Der Kinematograph (October 1920)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

.W 718 Der Kmemfttograpb DOMeldon KrH'Ki'KerichtiU'at Beyer, bi»bei l,.eipzig. umi Fräulein Anna von Gierke. di« eiieaialige deutfuhnationale Ab^MirditeU*. Gegen die Enieniiuii^ des Fräukdu von Gierke iniiU von aeiteu der geaaniteii li ciuatrie mit allerf Mitteln Stellung genommen werden. Datt Fräulein war h«>kanntlieh N'oi’Nit/eiide der Kon>mis.sion, die ims da» fanioee Keicha- kini>u<-.setz iM-svhert hat. Fräukdn ion Gierke bewänt (Uunala aehr wenig Ver*tandniH )ür da« Wewen d«*r Kinematogmiih». .\u<h Herr Beyer dürft« erst noch seine Fähigkeiten fi einen so veraiitwurtungsrmeheii Posten zu beweisen habefc - Wer hat Fräulein von Gierke und Herrn B»*\. r N'orsehlag gehraeht f Es ist enillich an der Zeit, dail < energischer Kampf gegen die Maulw iif der Filmkunst einsetzt. Uelienaitigung ?_ ln feuilk-tonistischeii Betrachtungeii der Tagespresse kann man, meist mit dem l’nterton stiller (kmugtuung isler reiner Schadenfreude, iteutrdings immer und immer wuKk r lesen, <lall eine Uebersättigung des Publikums mit Filmen eingetreten sei uml das allgemeine Interesse der Mas.-s n am Kino schwinde, ln der Fachpresse wird wider sposhen. Was ist Wahrheit? Wenn das heutige Kinopublikum gegenüber dem vor zehn Jahren wählerischer geworden ist und die Kritik gelernt hat, wenn es minderwertige Filme zurück weist unä erst genau das Programm studier*, bevor es sein Geld für Kino¬ darstellungen ausgibt, so kann mau das natürlich nicht als reliersättigung" bezeichnen. Im Gegenteil — es ist ein Beweis für die erzieherischtMi \Virkungen des Kinos und seinen EinfluU auf die Geschmacksbddung. Früher nahm das Publikum den Film fast stumpf entgegen; das Interesse be-whränkte sich mehr auf die t^hnische Leistung als auf die künstlerische. Heut applaudiert man, oder man lehnt ah das ist ein großer Fortschritt. Und dennoch - wemi man die Theater selbst häufig iM'sucht, mit Leuten spricht. Ansichten austaiuoht, um sich lashd und lauscht, dann vermag man das Wort von der l'elMTsättigung des l^ublikums nicht einfach ins Gebiet der Falad oder der üblen Nachrede su verweisen. Nein;*es besteht tatsächlich eine Uebersättigung. Nur, und das ist das .\us8chlaggebende, sie besteht nicht nur dem Kino gegenüber, sondern ist auch im Theatw, in der Literatur, der Kunst, in unserer gesamten Kultur deutlich wahrnehm¬ bar. Wir sind übersättigt. Warum ? Weil wir enttäuscht .sind f .\uch das. ln ibr Hauptsache aber wohl deshalb, weil man uns tatsächlich mit l^nsationen, mit unerhörten Ge«cheuniBaen,Jmit großen Worten und kühnen Gedanken iiiiR>rbalb des letzten Jahrzehntes dermaßen überfüttert hat, daß eine seelische Verflachung^natumotwendigi Reak¬ tion wurde. Wir sind übersättigt. Haben uns nicht Literatur und Bühn« auf steileiHöhm und an schwindelnde Abgründe geführt, ohne daß ein Ziel erreicht wurde I Hat nicht eben die Strindbergepoche uns in den tragischsten Tiefen der Seele erschüttert, ohne ihr einen neuen Inhalt su bieten ? Ut nicht Hauptmann, der