Der Kinematograph (January 1922)

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No 7 So Der Kinetna'ograph Düsseldorf. wenn wir aber all die Euergie. all die Arbei:. all das Kapital, all die Intelligenz um all die verzeileite Zeit, die da verschwendet wurden, für ein vernünftiges Ausbaueu und Vertiefen des Filindrainas verwerte: hätten, — wo ständen wir da heu e?! Psychologisch läßt sich die Sache so erklären: Der Film hat uns ganz neue, höchst seltsame und in seiner Art außerordentlich wunderbare Mög.ichkeiien eröffnet, und kaum sind wir uns dessen nur ein wenig bewußt worden, stürzte sich darüber die Spekulation, die sich dann in allerhand unberechenbaren Sprüngen gefiel Man tollte herum, weil es in der jungen Industrie an führenden Männern von Gewi ht und Ansehen fehlte, die die Leitung übernommen hätten! Ein neues Klondyke war der Welt in der Filmerei entstanden, und man konnte nicht rasch und ausgiebig genug dieses Klondyke ausnützen! Mit wie viel Existenzen wurde diese unselige Jagd nach dem Golde bezahlt, wie viele sind da unter die Räder geraten und wurden zermalmt? Von diesen Unseligen hört man nie etwas, nur von denen, die Millionen ins Verdienen gebracht hatten. Jede Arbeit, die geleistet wird, hat neben ihren rein materiellen und wirtschaftlichen Werten auch solche ethischer Natur. Wo sind nun die ethischen Werte der deutschen Filmerei zu suchen? Gibt es überhaupt eine „deutsche Filmerei“? 1 lies«- Frage ist unbedingt zu bejahen, wobei betont sei. daß wir unter „deutschem Film“ jenen ver stehen, der in seinem ganzen Wesen in seinen künst Jerischen Bestrebungen, in seiner Art und sogar in >einer Form sich ganz deutlich von allen anderen Na tionen unterscheidet und derart deutsche Kultur, deut sches Denken und Fühlen, deutsches Leben in sieh • inschließt, daß er eine vollkommen eigene Richtung ■ \ ertritt. Aber nicht nur dies allein kommt in Betracht, sondern auch das absolut Künstlerische des Films ist deutsch. Und dieser deutsche Film ist der Spiel r i 1 m. der bei uns eine Höhe erreicht hat. die nicht mehr überboten werden kann. Blicken wir «in un«. 'Chen wir uns die Welt Produktion an. — sie mag noch so großartig, noch so verblüffend sein, einen Spielfilm in so geschlossener Einheitlichkeit, wie wir ihn heraus bringen, werden wir nicht so bald finden. Und wir brauchen uns nur die amerikanischen, französischen, i'alienisehen Spielfilme anzusehen, um dies sofort fest ziisiellen. Ohne weiteres sei zugegeben, daß uns das Ausland in mancher Beziehung übertrifft, einen ..deutschen" Spielfilm. das Wort Spielfilm sei nachdrOcklichsl l»etont — kann uns keine einzige Nation nachmachen! Es ist dies in unserer nationalen Eigen art begründet, in unserem Wesen und in unserem völ¬ kischen Seelenleben. - die deutsche Romantik und die deutsche Sentimentalität lassen sich nicht nachahmen, ebensowenig aber auch di“ deutsche strenge Genauig¬ keit. die vielleicht zur Pedanterie sich steigert. -Tust darin ein großer Vorzug, denn sie führt dahin, daß wir streng sachlich und logisch vorgehen. Und wenn wir da und dort noch so viel miserablen Kitsch zu sammengekleistort halten, -immer war doch wenigstens ein Schimmer von Folgerichtigkeit zu bemerken. Heute ist mit Kitsch nichts zu wollen, und wir konnten sehen, daß sogar in den gewagtesten Sensationsfilmen Ansätze für logische Entwicklung und psychologische Ver¬ tiefung der Charaktere zu finden waren. Inzwischen sind alter die Sensationen auch schon ..erledigt“ worden. Ganz selbstverständlich, denn es handelte sieh da genau so um eine sagen wir gelinde - Modesache, wie bei den Detektiv Filmen. Im Aus lande wollte man natürlich von unseren Sensationen nicht viel wissen. Amerika