Der Kinematograph (March 1918)

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D»r Kineniatugraph — I>ä»»eldurf. \o. Mo Wicklung die Lösung herbei^ufuhren, für die Filmkunst nicht den geringsten Wert besitzen. Der Gang der Hand¬ lung mud an sich spannend gestaltet sein und nicht durch das Beiwerk von Schiftbrüchen. Eisenbahnun¬ glücken, Explosionen, Gewalttaten, gefährlichen Abstie¬ gen, haUbrechenden Salti mortali und sonstigem. Auch müssen an die Zuschauer nicht allzu hohe Anforderungen für das Verstehen der Schürzung des Knotens und des¬ sen Lösung gestellt werden. Die Handlung soll unter allen Umständen leicht \erständiich sein. Mit diesen An¬ sichten sind die Franzosen entschieden aut dem riditigen Weg. I>er Regisseur, welcher l^nsunimcn zu einer glän¬ zenden Ausstattung vergeudet, wird nie einen großen Film zustande bringen, wenn der Gang der Handlung Un¬ zulänglichkeiten aufweist, oder durch seine Aufmachungs¬ technik geschädigt wird. Der Gang der Handlung wird in der Filmidee nieder¬ gelegt, die von einem berufenen mit der Technik des I heatci's und zuweilen auch mit der der Filmbühne ver¬ trauten Verfasser, oder aber \on einem Urheber geschrie¬ ben sein kann, der die Ausführungsmöglichkeiten kaum richtig zu beurteilen versteht. •Mil den Filmideen hat cs eine eigene Bewandtnis. Entstammen sie der Feder eines bekannten Schriftstel¬ lers, der seinen Weg nach oben gemacht hat, wird ihr Eingang mit Freuden begrüßt, wird cs bald Stadt jnd Land kund getan, daß die Mitwelt demnächst mit dem Film des Geistesgewaltigen beglückt wird. Wagt cs aber ein unbekannterer Schriftsteller oder gar ein Neu¬ ling, seine Ideen einzusenden, wird er nach langem Har¬ ren seiner Hoffnungen durch eine dankende .\blehnung beraubt, oder er hört gar nichts, sieht aber gelegentlich einen Film, dessen Idee der seinen wie ein Ei dem an¬ deren gleicht. Dem Schriftsteller von IMame und Ruf wird für sein geistiges Produkt mit Werten von vter- und fünfstelligen Ziffern gelohnt und sein Name nra.ngt auf den Plakaten und Programmen. Der unbekannte er¬ hält einen dreistelligen oder zweistelligen Betrag, zumeist aber gelangt das Werk mit dem Ausdruck des Bedauerns in seine Hände zurück. Wird cs zum Film verarbeitet, so bleibt er still und unerkannt im Verborgenen. Nur der Name des Regisseurs prangt auf den Ankündigungen. Dies Messen mit zweierlei Maß gereicht der Kinema o- graphie nicht zum Vorteil. Die Großen im Reiche des Geistes ordnen meist nur widerstrebend ihre Eigenart den Sonderanforderun- gen des Kinos unter, nur die geschicktesten Regisseure vermögen den wertvollen Juwelen die passende echte Fassung zu verleihen. Die Kleineren, die immerhin imstande wären. Reizvolles, mit der Kinotechnik «ich glücklich Faareiide.s zu schaffen, geben aber da.s Rennen b.ald auf, nachdem ihnen der kühle Einpfung. der geringere Diclitersold Lust. Liebe und Laune zum fröhlichen Schaffen für da.s Kino verdorljen habmi. Der deutsche Film wird zweifelsohne in seinem Ge¬ halt, im Kurs des In- und Auslandes wesentlich höher notieren,wenn unsere Filmmanufakturen aus vorstchen dem die auf der Hand liegende Nutzanwendung ziehen; Die Filmidee ist nicht allein nach Ruhm und Ehren, die des Dichters Namen zieren, zu belohnen, sondern vor allem nach ihrer Braudibarkcit. Filmideen sind schneM- stens zu prüfen, bei Unverwendbarkeit ohne Aufenthalt zurückzusenden und nicht als gute Prise, als herrenloses Gut zu betrachten. Ihre Urheberrechte sind zu achten, der Ansicht huldigenden Freibeutern „Eigentum ist Dieb¬ stahl“ sind die landesüblichen Rechtsbegriffe beizubriii- gen. Wird ein solcher Gang der Dinge geschaffen, muß das Filmstück an Gehalt gewinnen. Der Verfasser der Filmideen muß es sich vor allen Dingen angelegen sein lassen, in der Idee nur Wahr¬ scheinliches zu