Der Kinematograph (October 1918)

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No 615 Der Kinematograpb — Düsseldorf. Hilde Woerner tobt als enfant terrible quecksilbrig, tem¬ peramentvoll durch die Bilder. Leo Peukert hatte mau die Regie anvertraut. — Der zweite Film ist ungemein lustiger. Er ist die dreiaktige Posse (keineswegs „Lust¬ spiel“!) „Erst das Geschäft und dann das Vergnügen" (Meßterfilm) von l)r. Ed. Ritter. Hier wird einmal ganz gehörig über die Ersatzlebensmittel- Schieber hergezogen, so daß man nicht gut ernst bleiben kann. Aus dem Inhalt nur ein paar Stichworte als l^eckei- bissen: Gänsezucht, Milchverkau , Speckvertrieb, zehn¬ tausend Pfund Limburger, Standesamt. Dazwischen hopst Arnold Rieck herum und versucht, aus den knifflichsten Situationen mit heiler Haut und voller Tasche heraus¬ zukommen. Dem Operettenhelden scheint der dauernde Aufenthalt vor dem Kurbelkasten viel Spaß zu machen. Dem Publikum aber auch! Die Kammerlichtspiele am Potsdamer Plat z warten mit einem größeren Detek' ivabenteuer des Meisters Joe Deebs auf. Es ist sein letztes Erlebnis und führt den (allerdings zu nichts verpflichtenden) Titel „Die R a t t e“ (May-Film). Harry Piel leitet das Spiel. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt. Pie) läßt seine Leute, worunter man Schauspieler und Publikum verstehen^! " * - • Joe®! mag. nicht eine Sekunde in Ruhe. Er jagt seinen Jo« Deebs (Heinrich Schrot h mimt ihn nach gewohnter Scha¬ blone) hinauf in die Bodenkammern eines Palais, hinunter in verschüttete Katakomben, läßt ihn auf falsche Spuren kommen und zum Schluß mit der nur Filmdetektiven eigenen Selbstverständlichkeit den Fall restlos auf klaren Die „Ratte“ ist Käthe Haack. wie stets, ganz und gar in der Rolle aufgehend. Eine große Szene, die ein sicherer Maßstab für ihr schauspielerisches Können ist, hat man ihr in den dritten Akt hineingelegt, so daß sie auch mit dieser (sonst nicht sehr dankbaren) Partie zufrieden sein darf. Eine recht unterhaltsame Verwechslungskomödie „Heiraten Sie meine Tant e!“ (Admirals-Film) setzt einem derTauentzienpalast als Einleitungs¬ stück vor. Es spielt diesmal keine Kanone mit; ja. man weiß nicht einmal, wer den Scherz verfaßt und wer ihn inszeniert hat. Und dennoch wird hier öfter gelacht als in den Possen so mancher geschickt gemanagter Stars Dadurch, daß alle Personen der Komödie eine Weile lau»; Ursache zu haben glauben, ihre Gestalt und ihien Namen zu ändern, ereignet sich ein spaßhaftes Dureheinandei Natürlich hat man von verschiedenen Bühnenmustein Anleihen gemacht, aber das ist dem lau-hen wenig Hin- derungsgiund Das Sextett tat brav sein«- Pflicht und Schuldigkeit. Hier seien seine Namen empfehlend notiert Herr A. Retti Maisani. Fritz Reiner, Leonie Dielmani Marie Mayeihofer, Joseph Berger und Rudolf Raab. Das Hauptstück des Programms ist der erste Bernd- A Ido r-Film der neuen Serie 18/19 (Rex-Film) „Dir Liebe des van Royk“, Schauspiel in vier Akten von Lupu Pick und F. ('arten. Zuvor: es ist ein ein wand freier Film, der den großen Vorzug besitzt, daß er Hand lung, Handlung und noch einmal Han<Uung aufweist Er enthält eine Anzahl guter Spielszenen, die Akiois Talent richtigen Licht erstiahlen lassen. Er spielt einen hol¬ ländischen Gesandten, mit jener vornehmen Ruhe, die [bei ihm so anheimelt und imponiert Man hat bei ihm das Gefühl, als stehe er beim Spiel vor einem Spiegel, der ihm 1 Langsamkeit seiner Bewegungen anempfiehlt Kr gerät in diesem Drama in ein peinliches Ehedreieck hineil aus dem er nur mit Mühe und fremder Hilfe wieder hinan- findet. Schöne Szenen aus der Tütkei geben dem