in der Weberzeit zum Führer der Massen berufen schien, mehr und mehr individueller Genuß liUTariscber Feinschmecker geworden t Wedekindf Oder selbst die um Toller 14 Unsre aufgepeitschten Nerven ver¬ mögen nicht mehr übeFdie psychologische Sensation hinaus zufühlen. Wir sehen kein ZM mehr, wir erblicken nur^noeb ein Chaos, in dem sich die roten Fäden der geistigen Ent Wicklung verliereo. Und wir wenden uns ^mä^oh ab, resignieren. Ja, wir sind übersättigt Versprach uns nicht die Kultur ein Paradies auf Eraen und stürzte sie uns nicht dann in die Hölle des Krieges' Wer vermag heut< ds Wort Kultur anders anszusprcchen. als mit eim-iii tisf-hen Lächeln um die Lippen! In (k-r Malerei nimmt man's schon humoristisch diese auf .ismus" endigenden Evangelkm bedeut ' die Menge ht's-hstens Si-hlagworte. Man iiitoressicM - zunächst, man lächelt bald uud wendet si( h schlieUli< h ohne das wertvolle Gefühl lies .Xbschiudnehmeiis zu t-nl finilen. Man ist eben übersättigt. Noch vor einem Jahre schien alles Kuvolutioii. gehaiv Draufgängertum, in Kunst, Literatur, in allem fJ-- Aber der kreisende Berg gebar auch hier eine .Maus, -i- glaubt man auch den Verspn«chungeti nicht mehr. IVhä Sättigung l'nd so maeht sii h dtmn auch in der Region ik»' F ' di« Uebersättigung fühlbar. Wäre es anders, wäre - - J* normal. Die Uebersättigung ist kein« Pleite, sk- ein Symptom der Zeitmüdigkeit. Die Zeit, die sich ^ auch im Film widerspiegelte, hat abgewirtsebafu-t. der Sensationen, der Autozusammenstöße, der V'erbi jagden, der blinden Anbetung des lierühmteii N der bänaien Sentimentalitäten, der Effekthatic!ien> GötiehVerehrung, der tönenden Phrase, der profane ; achlachtung setdiseber Geheimnisse und der plumpen fikationen. Viele wenden sich ab und warten aul ' Ziele und neue Wege. Sind neue Ziele und neue Wege - den, dann ist auch beim£FUm, wie in un.serer gi- i'«'-' Kultur, die Uebersättiguiig überwunden, und das Is '' erstarkt von neuem. Wessen Aufgabe aber ist es neue Wege und Zn-k finden! Soll (Se Literatur vorangebeii. die Bühiw. Wiaaenschaft I Oder sollte, für uns noch ein unfalW»-’ Gedanke, diesmal der Film eine neue Epix-hc geisti^'r Wicklung einleiten ? Der Film, der bisher tatsäi-hli' h in den Fußtapfeii Vorangegangener wandelte, «ler ' • ■, Bühne die Schauspieler, von der LiWratur die Gi-Janw von der Technik die Sensationen entlieh ? .Streng* ' Köpfe an, Fllmdiehter'und Regisseure! Streift euer Kpi«* tum ab! Geht auch ihr einmal der Kultur bahiibo - voran — dann wird man nie mehr von einer l’elierM ' des Kinopublikums allein reden können, ohne gl' i eine allgemeine Kulturübersättigung der ganzem M< in konstatieren. So oder so — die Periode der Uebersättigung überwunden werden, weil sie^überwunden werdet» Noch fehlen alle Anzeichen, in welcher Richtung ^ geistige Entwicklung einsetzen wird. Auf alk* Ftilk heißt es, die Au|»n offen zu halten i nd den Zeit zu fühlen, damit der Film wenigstens nicht j hinterdxeinhinkt, wenn er^nicht als Bahnbreclu i sohieitet. Sonst — könnte eine wirkliche U. i'«'-' " ' einkreten.