingt. I>ewegend deuten kann. Er »t-reitet. tändelt, ra»t, kehrt »ich um, kommt wieder. Macht durch Verstellungen dennoch Wahrheiten kund. Zu Zungen werden ihm des ganzen Leit»- Glieder, Cnd diese seltene Kunst spricht durch geschlossenen Mund Die Bildung der Schauspieler für die antike Komödie war eine streng schulmassig«-. und die Lehrer der Beredsam¬ keit empfehlen sie ihren Schülern zum Unterricht in Korrekt heit der Aussprache, Angemessenheit des Vortrags. Haltung. Mienen und Gebärdenspiel. Die Künstler fassten ihre Auf gäbe mit Emst auf: der berühmte römische Rhetor t^uin rilian hatte oft gesehen wie die Darsteller nach rührenden Szenen selbst weinend die Bühne verliessen. Die Dekla¬ mation entfernte sich zwar nicht zu weit von der Sprach weise des täglichen Lebens, kopierte aber auch keineswegs, sondern stilisierte sie durch eine angemessene Veredlung. Das Gebärdenspiel war durch sehr bestimmte Vorschriften geregelt. Die grössere oder geringen- Schnelligkeit des Ganges wurde genau nach dem Charakter der «larzustellen- den Rolle bemessen. Die Charakteristik, die Quintilian von der damaligen Darstellungsweise gibt, zeigt, wie scharf damals die Grenzen zwischen dem Erlaubten und Untr laubten gezogen waren. Die pantomimische Kunst dürfte wohl unter den römischen Cäsaren den Höhepunkt erreicht haben. Dass die pantomimische Aktion von jeher für ein wichtigen-» Darstellungsmittel galt als Deklamation und Gesang. geht, wie ieh dieses bereits schon eriirtert hah«. daraus hervor, dass im eigentlichen Drama der Schau »pieler der auf eins von beiden verzichten musste, gerade das letztere dem ausserhalb der Handlung stehenden Sänger iiberlicss und den Inhalt der Dichterworte selbst durch das erstere auadrüekte. Die Aktion musste das Mienenspic) ersetzen helfen, das der Gebrauch der Masken ausschlos» und wieviel reü-her. feiner, ausgebildeter und ebendiger «he Gebärdensprache der damaligen Pantomimen war. als die der heutigen, das können wir uns aus zahlreichen An¬ deutungen zeitgeinässiger Schriftsteller vorstellen. Die allgemeine Verständlichkeit dieser Darstellungen auch für die des Lateinischen und Griechischen Unkundigen trug gerade in Rom mit seiner aus allen Ländern zusammen geschlossenen Bevölkerung nicht am wenigsten bei. dieser Gattung auf der Bühne Eingang und bald die Herrschaft zu verschaffen. Die eigentliche Aufgabe, die sich die neue dramatische Gattung stellte und löste, war. da» stumme Spiel soviel als möglich auch ohne Hilfe von Musik und (Jesaug verständig zu machen. Diese Aufgabe war um so schwieriger, da eine Pantomime in demselben Stücke mehrere, und zwar die verschiedensten Rollen dun-h- /.uführen hatte. Die Sprache der Hände, diese bei so grosser Ver '•-liiedcnheit der Mundarten allen Völkern gemeinsame Sprache, war offenbar im Altertu me noch reicher an bezeich¬ nenden und allgemein verständlichen Gesten als die Ge¬ bärdensprache der heutigen Südländer. Wir bewundern, sagte Seneca, die Pantomimen, weil ihre Hände zu jeder Bewegung der Dinge und Empfindungen geschickt sind und ihre (Jebürden die Sch Helligkeit der Worte erreichen. ■ lede veränderte Haltung der Hand und der einzelnen Finger drückte einen anderen Sinn aus, und diese Art Beredsamkeit wurde ohne Zweifel durch die fortwährende Uebung der Kunst mehr und mehr erörtert, ausgebildet um! verfeinert. Natürlich wurden auch die Gebärden der Hände durch entsprechende und eigänzende sonstige Be¬ wegungen unterstützt. Der Schriftsteller Noxrnus berichtet über den Pantomimen Maro: ..Ein vielredendes Schweigen mit sprachloser Hand zeichnend; er wirft nach allen Seiten die Blicke umher, ein Bild der Reden um kunstvollem Neigen sinnreichen Rhythmus webend, er schwingt den Kopf und