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No. 642/43 Der EinemAtofraph — DSsseldorf. Diktatur des Proletariats stelleu mußten. Das Kino ist zum Werbemittel für die kommunistischen Ideen geworden. Schon früher als bevorzugte Stätte der Schaulust bei Arbeitern, Kleinltürgern und .Mittel- ständleru in großer (juiist, ist >s jetzt durch die Gratisvorstellungen zur Hochbuig der kummuni.sti- scheii Propugaiula geworden. Ih-r ungarische An¬ alphabet kann von der Kinuleinvaiid in plastischen und bewegten Bildern ablesen, was den Lesekundigen die Leitartikel der roten Presse an Glück und Zu- kunftshüffnungen verheißen. .\us der ganzen Bewe¬ gung leuchtet als roter Faden das Bestreben hervor, aufgefangeue Phrasen künftiger Verbesserungen, Re¬ formen und Notwendigkeiten raschest in gesetzmäßige Formen zu pres.sen. So hat irgend jemand der Ge- .setzesmacher auf eigene Faust mal irgendwo etwas von der „Schädlichkeit“ der Operette und des Varietes gehört oder gelesen. Flugs hat er eine Gruppe bei¬ sammen, die stolz auf ihre Kulturtat, kurzerhand den Betrieb von Operettenbühnen, Cabarets und Variöt^s verbietet. Der Verstaatlichung des Filmwesens war von der alten ungarischen Regierung ein Zeitraum von zwei Jahren zugedacht. Der Kommunismus ar- lieitet rascher. 24 Stunden genügten, Filmindustrie und Filmstätten zum Staatseigentum zu machen. Frei¬ lich, die Kinotheater braucht man, um die Massen bei guter Laune zu erhalten, ihnen neben Brot auch Ver¬ gnügen zu bieten. So wird darauflosgekurbelt, was Platz bat. Noch reichen die Negative für Film neuaufnahmen kommunistischen Inhalts. Vielleicht noch zwei bis drei Wochen, vielleicht auch nur so¬ lange, bis Budapest ausgehungert ist, und der Hunger den KommunLsmus mit samt seinen Führern und Ver¬ fechtern expatriiert I Filmdramen mit eigener Musik. Line alte Sehnsucht aller wirklich musikalischen Kinobesucher und alljr, wirklich für den Film be¬ geisterten Kiiiomusiker wird in letzter Zeit mehrfach erfüllt. Es ist die Opferwilligkeit von Seite einiger großer, fortschrittlich gesinnter Filinfanriken, zu be¬ deutenden Filmen die Musik durch namhafte oder noch unbekannte Komponisten schreiben zu lassen. In den meisten F'ällen, in dei.en di3S bisher geschehen ist, bedeutete das Gesenehen eine arge Enttäuschung. Sie -esultierte vor allem aus einem Fehler, welcher prinzipiell ist. Noch ist kein kleiner Film mit eigener Musik in die Welt gegangen. Was wir an eigener Filmmusik kennen lernten, das war den vielaktigen, den Sensationsfilmen unterlegt. Für unbedeutende Filme rentierten sich die Kosten nicht. Und der Kostenpunkt ist es, welcher zwischen die Entwick¬ lung der Filmmusik sich drängte, der die Entwick¬ lung störte. Wären beizeiten die filmmusikalischen Versuche am kleineren Objekt vor sich gegangen, so hätten sie bei den großen Filmen vermieden werden können. Jetzt enthält alle und jede Musik für den Film, soweit sie eigens für inn komponiert wird, ledig¬ lich Fehler und keine Vorzüge. Doch seien w r gerecht gegen den Filmkompo¬ nisten. Er bekommt den Auftrag auf Ferti^-stellung der Musik für einen, nündestens vier Akte langen Film. Nach bekanntem, aber nicht gerade muster¬ gültigem Brauch muß die Musik so lange erklingen, als noch ein Endchen Handlung auf der weißen Fläche sichtbar ist. Folglich muß der Filmkomponist den Film durchkomponieren. Musiklose llandlungsstrecken darf es nicht geben. Und da es andererseits im Film selten eine Handlung gibt, die an einem bestimmten Leitmotiv festhalten würde, da jeder Film überdies seine Stärke in der Wechselszene und in der Bunt¬ heit des Szenenwechsels sucht, gibt es auch für den Komponisten keine Wiederholungen in der mehr oder weniger reichlich fließenden Melodie. Phantasien für Orchester oder für Salonkapellenbesetzung zu schrei¬ ben, das ist gleichfalls ein Unding. Ebenso undurch¬ führbar ist es, daß irgend ein Komponist derart reich begabt wäre, daß er seine Erfindungsgabe absolut und unbedingt dem Filmsujet anpassen könnte. Es ist jeder Komponist eine Individualität nach der musi¬ kalischen Seite hin, d. h., er ist entweder Lyriker, Epiker. Dramatiker, er ist Symphoniker, Liedkompo¬ nist oder auch Genreiausiker. Gewiß wird es ihm gelingen, alle diese Arten mu.si&alischen Ausdrucks anwenden zu können, doch immer wird er auf einem dieser Gebiete seine besonde.»-en Stärken, seine be¬ sonderen Schwächen offenbaren. Nur der F’ilmope- retten-Komponist kann ein mu.sikalisches Ganzes schaffen, eben, weil die Filmoperette an und für sich schon aus Genres sich zusammen-etzt. Der Kom ponist, dem die Aufgabe zufällt, einen dramatischen F'ilm durchzukomponieren, wird immer wieder auf seine stärkste Ader zurüekkommen müs.sen, er ist kein Gott, er kann des F'ilms wegen nicht über sich hinaus. Das aber ist die Essenz aller F'ilmmusik, daß sie durch das Vielerlei zu wirken hat. So wie die Kino kapellmeister sich bemühen müssen, zu den Filmen die Musik aus allen Zeiten, aus allen Richtungen und von vielerlei Komponisten zusammenzusuchen, so muß auch die eigene F'ilmmusik nicht von einem Kompo nisten allein verlangt werden. So lange nämlich die großen Filmdramen sich derart aufbauen, daß da-s Vielerlei wichtiger ist als der poetische Grundge danke. Was verschlägt es also, wenn nicht einer, sondern wenn mehrere Komponisten zur Schaffung der Filmmusik herangezogen werden? .Sie werden jedenfalls mehr musikalische Abwechslung in ihr Schaffen bringen, wie dieser eme Komponist, der sich mit der Riesenarbeit abzuquälen hat, vier und noch mehr lange Akte mit Musik zu versehen. Gewiß wird vielen Kinorausikem dieser Vorschlag absurd er scheinen. Diesen Zweiflern kann ch nur raten, solch eine, von einem einzigen F'ilmkomponisten geschaffene Musik eine Woche lang täglich zwei- bis dreimal spielen zu müssen. Er wird dann sicher meiner An¬ sicht werden, die ich aber durchaus nicht in der angegebenen Weise verfechten will. Sie soll nur eine Anregung darstellen, sie soll einen Weg zeigen, auf dem die willigen und fortschrittlichen Filmfabriken zu besseren Resultaten als den gegenwärtigen ge langen können. Von allen eigenen Filmmusiken hat bisher noch keine einzige vor der Kritik und vor dem Publikum bestanden, während weder die Kritik, noch das Publikum an fremder, an unterlegter Filmmusik viel auszusetzen hatten, wenn ein geschmackvoller Musiker sie zusammenstellte. Dieser letztere Umstand gibt sehr viel zu denken. Poldi SchmidL