Der Kinematograph (November 1919)

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No. 672 Der Kinematograph — Düseeidorf Herr Mysing tut mit seinem allgemeinen Urteil zunächst schon den Künstlern Unrecht, deren -Arbeit wir auf der Leinwand an unseren Augen vorüherroden sehen. Die Arbeit des Regisseur«, hier, ist eine künstlerische Leistung genau so gut wie die Arbeit des Regisseurs einer Riihne künstlerische Arbeit ist, l'nd die Darsteller — ich will ab¬ sichtlich nicht von den eigentlichen Nur-Filn.größen reden, ohne im entferntesten daran zu denken vielen von ihnen künstlerische Qualitäten absprechen zu wt len —. ich glaube, die hervorragenden Größen unserer Bühnen, ein Wegener. Basse rimuin. ein Adolf Klein und viele ardere, würden sehr überrascht sein, wenn man ihre Darbietungen vor dem Kurbelkasten nicht als in ihrer Art ebenso vollwertige Thea" und ,,Die Liebschaften der Käte Kellermann' . sowu die Verfilmung des Romans „Die Verführten ". Ich bin also der Ansicht, daß der Film, der. wie heut die Dinge liegen, zwar leider viel zu oft kein anderes l'rteil als das des Herrn Mysing verdient, trotz tausendfache! Mißbräuche eine künstlerische Angelegenheit von hoher Graden sein kann, und daß er dann sehr wohl beanspruchen kann künstlerisch vollauf ernst genommen zu werden. Auch ich bin, wie Herr M\ sing, der Meinung, daß der Film literarische Ansprücla* nicht erheben kann, aller nicht, wie er meint, deswegen, weil der Film nur Kitsch-, Schauer und Hintertreppenromane, berechnet auf die niedrigste Sentimentalität des minderwertigsten Publikums, liefern vollwertige künstlerische Leistungen anerkennen wollte, wie diejenigen M könne, sondern deswegen, weil er seinem Wesen nach Jitera r dem Souffleurkasten, selbst wenn sie sich, was ich mcht*iische Ansprüche gar nicht erheben kann und daher auch weiß, und was mir auch unerheblich erscheint, dem Film des Gelderwerbs wegen verschrieben halten sollten, worin Herr Mysing den einzigen Grund für dies*- Preisgabe ihrer Kunst sehen will. Ich glaulie nicht, daß sie sich im geheimen gestehen müssen, sie hätten ihn- Kunst dadurch, daß sie sie in den Dienst des F'ilms gestellt haben, prostituiert. Das hiauchten sich unsere besten Bühnenkünstler vor allem da nicht sagen zu lassen, wo sie in guten Filmen tätig sind, deren wenigstens theoretische Möglichkeit doch auch der Verfasser jenes Berliner Briefes nicht bestreiten kann Es gibt nicht nur Hintertreppen- und Schauerfilms der Sorte, die Herr M\ sing zu seinem harten Urteil gebracht haben, und deren immer neue Erzeugung, der guten Sache des F'ilms. wie das Beispiel des Mysingschen Briefes mit voller Deut¬ lichkeit zeigt, nur aufs schlimmste zu schaden geeignet ist Ich kenne auch gute, sogar sehr gute F'll nur hau spiele freier Erfindung, die mit glücklicher Hand mitten aus dem Leben gegriffene Stoffe behandeln, ohne all die Unmöglichkeiten ur.d Hintertreppen-Sentimentalitätenderviel zu vielen Kitsch- jfilnie. Ich kenne recht gute Filme, die geschichtliche Vor¬ gänge in vornehmer Art. historisch getreu und künstlerisch wiedergegeben, sowie solche, die ihre Stoffe dem Reic he einer E. T. A. Hoffinannschen Phantasie entnommen halten. Ich weiß keinen Grund, warum solchen Filmen der künstlerische Wert abgesproehen werden müßte, wenn man die gebührende Rücksicht nimmt auf die Eigenart der Filmkunst und nicht mehr von ihr verlangt, als sie leisten will und leisten kann Ebensowenig ist zu sagen gegen die Bearlieitung von litera¬ rischen Kunstwerken für «len Film, sei es eines Schaupsiels. sei es eines Romans, die Sinn und Inhalt richtig, vollständig und würdig, den Intentionen des Schriftstellers entsprechend, wiedergibt, ohne derartige Zerschandelung und Entstellung des Originals, wie Herr Mysing sie bei den von ihm zitierten Beispielen im .Sinn hat Auch