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No. 781 Der Kinematograph — Düsseldorf will scheinbar mit kühler L'eberlegung dem Kino den Garaus machen. Es ist zu verstehen, wenn sich ge¬ wichtige Stimmen dafür erheben, in allen Betrieben, die mit Kino und Film zu tun haben, einfach Schluß zu machen, und damit zu dokumentieren, daß man es sich nicht gefallen lassen darf, wie man umzuspringen sich herausnimmt. Die Behörden wissen, was ihnen droht, sie wissen, daß bei Stillegung der Betriebe nicht nur keine Steuern einkommen, sondern daß auch Tau sende und aber Tausende von Menschen >rotlos werden. Sie wissen, .daß die Ueberspannung der Steuerschraube sie um Millionen mehr kostet, als wenn sie die Steuer etwas ermäßigte. Und dennoch kein Funken von Ver¬ nunft! Ein erfreuliches Zeichen von Solidarität ist es, daß die Verleiher Schulter an Schulter irit den Theater- besitzern kämpfen wollen. Die Zensur ebenfalls eine Ausgeburt der neuen Zeit, hat doch gewiß der deutschen Filmindustrie schwere Fesseln angelegt. Die Haltung des Verleihertages ist voll zu billigen. Einen weiteren wichtigen Punkt der Verhandlungen bildete die Er höhung der Leihmieten. Bekanntlich fardert der Zen tralverband einen 30prozentigen Aufschlag, gegen den von seiten der Theaterbesitzer protestiert wird. Die Gemüter haben sich indes teilweise beruhigt. Die Berliner Theaterbesitzer wollen es so halten, daß vom 3. Februar ab 15 Prozent, vom 3. März ab 25 Prozent Aufschlag auf die bisherigen Leihrrieten bezahlt werden, ein Vorschlag, den die Verleiher akzeptieren werden. Der Reiclisverhand der Deutschen Licht spieltheaterbesitzer hält an seinem Angebot, nur 10 Prozent Aufschlag zu bewilligen, fest, doch sind Männer am Werke, auch mit der Gesamtheit e nen Ausgleich zu schaffen. Die Theaterbesitzer sind mehr als be¬ drängt. aber die Verleiher sind einfach außerstande, ohne eine beträchtliche Erhöhung ihren Verpflich¬ tungen gegenüber den Theaterbesitzern nachzukommen. Die Verteuerung des Rohmaterials und was sonst noch dazukommt, sind wahrlich dringende Gründe. Die Agfa-Frage ist natürlich auf dem Verleihertag behandelt worden, um so mehr die Direktion der Agfa auf hohem Pferde zu sitzen scheint. Sie hat nämlich ein recht munteres Schreiben an den Zentralverband der Film Verleiher Deutschlands gerichtet, das folgenden Wort laut hat: „Hierdurch beehren wir uns. Ihnen mitzu¬ teilen. daß durch die in letzter Zeit gegen unsere Ver¬ kaufspolitik für kinematogranhische Rohfilme gerich teten. teilweise sogar öffentlich in gröblich beleidigende Form gekleidete Angriffe die Voraussetzung für weitere Verhandlungen unsererseits mit den verschiedenen Ver¬ bänden der Filmindustrie aufgehoben worden ist.“ Das heißt also, die Abnehmer haben der Agfa in Zukunft zu zahlen, was sie fordert, und wenn es, wie der Ber liner sagt, bis in die Puppen gehen sollte. Bange machen gilt nicht, auch das ist ein Berliner Ausdruck, und alle Anzeichen sprechen dafür, daß man den Brief der Agfa nicht gar so ernst zu nehmen braucht. In der Verurteilung des Vorgehens der Agfa bei der Preis erhühung sind sich wohl alle gleich. Aber vielleicht gibt es der Agfa zu denken, daß emsig daran ge¬ arbeitet wird, große und gutfundierte Konkurrenz Unternehmungen zu gründen. Wenn früher über solche Neugründungen mit spöttischem Lächeln und Achsel zucken hinweggegangen wurde, so dürfte es heute wohl etwas anders sein. Es wird der Agfa Konkurrenz erwachsen, und dann wird ja Gelegenheit sein, daß die Industrie ihrerseits zu diktieren beginnt. Man soll doch nicht