Der Kinematograph (April 1922)

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No. 789 Der^Kinematograph — Düsseldorf Kinder unter sechs Jahren dürfen zur Vorführung vou Bildstreifen nicht zugelasseu werden. l)nd in § 19 steht: Wer Jugendliche, den Bestimmungen des § 3 entgegen, zu den allgemeinen Vorstellungen zulädt, wird mit Geldstrafe bis zehntausend Mark bestraft. Handelt der Täter fahrlässig, so wird er mit Gehl¬ strafe bis zu dreitausend Mark besraft. Nun wird wohl kaum ein Thcaterbesilzcr so fahr lässig, sagen wir ruhig so dumm sein, und sich um diese Paragraphen des Gesetzes, die er leider uur zu genau kennt, nicht kümmern. Man ist ja jetzt dabei, eine Novelle zum Beichslichtspielgesctz auszuarbeiteu. und dabei wird die Jugendlichen-/rage eine nicht untergeordnete Bolle spielen. Sind dreh selbst die jenigen, die bei Schaffung des Gesetzes dafür ein traten, die Altersgrenze zum Besuch eines Kinos auf achtzehn Jahre festzusetzen, von ihrem Unverstand lienen Irrtum abgekommen und propagieren die Alters grenze auf sechzehn Jahre. Aber aucn diese Sechzehn jahiigen stehen gewissermaßen als Feinde dem Licht- spieiineaterbesitzer gegenüber, denn eine Kontrolle zu üoen, ist fast unmöglich. Einer unserer ersten Fach¬ leute, Herr Schlesinger, Direktor der Theaterverwal- tung der „Ufa", schreibt anläßlich einer Bundfrage im „Film-Echo" zu diesem Thema u a. das Folgende: „Die weitaus größte Anzahl der Lichtspieltheater- besitzer bemüht sich peinlichst, den jetzigen Be Stimmungen des Jugendschutzalters nachzukommen und eine scharfe Kontrolle zu führen, damit das Theater nicht von Jugendlichen unter achtzehn Jahren besucht wird. An allen Kassen sind Aushänge vor¬ handen, die darauf aufmerksam machen, daß der Be¬ such von Vorstellungen Jugendlichen unter 18 Jahren gesetzlich verboten ist. Der Theater besitzer selbst, bzw. seine Kontrollorgane, suchen in Fällen, wo ihnen Zweifel darüber aufkommen, ob der Besucher bereits 18 Jahre alt ist, dies durch Befragen usw. festzustellen. Aber daß hierbei von den Besuchern des Theaters häufig unwahre Angaben gemacht werden, die bei einer zufällig erfolgten Kontrolle durch die Polizei dieser gegenüber nicht aufrechterhalten werden, kommt oft genug vor, und hat zur Folge, daß der Theaterbesitzer, bzw. Theaterleiter bestraft wird. E~ kann natürlich auch nicht gefordert werden, daß Be¬ sucher, die vielleicht jugendlich aussehen. einen poli zeiliclien Paß mit Photographie bei sich führen, der die Richtigkeit ihrer Altersangaben beweist. Im In dustriegebiet z. B. sind Fälle vorgekommen, in denen Jugendliche sich von älteren Kameraden die Invaliden karte — die fast überall als behördlicher Ausweis angesehen wird — geliehen haben, um sich beim Kino besuch als 18- oder 19jährig und deswegen zum Be such berechtigt auszuweiseu. Wie soll der Theaterleiter feststellen, ob die Invalidenkarte die des Besuchers ist oder nicht? Bei starkem Andrang ist eine derartig minutiöse Kontrolle technisch überhaupt unmöglich. Eine Besserung wäre dadurch zu erzielen, daß bei Ueberschreitung der Bestimmungen des Lichtspiel gesetzes, bezüglich des Jugendschutzalters, nicht der Theaterbesitzer, der, wie oben dargelegt, sich fast ausnahmslos alle Mühe gibt, den Bestimmungen nachzukommen. bestraft wird, sondern der Jugendliche bzw. seine Eltern oder Pfleger. Es darf wohl als Bicher gelten, daß Jugend liehe, wenn sie beim Ertapptwerden richterliche Be strafung zu befürchten haben weitaus seltener den Versuch zum verbotenen Kinobesuch machen werden als jetzt, wo sie keine Strafe zu befürchten haben. Es würde alsdann auch zweifellos eine Gleichmäßigkeit in der jetzt außerordentlich verschiedeneil Recht sprechung in Fällen von Vergehen gegen die Be Stimmungen de» Jugendschutzalters "eintreten.