tadelfi* gebrachten Film einen besondeien Reiz. Magnus Stiftci der scheinbar nur für unfreundlich grobe Menschen m Film veiwendet wird, ist der eigentliche Held, um dessen! willen sich zwei Frauen (Chat lotte Schub, und Kat lu Wittenberg) das Leiten verbittern Die Spielkitung hat (wie fernerhin beim Aldor stets) Lupu Pick, der sich ja mit Recht als routinierter Filmherr eines guten Nanu erfreut. EgonJacobsohn Ferdinand Lassalle. Zur Berliner Uraufführung des Rudolf Meinert-Fihns. Bevor man den Film gesehen hat, macht man eine Verbeugung vor Rudolf Meinerts Unternehmungsgeist Nachdem man die sieben Akte mit erlebt hat, spricht man Rudolf Meinerts Regiebegabung seine Hochachtung aus. Wenn man ihm glauben darf, so ist mit dem Bau dieses demokratischen Denkmals schon vor zwei Jahren begonnen worden. Keine Zeit konnte günstiger für den Erfolg aus¬ gesucht werden, als diese Tage, da Scheidemann Staats¬ sekretär ist. Als ob man 1916 geahnt hätte, was heute für eine Stimmung den Sieg davongetragen hat! Dieses soziale Filmwerk paßt in diese Stunden, als wäre es beson¬ ders für die Jetztzeit erschaffen. Der unbedeutsame Zwischenfall des Sonderapplauses, den sich Lassalles For¬ derung nach dem allgemeinen direkten Wahlrecht bei der Uraufführung am Sonntag mittag im Berliner Tauentzien- palast einholte, war ein Existenzberechtigungsschein für Rudolf Meinerts Film. Ich schreibe absichtlich: Rudolf Meinerts Film. Gewiß; es sind, an diesem Werk noch andere ausschlaggebende Kräfte'beteiligt: Ewald An die Dupont und Harry Sheff haben das Manuskript nach Motiven eines Lassalle-Romans von Dr. Alfred Schirokauer geliefert Aber auf ihre Arbeit kam es diesmal nicht so viel an, wie allein auf die Sehüpfung des Spielleiters Wie leicht ist z. B. von den Autoren geschrieben worden: „Konzert des Hans von Bülow!“ Und was ist aus dieser Bemerkung geschaffen worden! Es ist ein Filmsujet, das herauf klettert und hinunterstolpert mit der Person und dem Können des Regisseurs. So sind vor allem die vielen Massenszenen verblüffend wahrheitsgetreu und großzügig geleitet Man achte einmal auf die hier- fidele Ausgelassenheit der Bursehenschafterbilder, aut <ü< unruhige Beweglichkeit in den Gerichtsaufnahmen, auf dir leidenschaftliche Begeisterung der verschiedenen Arbeiter- anspracheszenen. Man vergegenwärtige sich die Moment* da Lassalle vor der enthusiasmierten Zuhörerschaft seil* berühmte ..Käsettenrede hält, da er gegen das Eisern« Lohngesetz Sturm läuft, das allgemeine direkte Wahlrecht fordert, da er vor den paar Berliner Proletariern ob seiner undurchführbaren Refoimideen ausgelacht, niedergo-ehu«' und her unter gepfiffen wird; da er in jenem denkwütüigen Vortrag im Handwerker verein der Oranienburger Vorst ad* die ersten Grundlagen zu dem „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ klai k-gt. Ueberall lugt da Meinerts Hand, Kopf und Stimme heraus. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Inszenierung geschichtlicher Filme in mannigfacher Form ergeben, ba* er zu beseitigen gewußt Er mußte histoiisch w®hiber¬ get reue Typen auf die Beine bringen; alles mußte Geist, die Mode, das Aeußere von 1830—1864 tragen Nichts duifte da frei ersonnen werden: die Phantasie in Fesseln gelegt. An ihre Stelle trat hier das Wb«® Denn im Parkett und Rang saßen etliche Man»«- die sich noch allzu genau jener Tage des erwachen»® Sozialismus zurückentsannen; die Lassalle und sein'' ^ weh persönlich gekannt hatten; die höhnisch gtrna*®" den Kopf geschüttelt hätten, wenn ein Westen kt < pf Tintenfaß oder ein Kutschei hut, ein Wandgemälde Rockschärpe oder ein Schutzmannssäbel nicht die