Der Kinematograph (August 1921)

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No. 766 Der Kineruatograph — Düsseldorf. schürt* erschienen mit dem Titel: Berufsberatung und Stellenvermittlung bei Sch wach tiegabten. Die Broschüre hat einen Hamburger Berufsberater zum Verfasser, der seit einer längeren Reihe von .lehren praktische Studien auf dem angrdeuteten Gebiet gemacht hat. In der Broschüre heißt es nun (auf S. 19) über das Rildver stiindnis der schwachls'gabteii 15- bis 17jährigen .lugend liehen: „Wir (der Berufsberater) legen (den zu beraten¬ den und daher vorher zu prüfenden Jugendlichen) häufig Bethels Tod als Freund vor. Wir weisen auf den Alten im Lehnstuhl mit der Frage: Was ist das? Das ist ein Vater, das ist ein Großvater, sagen nicht selten die Imbezillen. Der (allgemeinere Begriff und) Au> druck alter Mann fehlt ihnen. Die Bezeichnung Türmer. Glöckner, Turmwächter finden die Schwachbegabten auch nach längerer darauf hinleitender Besprechung nicht. Die andere Figur, den Tod. erkennen sie auch nicht immer. Hin und wieder sogen sie, es ist ein Toter. Es ist der Teufel, bekommt man gelegentlich auch zu hören. Fragt man, was er tut, so erhält man nur von Debilen (und da nicht immer) und von Normalen die richtige Antwort: er läutet. Ein debiles Mädchen sagte: er ist am Strick vom Boden heruntergekommen. Andere meinten, er zieht den Alten in die Höhe, oder der Alte wird gehenkt. Daß der dargestellte Raum eiue Turm oder Glöckenstuhe ist. finden die Sehwaeh begabten meist erst nach langer Besprechung, manch¬ mal überhaupt nicht.“ — Das ist das Bildverständnis Schwachbegabter junger Leute im Alter bis zu sieb zehn Jahren. Es ist selbstverständlich, daß «las Bildverständnis der Volks- und Hilffssohüler für die Schulkinemato- graphie, für den Film als Lehrmittel von größter Be¬ deutung ist. Darauf soll aber hier nicht weiter ein¬ gegangen werden. __ Mit dem Relatioos- und Qualitätsstadium, das also hei den Schwachbegabten sehr mangelhaft ausgebildet ist und das auch, wie gesagt, bei den geistig normalen Volksschülem über das Augenfällige und Grohsinnliche nicht hinnusgeht. s«-hließt die Volksbildung ab. Nach dem volkss<-hulpflichtigen Alter erweitert und vertieft sieh das Bildverständnis im allgemeinen mit der wachsenden Lebenserfahrung, es geht aber doeh bei denjenigen die keine weitere Schulbildung erhalten, über das Alltägliche und Grobsinnliche nicht eigent lieh hinaus. Mit der weiteren schulischen Ausbildung aber, sei es solcher in Fach- und Gewerliesrhulen. Kunstgewerbeschulen. Techniken oder gar der in höheren und Hochschulen vertieft und erweitert sieh das Bildverständnis mehr und mehr nach der psychischen Seite und wird bei einem Teil zum kunstverständigen Erfassen des Bildinhaltes. In diesem Stadium werden die psychischen Feinheiten gesehen und verstanden, die der Künstler in das Bild hinein f reiegt hat. An dem Bild Bethels z. B. erkennt der einsinnige Beschauer, daß der Alte ein pflichttreuer, in seinen Ansprüchen bescheidener Angestellter, ein gläubiger, gottergebener Christ, ein zufriedener Mensch war usw. Er kann auch angeben, wodurch der Künstler die feineren und feinen psychischen Eigenschaften zum Ausdruck gebracht hat. Die Bevölkerung muß man aljso hinsichtlich «l«*> Bild Verständnisses in drei große Besichten teilen. Die mittlere Schicht bilden die ehemaligen Volksschüler, die keine weitere schulische Ausbildung genossen haben. Ihr Bildverständnis ist grobsinqlich. Auf «las Bildverständnis dieser Schicht sind die meisten heutigen Kinodramen und Darbietungen zugeschniiten. Die Er fahrung hat gelehrt, was von dieser Schicht am besten wird. I)ie untere Schicht setzt sich aus den ehemaligen Hilfsschülern zusammen. Ihr Bildverständnis reicht an «las der mittleren Schicht meist nicht heran. Für sic sind die Kinodramen der gangbaren Arten nicht selten zu hoch. Das ist nicht etwa eine theoretische Schluß folgerung. sondern «las ist di«* Wiedergabe von Beobach¬ tungen des wirklichen Lebens. Vom Verfasser der oben genannten Broschüre üb«*r Berufsberatung l»ei Schwachbegabten wissen wir aus mündlichen Bo spreehungen. daß dem Bild Rethels th r Totl als Freund nicht bloß die schwachliegabten .Jugendlichen sondern auch deren Eltern unbeholfen gegenüber stehen, näm¬ lich dann, wenn die Eltern selber schwach begabt sind. Das kommt hin und wieder vor: es gibt ganze schwach begabte Familien. Und diese Jugendlichen und Eltern gehen ihres eigenen Angaben nach uie ins Kino. Die obere Schicht bilden di$ Leute mit feineren» oder feinem Bildverständnis. Das sind, in groben Umrissen gezeichnet, die wirklichen Verhältnisse. Natürlich gibt es zwischen den einzelnen Schichten Ueliergänge. aber das muß hier unberücksichtigt bleiben. Die dr«*i Schichten verhalten sich hinsichtlich d«*s Bildes zueinander wie drei Völker, von denen jedes eine andere Sprache spricht: sie verstehen einander nicht. Man kann auch sagen, die drei Schichten verk«"»rpern verschiedene Kulturperioden eines und desselben Volkes. Ein gutes Bild ist gewissermaßen wie ein Spiegel: Jeder erkennt, sieht in ihm nur «las, was ihm. seinem Bildverständnis angemessen ist. Das andere sieht er nicht. Das Bildverständnis aber hängt ganz von der geistigen Gesamt Verfassung des Betrachters ab. Das Sprichwort: Sage mir, mit wem du umgehst und ich kann dir sagen, wer du hist, kann man dahin variieren: Sage mir. was du in diesem Bilde siehst un«l ich will dir sagen, wes Geistes Kind du hist. Gerade auf diesem Umstand Im: ruht ja die Geeignetheit des guten Bildes zur psychologischen Forschung und psychiatrischen Diatrnose. Das Ange<lcutete sollten die Lichtspielreformer, die natürlich samt und sonders der ol>eren Schicht an gehören, in ihrem Bestreben. Reformgedanken zu vei wirklichen, (»«»achten. Leider geschieht das nicht. Die Lichtspielreformer gehen darauf aus. die auf das Ver¬ ständnis der breiten Masse zug«»s«*hnittenen Lichtspiel darbietuniren durch solche zu ersetzen, die dem Bild Verständnis der oberen Schicht angemessen sind. Daß das, so wie es heute angestreht wird, ein vergeblicher Aufwand an gutem Willen, Zeit und Kraft ist. braucht nach dem Dargelegten nicht erst gesagt zu werden. Man sollte sich daran genügen lassen, vom Lichtspiel durch die Zensur das sittlich Anstößige fern zu halten, im übrigen aber dem Durchschnittspublikum das hieten. was seinem Verständnis angemessen ist und was ihm