Der Kinematograph (November 1919)

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Der KinematograDb — Düsseldorf No. 671 Entrüstung stehen alle gesund und reinlich denkenden Menschen, vor allem die Frauen und Mütter und nicht minder die um das Wohl der heranwachsenden Jugend liesorgten Erzieher der Tatsache gegenüber, dal! sich heute im Kinowrsen der Behänd, das Minderwertige, das sittlich Anstößige so hreit macht. Es kann nicht geleugnet werden, daß der größte Teil der gefallenen Mädchen, mehr als die Hallte aller Dirnen durch den regelmäßigen Besuch von Kino Vorstellungen auf die a b s c h ti « s i g e B a h n gebracht worden sind." Wie gefeilt Ihnen, Herr Piofessor < <eorg Fuchs, diese unerhörte Pauschal Verdächtigung 1 Wo sind die Beweise, wo das statistische Material für diese aufwieglerischen Phrasen ?! \ber es kommt noch Irwr' Eine weitere Hednerin, <me Frau Oberstabsarzt Dr. Fried, hat ..auf (.'rund lang¬ jähriger praktischer Erfahrungen auf dem < lebiete des Kinder Schutzes“ die fürchterliche Behauptung aufgi stellt. „daß in jede m z. weit e n oder h ö e h - Utens dritten Fall die Ursache zur Be¬ gehung einer Straftat der Besuch des Kinos war. Auch Frau Dekan Prieser richtete namens dis Evangelischen Frauen verein.- tiefbewegten Herzens die Mahnung zur Mitarlieit an die Versammlung; schon der erste Besuch eines Kinos kann eie Kind ver¬ derben. “ Und SQkhe, durch gar nichts erwiesene Behauptungen werden in die Massen hinausgesehrien. - so vergiftet man das gesunde Urteil des Volkes, so wird pauschal weise vet dächUgt, weil eine kaum SS Jahre alle Industrie in ihrer Entwicklung da unil dort noch gewisse Entwieklungsstörungen und Behwankungen zeigt. Mit demselben Recht müßte mau die garee Malerei verdammen, weil es Kerls gibt, die unzüchtige Bilder malen; müßte man die Dichtkunst aus¬ rotten, weil es Kerls gibt, die schweinische Verse schreiben, usw. usw. US» . Wahrlich, wäre die Sai-he nicht so unerhört traurig, man möchte a n liebsten hellaut aufla«dien, denn sehtießlieh muß man sieh sagen: Sehnit soviel Ihr wollt. Ihr (derne- große, die Filmend ist so stark und so gesund, daß sie über Kuch hinweggeht' Das wird sie sicherlich, sehr verehrter Herr Professor (borg Fachs! Oscar (Seiler Neues aus Holland. Haag, den 3. Novembe- Ittl» lhe Zensurf rage hat l»ei uns wie Ix-i Ihnen und unter¬ wärts die größte Aehnliehkeit mit ter Ar eit der Blindiuulle ui Deutschland Maulwürfe genannt. IX-i (Partner hat kaum ein paar ilcr Oesellen im schwär eil Sa nt kit te! erlegt und die ärgerlichen Resultate ihrer Miniertätigkeit sorgfältig mit dem Rechen beseitigt, so act-.en schon neue Finsterlinge ihr böses Handwerk fort. Oefters scheint die Zensur frage in ruhige Bahnen geleitet und durch Verständigung gel st zu werden, da fährt die Berserker» nt iler Zeloten wieder dazwischen und wirft alles «her den Haufen. V orläufig ist sie hei uns den ein-.einen Ocmeinden überlassen und wird hier mit Eifer, dort gar nicht, zuweilen mit, mehs noch uh ne Einsicht und Verstand von „berufenen" Unberufenen voigenommen. ganz wie es der Zufall schickt. Wenn bei »len Kinogegnem nicht eine Voreingenommenheit, cimlie Blind¬ heit der Maulwürfe iiliertreffendes Vorurteil, Triebfeder ihrer liimmelanstürmemlen Tapferkeit wäre. müßte ihnen der mihaltbaiv. jeiles Rechtsgcfiild iilter den Haufen werfende Charakter der gemeindlichen Zensur längst zum Bewußtsein gekommen sein. In England