verarbeiten. Erfindungen, die mit der Wahrheit, der Lebensechtheit in Widerspruch stehen, sind stets als verunglückte zu bezeichnen, im Unwahrschein¬ lichen lassen sich namentlich die Amerikaner viel zu schul¬ den kommen. So werden z. B. in manchen Stück*^n Per sonen auf die Bühne gebracht, die cm Doppelleben füh¬ ren; mit Bart und Perücke verkehrt der ehrenwerte Bankier Johnson in den ersten Gesellschaftskreisen, ohne Bart und Perücke mimt er vor denselben Zeitgenossen den Sekretär Raffles. Der harmloseste, jedem Denkge¬ schäft abholde Zuschauer sagt sich, daß so etwas bei vertrautem Umgang mit den übrigen Personen des Stük- kes nicht durchführbar ist, ohne vorzeitig entdeckt zu werden. Es ist ihm ganz unverständlich, daß zu der Entdeckung des Schwindlers die Scharfsinnigkeit eine> Detektivs nötig sein soll. Der Zuschauer empfindet die Handlung als kindlich, als läppi.sch, sie erweckt in ihm das Gefühl des l'nbetriedtgtseins. Das Stück erscheint ihm als Schmarren. Die Unwahrscheinlichkeiten mögen in Amerika, im Lande des Humbug, gefallen. Fü" den NX'vItmarkt sind sic ungeeignet. Der Weltmarkt, das internationale Publikum, \ erlangt eint Handlung und in ihr aiiftrctendc Personen, wie sic das wirkliche Leben /eiclniet. Lb gibt Schrittbteller, die es sein wollen, und soidie. die es sind und Regisseure der glcidten Art. IXt voll¬ wertige Regisseu' wird dem gottbegnadeten Dichter in seinen Spurt ji folgen, ihn verstehen und verstehen las¬ sen. Er wird diC Verkörperung der Gestalten, die dem Dichter bei deinem Schaffen vorschwebten, nur Künst¬ lern anvert-auen, die jenen Gesta ten gleichen, die in ihren aufgehen. Er wird unnützes Beiwerk, talmiarti¬ gen Glitter- und Flittertand bei Seite lassen. Nur min¬ der begabte Regisseure können dem Wahn verfallen, daß eine reiche Ausstattung von überflüssigem Beiwerk, von entbehrlic.nem Drum und Dran den Wert des Filmes erhöhen können. Sie verteuern dtn Herstellungs- ver- rmgem aber den inneren Filmwert. Gerade in dieser Hinsicht wird viel gesündigt und damit dokumentiert, daß große Regisseure nichts mit Alltagsware gemein haben. Es ist oft geradezu unverständlich, wie achtlos in der Auswahl der Kollenträger verfahren wird. Da teilt z. B. in einem Stück ein Graf aus Pietät gegen die am Hoch/eitsiiiorgen verschwundene Braut, jahrelang sein Schluß mit deren Bruder, lebt irit ihm als Bruder in intimei Gemeinschaft. Der Mensch besitzt eine Ver¬ brechematur. IXt Regisseur läßt ihn auch äußerlich als Verbrecher, als vollendeten Schauten auftreten. Das ist grundfalsch, cs muß auch den weniger feinfühligen Zuschauer befremden, daß der feingebildete Graf einem solchen Typ Heimatrecht gönnt und sich obendrein von ihm bis zum Weißbluten aussaugen läßt. Der den ver¬ brecherischen Bruder darstellende Künstler tnig zu dick auf, vergriff sich in der Maske, ein sorgfältig arbeiten¬ der und auf psychologische Feinheiten achtender Re¬ gisseur hätte diesen Fremdkörper nicht geduldet. Was wird da mit Beiwerk gewirtschaftet. I>ie Be¬ schriftung kündet die Heimreise an. Reiter jagen über eine Steppe, ein Blitz/ug saust vorüber, ein Gccanriese durchfucht die silbern schimmernden Wellen. Alles wun¬ derbar schön, mindestens 100 m Film und mehr haben auf der Leinwand gezeigt, daß der Kohfilm nichts nutzt, wenn er nicht bedruckt wird. Aber wozu? Vom Heim¬ reisenden sah man nichts, dagegen las man den spre¬ chenden Gesichtszügen naiver, den Vorgängen auf der Leinwand folgender Zuschauer die unverhohlene Frage ab: „Was soll der Tand?“ Ein Besteigen des Zuges am Ort, wo die Heimreise angetreten oder das Ver¬ lassen des Dampfers bei Erreichung der Heimat mit der erkennbaren Figur der Heimreisenden wäre sinn¬ fälliger, kürzer, bündiger gew’eson. Es sind das nur ein paar Beispiele, wie sie mir zufällig in den Sinn kommen.