derartige Filme gibt es, und wenn ich recht sehe, erfreuen gerade sie sich in letzter Zeit einer steigenden Beliebtheit, vielleicht weil dem Geschmack des Publikums durch so manche Film schau spiele freier, „dichterischer"' Erfindung, die besser ungeschrieben ge¬ blieben wären, allzuviel zugemutet worden ist. Ich kann mich liier auf nichts bessere« als auf die Tatsache berufen, daß kein geringerer als Gerhard Hauptmann seine „Rost 1 Bernd” nicht für zu schade gehalten hat, um sie dem Film zur Verfügung zu stellen. Ich nenne als besonders glückliche Beispiele, die in letzter Zeit bei der Maxim-Film-Gesellschaft her&usgekommonen Bearbeitungen der Romane: „Arme «ine» Wissen« nie erhoben hat: denn er wirkt nicht, wie diejenigen Kunstwerke, die wir in ihrer Zusammenfassung Literatur nennen, durch das geschriebene Wort Vielmehr halien wir es beim Film mit einer neuen ihm! in höchsten Grade eigenartigen Kunst — sui gencris, sagt der Lateiner zu tun, die. gerade unter Veracht auf das geschriebene oder gesprochen« 1 Wort, ein«* Reihe von dramatisch bewegten. Iel»en«ligen. photographisch hergestellten Bildern gibt, deren ganze Folge, in Worte übersetzt und niedergeschrieben, ein literarisches Kunstwerk, sei es geschichtlichen, sei es rein poetischen Inhalts, darstellen würde. Von einem F’ilinsehan spiel, das diesen Erfordernissen entspricht, behaupte ich kühn, daß es eine künstlerische Schöpfung ist. Solcher Filmstücke liesitzen wir zurzeit noch viel zu wenig. Aber die wenigen, die wir haben zeigen uns da« Ziel, zu dem die Entwicklung der Filmkunst führen soll Sie kann ihre Ziele gar nicht hoch genug stecken, und sie kann sie erreichen, diese wunderbare Kunst der unbegrenzten Möglichkeiten. Hier steht der Film nicht am falschen Platz wie Herr Mysing ineint, sondern gerade am rechten Platz Darum sind überaus freudig zu begrüßen alle Bestrebungen, die darauf hinziclen, wahrhaft gute, in dem genannten Sinne künstlerisch wertvolle F'ilm«> zu schaffen, solche nämlich, die durch ihren Inhalt und dessen Wiedergabe den höchsten künstlerischen Ansprüchen zu genügen vermögen, die an einen Film nur gestellt werden können. leh glaube, daß wir, so schwach auch noch die Anfängt« zu erkennen sein mögen, und so groß die Zahl der immer noch fabrizierten minder wertigen und weniger als nichts werten F'ilnu 1 noch sein mag, in dieser Entwicklung nach olu-n bereits begriffen sind Und von den schauderhaften Kitschfilmen. die wohl nie ganz verschwinden werden, weil jedes Publikum die Kunst und die Filme hat, die es verdient, hoffe ich das eine gute, daß das künstlerisch geschulte kritische Publikum mit seinen immer gesteigerten Ansprüchen sieh jene Mißgeburten je länger je mehr verbitten, und an ihrer Stelle ausschließlich F’ilmschöpfungen von hoher, ja von reinster künstlerischster Qualität verlangen wird. Sind wir erst dahin gekommen dann werden, des hin ich gewiß, auch diejenigen, die Film kunst als eigenartige, vollwertige, lebensstarke Kunst freudig anerkennen, die sich bisher mit ihr nur, wie der Verfasser jenes Berliner Briefes, als mit einem Uebel. mehr oder minder gut abzufinden wissen Walter Weise. Ibisseldorf Die Kommunalisierung. Die Konununalisieningsfrage steht im Augenblick un¬ bedingt im Vordergrund jeglichen Interesses Zum min¬ desten ist sie so wichtig wie die Angelegenheit der Zensur Die Theaterbesitzer haben an der Kommunalisierungs- f rage das größte Interesse, und so ist es weiter nicht verwunder¬ lich. wenn sie am meisten und intensivsten sich mit ihr be¬ fassen. Der „Verein der Lichtbild-Theaterbesitzer Groß Berlin“, dessen Rührigkeit anderen Vereinigungen als Vor¬ bild dienen kann, hatte eine Versammlung seiner Mitglieder einberufen und den Abgeordneten Dr. Pfeiffer als Redner zu dem Thema „Kommunali sierung der Kinos“ gewonnen In der voriger 1