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No. 796 Der Kinematograpb — Düsaeldoi j sonstige leichtere Musik wählt. Die völlige Unzuläng- % lichkeit dieses Notbehelfs liegt auf der Hand; sie äußert £ ' sich auch schon darin, daß die Spieldauer des ange¬ lt i paßten Musikstückes fast niemals mi’ derjenigen der w * Filmszene übereinstinunt, so daß bei eintretendem f Szenenwechsel der Kapellmeister vor die peinliche i Wahl gestellt wird, entweder das Musikstück ohne > Biicksieht auf den vielleicht vö lig veränderten 1' . Charakter des Filmbildes unerbittlich zu Ende zu ■ $ spielen, oder aber in einer musikalisch höchst unerfreu- ■S liehen imd unverantwortlichen Weise ahzubreclien. •r j Aber auch inhaltlich wird der Stimmungscharakter des i ; : ausgewählten Musikstückes niemals oder doch nur - höchst selten zu dem Filmbilde vollkommen passen; ein routinierter Kapellmeister kann zwar durch ge- f schickte Auswahl grobe Unstimmigkeiten vermeiden i : — er wird nicht die Geschmacklosigkeit begehen, bei dem Brand eines Hauses den Feuerzauber, oder einer / Chambre söparee-Szene Isoldens Liebestod zu intonieren £ • — er wird hier und da auch eine besonders gut passende ■ Musik auffinden; aber er wird nicht über die Tatsache hinwegkommen, daß der Film täglich neue Szenen. • Bildei- und Stimmungen bringt, die eine treffende musikalische Wiedergabe noch nicht erfahren hatten. Was soll der Kapellmeister beispielsweise wählen, wenn der Held sich mit dem Fallschirm von dem hohen Turme herabläßt, oder im Flugzeug davonfliegt.? Vor allem aber werden bei einem grundsätzlich passend gefundenen Musikstücke die feineren Schattierungen. - 1 die aufsteigenden und abfallenden Linien, überhaupt die ganze musikalische Struktur niemals auch nur an- .nähernd dem dramatischen Aufbau der Filmszene ent- ; »'Sprechen; es wird immer die Empfindung verbleiben, daß die Musik sieh nicht allzusehr um da« Filmbild kümmert und ihren eigenen Weg geht. Schließlich tritt dann : noch als besonders störend der Umstand hinzu, daß der musikalisch gebildete Zuschauer mit den ihm be¬ kannten Tonstücken meist unwillkürlich ganz be- 1 stimmte Gefühlswerte. Vorstellungen und vielleicht sogar Bilder verknüpft, die sich dann mit denjenigen der vorgeführten Filmszenen schneiden und eine ein- •iheitliche Empfindung und eine klare Einstellung auf den Inhalt des Films nicht aufkomtnen lassen; hierauf kann bei der Auswahl d?s Musikstückes um so weniger 1 Rücksicht genommen werden, als diese Assoziationen I individuell ziemlich verschieden sind. Die Musikbeglei- , tung mit bereits vorhandenen Musikwerken kann also j natumotwendig keine befriedigende Lösung des Pro- |i blems geben: sie ist und bleibt eine geborgte Musik. | ’ ein Notbehelf, der auf derselben Stufe steht wie etwa die Verwendung einer vorhandenen Liedkomposition für einen anderen Liedertext. Der Gedanke liegt nahe, dieser Schwierigkeit ein¬ fach aus dem Wege -at gehen und gänzlich auf die 3 jjjBüsikalische Begleitung zu verzichten, um dadurch (das Filmbild zu um so reinerer Wirkung zu bringen. . [Hier muß aber doch schon die Tatsache bedenklich ; machen, daß"*- abgesehen von den hier nicht inter i* e89ierenden wissenschaftlichen Filmvorführungen — noch kein Filmtheater, von den primitivsten Anfängen und som billigsten Vorstadtkino an bis zur modernsten Lichtbildhühne. es gewagt hat sich die Musikbegleitung ’zu schenken, und daß gute Filmtheater sogar die für das Orchester notwendigen Erholungspausen noch durch Klaviervorträge ausfüllen zu müssen glauben. Das •beruht natürlich nicht auf einer gemeinsamen Marotte oder musikalischen Ader der Kinematographenleiter. i [(sondern hat seine zwingenden inneren Gründe: Der Film gibt von den Vorgängen, die in der Natur durch¬ weg mit akkustisehen