war es bei der Erörterung der Zensurf rage <ler RegierungsVertreter, welcher die Erklärung ahgate ..Das Kino ist heute die g 'eignetet*- Stätte für die breitesten \ ulk.ss -liichten, wo es Zerstreuung. Betehning und Ableitung von einem den Alkohol f irdernilen Wirtschaftbesuch sucht und Findet. Es ist nicht angängig, ihm die Befriedigung dieses seinen Neigungen entsprechenden Bedürfnisses durch überflüssige und un weckmäßige Bcvortmindung zu he- schneiden." Die Regierung drang darauf, daß lad Einrichtung einer Zensur dies, geeigneten, sachkundigen Männern an vertraut würde, die Regierung wies daraufhin, daß es sich »nt eine hochentwickelte Industrie mit rinem feinen Mechanismus handele, an dem unk.,nilige Hände nichts verloren hätten. Dort ließ man rieh vom gesunden Menschenverstand und nicht vom (bist des Rückschrittes leiten, der nicht begreifen will, daß sich die Erde dreht. Bei uns hat man sich di«- Sari«? bequemer gemacht der Auswahl der mit der Zensur Beauftragten gibt weniger die Zuverlässigkeit ihres Urteile«, die Lauterkeit ihrer Motive den Anschlag, als die Lungenkraft der Kandi¬ daten und die Fähigkeit, das nicht immer einwandfreie eigene Interesse hinter angeblich vor ihnen vertretene Partei nteressen zu verbergen. Schild;., die Heimat der Schildbürger, liegt in Deutsch¬ land. Schildbürger gil t es ahei auch bei uns. Eine Auslese solch vergnüglicher Zeitgenossen stellte nach tiefgründiger Beratung allen Ernstes den Antrag, die Eilmzrnsur für ganz Amsterdam einer einzigen Person zu übertragen Einer unverbürgten Annahme zufolgi' sollten sie für die Bewäl¬ tigung dieser langsam, aber sicher für das Irrenhaus reif maeilenden Tätigkeit Herrn Professor Brunner in Aussicht genommen haben. Der Amsterdamer Bürgermeister Tellegen hat den Antrag kurzerhand abgelehnt, ohne daß es zur Präsentation ihres Kandidaten gekommen wäre No erheiternd dies kleine Intermezzo ist, so bitter ernst ist die Lage. Die (bmeindezt nsur mit ihren sieh wiiler- spiechenden Entscheidungen (teilt eine offenbare Ungi- reehtigkeit, einen Unfug gröbster Art dar. Die in Aussicht gestellte Reichszensur würde wohl alle mit gleichem Maße messen, verspricht ater noch keine wirklich nachhaltige Besserung. Das Wort führten l»ish»‘r ausschließlich die Kinogegnci, Presse und Behörden wurten von ihnen syste¬ matisch und gründlich bearbeitet Die Treiber sind auf¬ gestellt, das Kessel trüben kann beginnen. Fabrikanten. Verleiher und Iicbtbildtheaterbesitzer haben tue Mahnungen der Fachpresse in den Wind geschlagen und werden, wenn sie nicht in letzter Stunde aus ihrer Lethargie erwachen, ein böses (blage zu bezahlen haben. Wählend unsere Kinoleute die Entwicklung der hier¬ zulande sich abspielenden Vorgänge mit einer li-m iik-ns- werten Ruhe betrachten, werden sie um so lebhafter und hellliohrigcr. wenn die deutschen Verhältnisse zur Er; riening gelangen. Die vom Reichsminister des Innern verheißene Zensur, Reichsmonopol und Kommunalisierung werden eifrig nach allen vier mit den Kinnen wahrnehmbaren Dirnen sionen hin besprochen. Man fragt sich unwillkürlich, womit bei unserem reichlich vorhandenen Phlegma und der aus¬ gesprochenen Abneigung, sich um fremde Angelegenheiten - u kümmern, dies hochgradige Interesse zu erklären ist Das eigene Haus brennt, und da steht man mit den Händen in •len Hosentaschen und starrt leuchtenden Auges ii« die Mammen des Xachbardorfes. Das Rätsel wird gele-t. wenn