“ Wir wissen nicht, wie weit der Schöneberger Lichtspiel theaterliesitzer gegen die Paragraphen des Gesetzes verstoßen hat. Wir wissen auch nicht, ob er fahr lässig geluuidclt liat. andererseits fehlt uns die Keuntni> des Falles überhaupt, ob nicht vielleicht der Theater besitzer oder seine Kontrolle getäuscht worden sind Nur. wenn der Theaterbesitzer fahrlässig oder gar vor sätzlich gehandelt hätte, wäre seine Bestrafung zu ver stehen. Die ganzen Paragraphen, die sich mit den Jugendlichen befassen, sind von Hebel. So lange e> Jugendlichen gestattet ist, Theater, Circus, Variete. Cabaret und Tanzdielen zu besuchen, so lauge muß auch der Lichtspiclthcaterbesitzer das Recht für sich in An spruch nehmen können, Jugendliche in sein Theater zu lassen. Wer auf diesem, unseres Erachtens nach einzi« möglichen Standpunkt steht, muß auch gegen das ganze Lichtspieigesetz sein. Dieses Gesetz ist ein Aus nahmege.se tz, eines demokratischen Staates unwürdig. Aber wir wollten gar nicht von dem Gesetz im all gemeinen und nicht von den Jugendlichen-Paragraphen im besonderen sprechen, wir wollten vielmehr darauf hin weisen, daß durch sensationell uufgemae-hlc leber Schriften in Zeitungen und Zeitschriften. Jte mit dem eigentlichen Inhalt des folgenden Artikels recht wenig zu tun haben, oft ganz falsche Vorstellungen erweckt werden. Wenn in einem Zeitungsartikel davon ge sprachen wird, «laß ein Liehtspieltheaterbesitzer wegen Vergehens gegen die 3, 18 und lü des Beichslicht spielgesetzes durch Kammergerichtsuri eil bestraft worden ist, so braucht dieser Aufsatz nicht den seit sationell klingenden Titel „Schutz der Jugendlichen gegen die Gefahren des Kinos ‘ zu tragen. Ganz abge sehen davon, daß eine solche Ueberschrift einen ganzen ehrenwerten Stand angreift und bloßzustellen geeignet ist, trifft sie auch nicht den- Kern des ihr folgenden Aufsatzes. Das Kino bietet für die Jugendlichen keine Gefahr, detut das Gesetz hat vorgesorgt. Ganz abge sehen davon, daß wir den Besuch des Kinos durch Jugendliche bei allen vou der Zensur zugel&ssenen Filmen für.nicht gefahrvoll halten, denn was unsittlich ist, was verrohend wirkt, was das religiöse Empfindet verletzt, und was deutsches Ansehen oder die Be Ziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu ge fährden in der Lage ist, lxat ja die weise Zensur l>ehörde verboten. Wenn Jugendliche das Kino be suchen, trifft ja die Schuld in den weitaus meisten Fällen nicht den Theaterbesitzer, sondern die Jugend liehen selbst oder deren Eltern und Erzieher. Das Kim» ist der Prügelknabe. Dabei erkennen gerade di»- großen Zeitungen dadurch, daß sie ihre ersten Kritiker für Besprechungen neuer Filme heranziehen, au. daß das Küio ein Kulturfaktor ist. Aber man schimpft und wo nur immer Gelegenheit dazu sich findet, wird dem Kino eins au.sgewischt. Manchmal sind es gaiu feine Nadelstiche, die ihm versetzt werden. Wie oft kommt es vor, daß man in einem Polizeibericht bei irgendeinem Vergehen lesen kann „der Kinoschaii Spieler Soundso hat das und das getan". Warum <U‘i Kinoscliauspieler Soundso? Führt man denn sonst in Polizeiberichten den Stand irgendeines Uelieltäters an- Womit übrigens noch gar nicht immer festgestellt ist daß der Betreffende überhaupt Kinoschauspieler ist Früher wurde mit Vorliebe der „Artist Soundso“ ge nannt (geschieht leider auch heute noch. D. B,.), bis die Artisten sich ganz energisch dagegen wehrten. Di* sämtlichen Beteiligten am Film sollten ebenfalls dara' 1 * dringen, daß nicht alles das. was beiin Film und Kin« vorkommt, so gestaltet wird, daß es gegen Film un» Kino gemünzt erscheint.