Der Kinematograph (November 1920)

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No. 721 Der KlDemetOfrepb — DBaeldort noch die Kunst moderaster Dramendichter. Der Dichter kann auf der Bühne die großen Schauplätze, die freien Landschaften, das weite Meer, die fernen Steppen, Großstadt und Fabriken Höhen und Tiefen nur im kleinsten Ausschnitt wiedergeben oder durch das gesprochene Wort, durch die epische Mitteilung, ersetzen. Von den sonstigen Sc iwierigkeiten, die fiu- jedes bühnengerechte Drama im Prinzip der Bühne gegeben sind, will ich aus Baumnangel schweigen. Ich denke an die phy-sischeu Grenzen des Schauspielers, an die unvollkommene Bülineupolitik und Akustik. Alle diese Mängel beschneiden .laturgemäß die dra¬ matische Konzeption und das Wollen der Regie. Diesem Zwang konnte ein dramatischer Dichter nur entgehen, wenn er für seine dramatische Kon¬ zeption eine andere Form suchte, in der alle dramatischen Möglichkeiten seiner Ideen, ohne Rück sicht auf die Bühnenenge, eine Verwirklichung finden konnten. Er wählte das Buchdrama oder, um auch dem szenischen Aufbau ein Valet zu sagen und große Handlungskomple.\e zu schildern, den Roman. Die dra¬ matische Handlung wurde in eine epische Form ge¬ gossen. Der Roman, dessen Inhalt sich vor unserem geistigen Auge abspielt, mit Kon likt, Spannung, Peri¬ petie. Lösung der Handlung, ist seinem innersten Wesen nach, immer noch Drama, trotz des Verzichtes auf den Ouckkasten der Bühne. Das Roinandrama ist das „Kino der Seele“. Diese Bezeichnung kennzeichnet schon im voraus die Stellung des Bomandramas zum Lichtspiel, denn diese ganze Dramatik, in der unsere Phantasie sich nach Herzenslust au^oben kann, und die über die heutige Bühne hiuausgcl\ wird im Licht¬ spiel „theatralisch“ wiedererweckt, verlebendigt. Was der Roman schildern, die Bühne aber in ihrer technischen Ohnmacht nicht verar-schaulichen konnte, erlebte im Film seine zauberhafte. Bildwerdung. Das rein Epische, d. h., das Schildernde und Beschauliche, wurde verbannt und machte dem eigentlich Drama¬ tischen und Handelnden Platz. Die typische Filinatmo- sphäre brachte daher der Kriminal-, Detektiv- und Abenteuerroman. Nur diese Romangattungen sind die ursprünglichen Dramenformen des Kinostückes. Auf Grund dieser rein logischen Gedankenfolge ist die Auffassung entstanden, das Lichtspiel sei epischei Natur, und dem Roman schlechthin wesensverwandt. Das ist aber rein oberflächlicher, nur sich an äußere .Merkmale haltender Trugschluß. Weil der Film da;- im Romua geschilderte bunte Milieu, die weite Natur, den unendlichen Reichtum des um uns tosenden Leben.'- bildlich und leibhaftig auf die Leinwand mall, konnte der Glaube entstehen, daß das Lichtspiel wirklich ein Roman sei. Man ließ gänzlich außer acht, daß der Film uns nur das anendliche Milieu des Romans und seine augenfälligen Handlungeu zeigen kann, daß abei des Ro'nans seelischer, jn epische Form gegossener In halt, sein innerstes Wesen uns nur als Ahnung geweckt wird. Wir erleben im Film nur Leidenschaften und Begierden, niemals aber die gedanklichen Werte von beschaulichen Anschauungen und kühlen Theoremen Das Lichtspiel soll auch eben nur das Spannende brin gen und grundsätzlich die Langeweile ausschließen. Es ist nichts anderes als ein künstlerisches, vervollkomm