Aeußerungen verknüpft sind i |f8p rec 'hen. Schreiben, Lachen, Gehen. Schlagen), nur die optische Erscheinungsform wieder: bei der Vor¬ führung des Films vermißt daher der von der Illusion umfangene Zuschauer diese von ihm unwillkürlich er warteten Laute, und zwar um so mehr, je auffallender die ringsum herrschende Stille ist; das lautlose Ab¬ spielen der an sich mit Geräuschen verbundenen Vor gänge macht üifolgcdessen einen unerträglichen und gespensterhaften Eindruck. Hierüber täuscht die Musik hinweg, indem sie das unbehagliche Gefühl der Lautlosigkeit nicht aufkommen läßt, sondern das Ohr anderweitig beschäftigt und dadurch ablenkt. De:- he gleitenden Musik ist a so allen Ernstes die klägliche Rolle zugewiesen, kraft des mit ihr verbundenen Ge¬ räusches (siehe Busch) die bei der Filmvorführung entstehende Leere auszufüllen. An sich würde hierbei jedes andere Geräusch die gleiche Wirkung tun; nur ist die Musik unter den Geräuschen das einzige salon¬ fähige. Wie sehr die Lichtbildtheater von de* unter¬ geordneten Funktion der Musik überzeugt sind und sie gewissermaßen nur als notwendiges Uebel be¬ trachten. ergibt sie[i schon aus dem Kinoprogramm, das zwar die Länge des Films nach Stunden und Metern und die Namen der Filmdarsteller oft bis zu den kleinsten Rollen verkündet, die Person des Musik¬ leiters dagegen regelmäßig, und die zum Vortrag kom¬ menden Musikstücke fast ausnahmslos verschweigt. Die Herabwürdigung der Tonkunst zu solchem Handlangerdienst für eine Schaustellung, die ihre künstlerische Berechtigung zu erweisen eben erst im Begriffe steht, ist nicht nur höchst unerfreulich für die Musik, sondern liegt auch durchaus nicht im Inter esse der Filmkunst. Wenn es scaon ohne Musik nicht geht, und wenn die bisher übliche Art der Begleit¬ musik aus den ol>en angeführten Gründen niemals eine künstlerisch befriedigende Ergänzung der Filmvorfüh¬ rungen werden kann, dann bleibt eben nichts anderes übrig, als die Musik, die eine solche untergeordnete Rolle nicht verträgt, als gleichgeordneten und gleich- wertigen Faktor neben das Filmbild zu stellen.um durch die organische Verbindung dieser beiden Kunstformen ein einheitliches Kunstwerk zu schaffen. Das geht allerdings nicht mit geborgter Musik, vielmehr muß zu diesem Zweck der Film komponiert werden, genau so wie eine Oper, ein Lied, oder ein Melodram. Das würde dann den Musik-Film ergeben, eine Kunst- schöpfung, bei der dem Inhalte gleichzeitig bildliche und musikalische Ausdrucksform gegeben werden, so daß in jedem Augenblick die eine Form die andere ergänzt und unterstützt. Eine solche Verdeutlichung hat ja auch gerade der Film mit seiner wortlosen Hand lung besonders nötig: durch eine gut illustrierende Musik, und insbesondere durch geschickte Verwendung von Leitmotiven würden sich manche Filmszenen musikalisch erläutern lassen, die sonst jene überaus störenden Texteinschiebungen erfordern. Einem solchen aus Bild und Musik kombinierten Kunstwerk fehlt es auch durchaus nicht an einem Vorbild; der Musikfilm würde sich zu dem bisherigen Film genau so verhalten, wie die Oper zum Schauspiel. Vor der Op$r hätte der' Musikfilm allerdings die unbe grenzte szenische Möglichkeit voraus; der Film er möglicht Bilder von kühnster Phantastik und märchen haf*er Unwirklichkeit, die für die musikalische Aus deutung besonders geeignet sind, sich aber infolge der Unbeholfenheit des Bühnenapparates bei der Opern bühne immer mehr oder weniger opemhaft im üblen Sinne des Wortes ausnehmen, sofern sie nicht über haupt schon an der Kostenfrage scheitern. Selbst verständlich eignen sich andererseits für die Schaffung von Musikfilmen nur solche Filmhandlungen, die einen ausgesprochen dichterischen Inhalt haben: Hinter¬ treppenromane. Detektiv- und Aufklftrungsfilmc