Der Kinematograph (July 1923)

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17. Jahrgang, Nr. 856 Berlin. 15. Juli 1523 Hundstage Tn den Lichtspielhäusern ist es öd und leer und die 1 größten Schlager versagen. Die schönste Zeit des Jahres ist nun einmal von jeher die schlechteste für das Kino. Der Theaterbesitzer hat Zeit, nachzudenken über das, was war und was wird. Der Blick in die Vergangenheit ist außerordentlich lehr¬ reich. Heute, wo die Teuerungszuschläge, die Löhne und die Lebenshaltung Zahlen darstellen, die man selbst vor vier Wochen noch für phantastisch hielt, seufzt man: ..Hätte ich nur meine Preise schneller und in größerem Umfang erhöht." Ein Fachblatt, das seine Inhaltslosigkeit dadurch aus¬ zugleichen sucht, daß cs sich äußerlich so etwas wie einen amtlichen Anstrich gibt, hat wochenlang unsere Mahnung, die Preise besser auszugleichen, als eine Art Vcnat am deutschen Theaterbesitzerstaud bezeichnet und behauptet, man müsse nicht die Preise erhöhen, sondern dafür sorgen, daß die Verleihzuschläge niedriger würden. Das ist ein Rezept, das in der guten alten Stadt Schilda sicherlich begeistert aufgenommen worden wäri. in iener Stadt, wo man die Sonne in Säcken einfangen wollte, da¬ mit sie den Rathaussaal ohne Feester erleuchtet. Vielleicht ist auch bei dem Leitartikler dieses Blattes inzwischen die Erkenntnis aufgedämmert, daß man nur dann dem Theaterbesitzer dient, wenn man die Dinge von einer hohen Warte aus sieht und nicht nach dem be¬ rühmten System des Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt und sich einfach in eine theoretische Hypothese verrennt, die niemals in der Praxis anzuwenden ist. Wenn der Vogel Strauß den Kopf allzulange im Sande hält, kann es ihm passieren, daß ihm. während er vom mit dem Kopf überlegt, hinten die besten Federn ab¬ geschnitten werden. Ist er aber infolge seiner eigenen Dummheit gerupft worden, dann schreit er Weh und Ach und gibt den an¬ deren schuld, ohne zu bedenken, daß die Gegenpartei nun einmal vom Rupfen lebt und daß es letzten Endes ein Naturgesetz ist. daß der Vogel Strauß seine Federn lassen muß. Es muß darauf hingewiesen werden, daß natürlich keine Rede davon sein kann, daß der Verleiher etwa — um im Bilde zu bleiben — dem Theaterbesitzer nun die Eedern oder sogar noch das Fell vom Leibe zieht. Es soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daß die Theaterbesitzer eben nicht weitsichtig genug waren, daß sie sich nicht rechtzeitig auf die ganze wirtschaftspolitische Entwicklung der Inflationszeit eingerichtet haben. Jetzt, wo in der Zeit der schlechtesten Konjunktur der Verleihzuschlag auf fünfzigtausend Prozent steigt, erkennt selbst der Untüchtigste, was in der Vergangenheit ge¬ sündigt worden ist. Man wird wieder Zeter und Mordio schreien, aber vielleicht doch etwas gedämpfter wie sonst, weil eine Verdoppelung aller Dinge des täglichen Lebens auch am Film nicht spurlos vorübergehen konnte. Es scheint, als ob auch die Theaterbesitzerverleihs all¬ mählich zu derselben Kalkulation gekommen sind, wie die Mitglieder des Zentralverbandes, denn die Differenz von tausend Prozent, die jetzt zwischen den Zuschlägen des Südfilmhauses und denen des Zentra.verbandes bestehen, ist nichts anderes als eine Prestigeangelegenheit ohne praktische Bedeutung. Die Firma ze : gt damit auf der einen Seite den guten Willen, aber a-if der anderen auch, daß es nun einmal nicht anders geht. Es hat gar keinen Zweck, über die Teuerungszuschläge zu streiten, es gibt nur ein Mittel, rämlich Steigerung der Anziehungskraft des Theaters und Anpassung von Ein¬ nahme und Ausgabe. Die Erhöhung der Eintrittspreise allein macht natürlich auch noch n,cht alles. In diesen stillen Tagen muß einmal genau überlegt werden, wo noch zu sparen und wo noch zu verdienen ist. Das Programm für die kommende Spielzeit wird nur jeweils einen Schlager enthalten dürfen und nicht über 2000 Meter lang sein können. Es genügt vollständig, wenn der Kinobesucher neben einem großen Drama ein kleines Lustspiel und eine Naturaufnahme sieht. Die Kapellen werden aus erstklassigen Musikern zu¬ sammenzusetzen Sein, aber vielleicht im Umfang ver¬ kleinert werden müssen. Es kommt darauf an. daß gute Musik gemacht wird, aber nie, wieviel Mann unten vor der Leinwand sitzen. In vielen Punkten läßt auch die Reklame zu wünschen übrig. Es gibt Theater, wo seit fünf Jahren nach dem¬ selben Schema gearbeitet wird. Man wechselt einfach das Schriftplakat und die Photos und glaubt, nun sei alles in bester Ordnung. Amerika kann hier unser Vorbild sein. Jeder Film wird mit besonderer Liebe und individuell „aufgezogen". Wenn man das Weib des Pharao im Programm hat. gleicht der Eingang einem ägyptischen Tempel. Der Portier und die Platzanweiser tragen ägyptisches Gewand. Man läßt Plakatträger durch die Stadt spazieren, die als ägyptische Priester gekleidet sind. Steht Peter der Große im Mittelpunkt des Spielpians. dann ist die Aufmachung eben russisch, man verteilt schon in der Woche vorher Bilder des Regisseurs, veranlaßt die Zeitung, daß sie interessante Artikel bringt, die entweder von dem Autor des Films oder vom Hauptdarsteller ge¬ schrieben sind und die kleine, interessante Einzelheiten, amüsante Episoden aus der Entstehungsgeschichte des Films mitteilen. Allerdings fehlt bei uns in Deutschland die große Unterstützung, die der Fabrikant dem Kinoirhaber ange¬ deihen läßt. Die amerikanischen Hersteller liefern derartige Ausstat¬ tungen für die Theater gegen entsprechende Gebühren in jedem gewünschten Umfang. Die Universal in New York