Der Kinematograph (September 1919)

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Zur Reform der Filmkunst. K. Oenennctier Lut in .seinem vorzüglichen Auf salz über die „Zukunftsaufgaben" (Kiitemaiograph Nr. ti'U) unerschrocken eine Wahrheit ausgesprochen über die sich mancher noch nicht recht klar geworden ist, ja. die mancher vielleicht als eine [tersöiiliehe Beleidigung auffassen könnte. Kr satft: ..Noch hn;e nicht haben wir heute auf irgendeinem Gebiete ein bestimmtes Ziel erreicht, einen festen Punkt ge¬ wonnen. den mau nun etwa für ein .Vienscheualter als solide Basis ruhigen künstlerischen Schaffens he nutzen könnte.“ Wie gesagt: manche könnten sich he leidigt fühlen, da wir es ja in der Filmbranche so herr¬ lich weit gebracht haben. Und doch wer sähe nicht die Unreife, Halbheit, UuVollkommenheit! Hier soll nicht von technischen Dingen die Rede sein. Dali Äb T' , 'hmk äHNkh WfttaT IvImMM, 4m ult uns als ausgemacht. Aber auch die raffinierteste Tech uik wird uns nicht darüber hinwegtäuschen können, daß das Durchschnitts-Kinoetßck immer noch zum Ramsch gehört, Ja. angesichts der fortgeschrittenen Technik und der sonstigen geistigen Kmingenschaftcn unserer Zeit fühlt man sich mitunter versucht, bei dem Inhalt so mancher Kinostücke von Atavismus zu reden, l’nd darum wirkt ein solcher Satz, wie der oben zitierte, wie eine Befreiung. Dem einen ist es •'ine Selbstverständlichkeit, dein anderen eine Torheit. Nur der Parvenü, der Spießer, der seine Umgebung nur aus der Froschperspektive zu ltetrachten vermag, sagt heute: „Es ist erreicht!“ Nein und dreimal nein! Trotz der rasenden Entwicklungsgeschwindigkeit des Films während der letzten Jahre ist der „Geist“, der sich im Film festgenutet hat, zurückgeblieben. Der Film von heute ist im großen und ganzen immer noch derselbe, wie der Film von gestern: Talmi. Flitterwerk, ein Kitzeln an besonders empfindlichen Körperteilen, ein Totti-Frutti von Bluff und Seichtheit, bestenfalls Routine, aber noch keineswegs Kunst. Und dann die Titel! Alles, was recht ist — man braucht kein Mucker zu sein aber gewisse Titel werden dem Kino keine wertvollen Freundschaften vermitteln. Zudem zeugen sie von einem Emhryonalzustand des Geschmacks. So sehr auch die bisherige Aufwärtsentwicklung de> Films zu begrüßen ist (denn es ist hier und da wirklich auch geistig auf wärt «gegangen), so muß doch immer wieder betont werden: der Fi.m von heute ist nur dazu da, um überwunden zu werden. Was kann geschehen, um ihn zu überwinden? Der Film darf nicht nur vou außen neu aufgeputzt werden, die Erneuerung muß von inmn kommen. Der Gehalt ists, der reformbedürftig ist. nicht die Auf¬ machung. Und für den Gehalt ist der Filmautor ver antwortlich. Deshalb darf er nicht nur „sein Metier verstehen“, er muß verstehen, als ein Drama oder Lustspiel nach film technischen Gesetzen aufzubauen, er muß mehr können, als nur das Publikum zu inter¬ essieren und durch allerhand Tricks zu blenden, zu bestechen, zu übertölpeln. (Dies soll nicht gegen den ausgesprochenen Trickfilm gerichtet sein.) Der Film dramatiker muß vor allem das besitzen was der Fran¬ zose „esprit" nennt. Er muß Künstler seilt. Man muß genießen können, wie dieser Künstler die Schick salsfäden spinnt. w r ie er sie verflicht und wieder ent wirrt. Nicht nur der Darsteller, auch der Autor muß Expressionist sein, der seine Ideen, seine Gedanken, sein Leben durch den Film hindurch auf die Menge übersprühen lassen muß. Es gibt heute noch so uu glaublich viele geistlose Filmstücke, in denen die ner¬ vöse Hast des Dargesteilten über die Oede und Leere des Inhalts hinwegtäuschen soll. Hier tut Wandlung not. Hier muß der Autor in die Bresche treten. Er muß selber was sein, um etwas scheinen zu können. Denn was den literarisch Gebildeten immer vom Kino f enthält, abstößt, wegzerrt, weg ekelt, das ist das Schlagerwesen, der Jahrmarktslärm, das unfeine K> klamegetute, die Plattheit und Oberflächlichkeit. «In Scheinkunst, die Afterkunst.