aus der Tatsache, daß die Agfa für Kultur- und Lehrfilmzwecke 150000 Meter Rohfilm zum Preise vou 2.8U Mark zur Verfügung stellt, großes Wesen machen. Wie wenig rnan in den beteiligten Kreisen an die Drohung der Agfa, nicht weiter zu verhandeln, glaubt, geht schon daraus hervor, daß auf dem Ver leihertag erklärt wurde, man hoffe dennoch die Ver handlungen weiterführen zu können. Im Kriege ist so viel geschossen worden, daß wir heute für Schreck Schüsse kein Verständnis haben. Einen breiten Raum auf dem Vcrleihertag nahmen die Verhandlungen über das Einfuhrkontingent fCr 1922 ein. Die endgültige Festsetzung des Quantums für die Verleiher, man spricht von 130000 Metern, wird erst in den aller nächsten Wochen getroffen worden. Es ist dann noch zu berichten, daß die neuen Leihpreise für die nächste Saison eine erhebliche Erhöhung erfahren werden, und daß beschlossen wurde, daß der 1. Mai als neuer Verleih termin zu gelten hat. Aus dem Geschäftsbericht des Zentralverbandes mögen folgende Daten angeführt sein: Im vergangenen Jahr gingen im ganzen 10 985 Schriftstücke ein. versandt wurden 24 389 Sachen. Im ganzen fanden 98 Sitzungen statt. Das Vermögen des Vereins beträgt etwa 10000 Mark. Bei der Vorstands wähl ergab sich folgendes Resultat: Herr Graf, erster Vorsitzender; Herr Cohen, Schriftführer; Herr Dr. Boehm. Kassierer; die Herren Harn wacker. Wolkow. Heuser. Haller. Weiß. Wehrmann. Müller, Saklikower. Rosenfeld und Heidmann als Beisitzer. Auch die diesjährigen Verhandlungen des Verleihertages haben bewiesen, welche Bedeutung dieser Verband für die deutsche Filmindustrie hat. und man versteht, daß dem röhneen Vorstand von den Mitgliedern des Verbandes der Dank für seine unermüdliche Tätigkeit ausge sprechen wurde. Außer den Qualen der Lustbarkeitssteuer kommen nach wie- vor von außen die Peinigungen durch das Zen«urge«etz. Was die Uebergnffe der Polizeibehörden und die Widerrufverfahren für Unheil anrichten. davon kann man sich keinen Begriff machen. Besonders die letzteren, ganz ungesetzlichen Maßnahmen werden jetzt mit alleoMi'teln bekämpft, und wir werden bald in der I-age sein, die Unsicherheit und die Unklarheit, die auf diesem Gebiete herrschen, weggeräumt zu haben. Es ließe sich schon heute darüber vieles sagen, doch wir wollen es bis zu einer anderen Zeit aufsparen. Zum Schluß unseres heutigen Berichtes aber noch etwas Humoristisches: In den Schaufenstern und in den Kiosken hängt ein 50 Reiten starkes Büchelchen, be¬ titelt ..Götzensturz“, freimütige Enthüllungen von — den Namen des Verfassers nennen wir nicht. Das Buch hat eine sogenannte rote Bauchbinde, auf der zu lesen steht „Enthüllungen über Professor Brunner“. So was muß man natürlich kaufen, und wenn es noch so viel kostet. Der Text der Bauchbinde war für uns eine Irreführung, denn es handelt sich nicht um eine Schmäh schrift, sondern um eine Verhimmelung des Vor¬ kämpfers für Sitte und Ordnung Man lese das Motto: Bettinas Geist ist hier geknebelt, wenn ihre Worte zitiert werden: „Wer in Gott und Natur sich heiligt, vor dem stürzt zusammen, was wider ihn ist. Er ist’s.' der die Nationen dienend erhöht.“ Man stelle sich vor. Professor Brunner dienend als Erhöher des deutschen Volkes! Eine bescheidene Frage: ..Was versteht man darunter, wenn in schreiender Aufmachung geschrieben steht: „Enthüllungen über Professor Brunner“? Gibt, es einen Menschen, der hinter solcher marktschrei¬ erischen Ankündigung etwas anderes erwartet, als eine Kampfschrift gegen Brunner?! Man sollte gegen solche Bauchbinden energisch Vorgehen. _