erzeugt viel bessere, viel gefahrvollere viel - sensationellere“' Was Deutsch luud an das Ausland am sichersten und leichtesten abgeben konnte, war und blieb immer nur der Spiel film, wobei sich seltsamerweise nocii zeigte, daß dieser Spielfilm dann am besten und kräftigsten eiuschlug. wenn er das spezifisch Deutsche in seinem Wesen be tonte! Das mußte dcu Fabrikanten zu denken gehen. Monumental Tilmn. die ungezählte Millionen ver schlingen, haben nicht diesen nachhaltigen, überzeugten und an inneren Wert ui reichen Erfolg gefunden, wie die einfachen Spielfilme, so sie nur in ihrem Wesen deutschen Geisi atmeten. Dieses Rätsel ist sehr leicht zu erklären. Lubitschs Regie ist bei all ihrer Groß /.ügigkeit. Ihm all ihrer Pomp-Entfaltung und bei all ihrer blendenden Schönheit durch und durch inter national. Wie Lubitsch inszeniert. Inszeniert auch Joe May. könnte ebensogut ein Amerikaner, ein Franzose, ein Italiener inszenieren. Und man sehe sieh deingegen über die Inszenierung von ..Hintertreppe“ m! Da ist alles von deutschem Geist gesättigt. Man sehe sich „Caligari“ an. „Scherben“ und ähnliche Werke, man sehe sieh einen Münchener Spielfilm von Franz Osten an. und man wird sofort herausfühlen, wo das ..Deutsche" zu suchen ist. Unsere tonangebenden Produzenten sind hinter dieses Geheimnis bereits gekommen. Und da' ist ganz gut, denn dadurch ist der lebendige Anstoß gegeben worden, sich ganz und gar dem Spielfilm zuzuwenden und ihn derart auszugestalten, zu vertiefen und zu ver vollkoinmnen. daß er für das gesamte Ausland vor bildlich wird. Mit berechtigtem Stolz dürfen wir von uns -agen: Darin sind wir dem gesamten Ausland über legen, hier muß das Ausland zu uns kommen! Und wir 'ind erst am Anbeginn, denn inzwischen ist in München ein Schritt weiter auf dieser Bahn getan worden, und wir sind zum reinen Kammer-Spiel Film gekommen. Hier erklimmt der Spielfilm seine höchste Stufe, hier erfährt er seine feinste Veredelung denn er stellt sieh ganz und gar ausschließlich auf den Boden der absoluten Literatur und absoluten Kunst, und betont dies sowohl in dem Buche wie in der Dar -tellung. Für das Kammer-Spiel gibt es keine Ver filmüng mehr: seine Grundlage ist die Film dichtung, also das für den Film eigens geschaffene Werk, das alle technischen Möglichkeiten des Films künstlerischen Zielen dienbar macht, ohne alier dabei auf die strengen Gesetze d^r Logik, der psychologischen Vertiefung der Charaktere und die ab 'oiute Wahrhaftigkeit auch nur im allergeringsten zu verzichten. Inhalt und Form hilden ein organisches Ganzei Mit gewisser Absicht wird also auf München und die Münchener Bestrebungen verwiesen. Wollen wir nämlich in Deutschland tatsächlich das erreichen, wohin alle Bemühungen jetzt g'-nvitieren. müssen wir unbedingt darauf hinarbeit-en, daß die Filmproduktion dezentralisiert werde und nicht bloß von Berlin allein abhänge. Berlins Vorherrschaft mag ja nach mancher Richtung hin ihr Gutes haben, es hat aber auch starke Nachteile. Diese liegen darin, daß Berlin eben Berlin, nur Berlin ist. nicht aber — ganz Deutschland Man verstehe dies genau. Bisher hat das gesamte Ausland im Berliner Film kritiklos den .deutschen" Film gesehen. was aus anderen Städten kam. aus München. Leipzig. Dresden. Frankfurt a. M. usw. usw zählte gar nicht mit, um so weniger, als man in Berlin filier diese Produktionen narümpfend und achsel¬ zuckend hinwegging. Wir alle waren armselige Pro¬ vinzler. verstanden nichts, und wurden als blutige Dilettanten verschrien. Nun ist aber doch Berlin njeht ■ las ganze Deutsche Reich, und warum sollen alle tüch¬ tigen Menschen des Blickes bloß in Berlin allein zu Ilaii 9 e se ; n? Zudem Ist die Moral der Friedrich- oder