würde die Locken schütteln, wenn er nicht kahl wäre." Denkende Künstler suchten nicht sowohl die ein /einen Worte als auch den Süin des Texte» durch ent¬ sprechende Bewegungen auszudrücken. Wie überhaupt in ■ ler antiken Kunst sich überall eine ungleich festere Tradition gebildet hat als in der modernen, und wie diese dann für die ganze folgende Entwicklung eine sichen- Richtschnur gegen Verirrungen und törichteExperimente derOriginalitäts sucht geblieben ist. so scheint es auch bei den Pantomimen der Fall gewesen und so den Künstlern das Spiel, den Zu¬ schauern da« Verständnis im hohen Grade erleichtert worden zu sein. Nach allen Schilderungen zeitgeinässiger Schriftsteller dürfen wir eme feine f’harakterisitk bei den besseren Künstlern voraussetzen. Dun-h unablässige Uebung und Beobachtung einer geregelten I-ebensweise. namentlich Enthaltsamkeit im Genüsse von Speisen, erlangten die Pantomimen eine unbedingte Herrschfat über ihren Körper, eine Gelenkig¬ keit. (Jeschwindigkeit und Elastizität, die sie in den Stand setzten, jede ihrer Bewegungen mit Aninut. Eleganz und Schmiegsamkeit auszuführen Durch diese Eigenschaften entzückten sie am meisten ir, Frauenrollen, in denen es ihnen gelang, ihr (Jesehlecht völlig vergessen zu machen. Wem» die Vorliebe für Pantomimen auch in allen Schichten «ler Gesellschaft verbreitet war. so wurde sie doch von «len unteren Klassen am wenigsten geteilt. Diese ergötzten sich mehr an den -leihen Zoten und Possen der Mimen, auf welche die Anhänger «ler Pantomimen mit Verachtung herabsahen. Die letzteren setzten schon wegen ihres mythologischen Inhalte eine gewisse Bildung voraus, in ungleich höherem Grade aber war diese für das Ver¬ ständnis «ler Feinheiten «ler Darstellung erforderlich, über¬ dies war kein Theaterschauspiel so geeignet, Nerven, die ein Uebermaß von <Jenüssen erschlafft hatte, aufs neue anzuregen. Eine Leidenschaft für die Pantomimen ver breitete- sieh bald in der höheren <Jesellsc-haft Reims; schon «ier ältere Seneca sprach von dieser seiner Krankheit; am meisten eigriff sie die Frauen. Man ist versucht, Ver gleiche anzustellen zwischen der Anziehungskraft «lieser Schauspiele und «ler unserer heutigen Kino-Theater. Ob¬ gleich diese Schauspiele wert waren, das» man sie wegen der grossen Kunst ansah. s ist doch erwiesen, dass die Römer gar zu eifrig darauf gewesen, und gar zu viel Geld und Zeit darauf verwendet haben. Sie konnten sich niemals satt daran sehen. Zu gewissen Zeiten Hessen sie alles stehen und widmeten sieh tagelang diesen Aufführungen. Weil in Roui Handel und Wandel darüber ins Stocken geriet, s«> . ah sich der Kaiser M. Antonius genötigt, die panto¬ mimischen Schauspiele einzuschränken Er musste aber sein (Jebot bald zurückziehen, weil das Volk darüber murrte und ihm schuld gab. als wenn er es zur Weltweisheit zwingen wollte. Frauen aus den besten Kreisen mussten sich vor werfen lassen, «lass sie «lic- Masken und Gewänder der Pantomimen betrübt geküsst, wenn Tage kamen, da die pantomimischen Schauspiele auf höheren Befehl ausfallen mussten. Aber auch dann wussten sie sich zu helfen, indem sie die Pantomimen in ihr Haus nahmen und sich dort etwas voigaukeln Hessen. Wenn ich von meinem eigent¬ lichen Thema „Mimik und Physiognomik" etwa« ab¬ gewichen bin. so geschah es, um «lern freundlichen Leser ein Bil<i jener Zeit vor Augen zu führen, und es ihm so zu ermöglichen, Vergleiche zwischen «len Darstellern der antiken Komödie und der alten Pantomimen und «len heutigen Schauspielern bzw. Kinodarstellern ziehen zu können. Da müssen wir noch einmal auf «len bereits zitierten römischen Rhetor QuintUian zurückkommen. Dieser Rhetor unter¬ sagt auf «las nachdrücklichste all die Bewegungen, womit