netes, märchenhaftes Bilderbuch der Wirklichkeit, der dichterisch geschauten Geschehnisse des Alltages. Das Lichtspicldrama hat somithin seinen eigenen Stil. Es ist mit anderen Kunstgattungen nicht zu ver gleichen, vor allen Dingen auch nicht mit dem Büh nendrama. Es ist wirklich müßig und töricht, darüber nachzudenken, ob das eine dem anderen überlegen ist. Der eine liebt mehr die Aquarell-, der andere die Oel malerei, dieser die Musik, jener die Dichtkunst. Ein jedes besteht für sich und gehorcht eigenen, seinem Wesen entspringenden Gesetzen. Ich stelle das stumme, zu unseren Augen sprechende Lichtspiel zwischen das Bühnendrama mit dem lebendigen Wort und seinem ärmlichen Milieu einerseits und dem Romandrama ande¬ rerseits, das uns sowohl Wort als auch Schauplatz, l^des allerdings nur imaginär; bietet. Auf diesem Mittelwege muß sich das Lichtispieldrama seinem eigenen, ihm entsprechenden Stile entgegenarbeiteu. Die Rnlernung non Hrbeitern durdi dai Liditbild. Die Anlemung von Arbeitern mit Hilfe des Films ist in der Union schon vor dem Kriege aufgekommen. Der Erfolg, der mit diesem System erreicht worden ist, war ermutigend und hat dazu geführt, daß man immer mehr auf den Anlernungsfilm zurückgekommen ist. So z. B. hat eine Geschoßfabrik in Chicago fast 8000 Arbeiter bereits durch den Film angelernt, und zwor zur Bedienung von Drehbänken, schwerer Hebel- { messen und anderer großer Maschinen. Diese An- ernungsweise hat gerade in Amerika wohl deshalb so gute Ergebnisse gezeitigt, weil viele Arbeiter der englLschen Sprache nur ungenügend mächtig sind und deshalb den Unterweisungen ihrer Kollegen nicht immer folgen konnten. Viele Fabriken in der Union haben die Arbeitsweise der einzelnen Maschinen ihres Betriebes kinematographisch aufnehmen lassen. Andere Bilder zeigen, wie das Material am besten be¬ arbeitet und am schnellsten zu einem möglichst guten Fertigfabrikat umgewandelt wird. Der Arbeiter lernt, wie die Erfahrung zeigt, durch die technisch voll¬ kommenen Lichtbilder in viel kürzerer Zeit die Hand¬ habung der Maschinen als bei dem bisherigen System, ihm einen gelernten Kollegen beizugeben. Diese Art der Anlemung hat noch andere große Vorteile. Sic ermöglicht es den einzelnen Arbeitern, sich die Arbeit in den großen Betrieben auszuwählen, die ihm am besten zusagt und seinen Anlagen die größte Entwickelungsmöglichkeit bietet. Er kann sich einer bestimmten Spezialmaschine für die Bedienung der Triebmaschinen, dem V'erpackungsraum oder irgend¬ einem anderen Zweige des Werkes widmen. Hat sich der Mann irgendeine bestimmte Arbeit, die ihm zusagt, ausgesucht, so wird er seiner Tätigkeit Sympathie ent¬ gegenbringen und wird viel leichter seinem Instruk¬ teur folgen können, da er mit Hilfe des Films über di« ersten größten Schwierigkeiten hinweg ist. In den großen amerikanischen Werken sind di« Vorführungsräume für Filme in steifender Anzahl geführt. Voraussetzung natürlich ist, daß die Filn>^ vorzüglich hergestellt sind, daß alle Errungenschaft^ der Aufnahmetechnik und der Belichtungseffekte »> den Dienst der Sache gestellt werden, um den -tkrbeit^ prozeß so einfach darzustellen, daß der Arbeiter durch den Anschauungsunterricht tatsächlich jene Kenntnis^ erwirbt, die ihm für sein Fortkommen von Nutzen sio«-