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17. Jahrgang, Nr. 858 Berlin, 29. Jüli 1923 IH Aus meinem zoologischen Skizzenbuch 1. Das Murmcltic Gewöhnlichen Zoologie bekannt durch * Winterschlaf, beim Film jetzt bemerkbar oder - bcsssr gesagt nicht bemerkbar durch den unheimlichen Sommerschlaf, der schon Ähnlichkeit mit Todesstarre hat. Unser Murmeltier ist gemeinhin bekannt unter dem Namen ..Verband der Filmindustriellen" und liekanntlich unter grollen Schwierigkeiten geboren worden. Es sonderte sich von dem anderen Getier ab, weil ihm das Geheul des „Wolffs“ auf die Nerven ging. Es bildete ein Reich für sich und versprach, den deutschen Film¬ industriellen herrlichen Zc'ten entgegenzuführen. Dem Murmeltiervc ikali stand gab man den Murmeltierausschufl bei, damit alle Murme ler irgendwo ihr Spe- zialgemurmele erheben konnten Man nahm sich vie- 'es vor, aber bis jetzt geschah wenig. Wenig¬ stens allem Anschein nach. Oder sollte der Obermurmeler die Ge¬ schäfte heimlich, still und leise führen? Wir fürchten, daß damit die andern nicht ganz einverstanden sind. Dabei gab's allerhand Gelegenheit. Zum Bei¬ spiel bei der Verhand lung über das Kontin¬ gent. Da brüllte — um im Stil der Fabel zu sprechen das Kle n- gelier des Waldes, aber die Stimme de» Löwen ward nicht gehört. Dabei hätte er sein Gebrüll erheben müssen, weil es um eine Frage des Lebens ging. Man wollte sich über die Schauspieler- und Atelicr- fragen verständigen, war sich klar darüber, daß etwas geschehen mü$»e. aber es ward nicht nur Abend und Morgen wie in der Bibel, sondern Frühling und Sommer, und es geschah nichts. Der Schlaf der Obermurmeltiere dauert zu lange. Es mag sicherlich der „Schlaf der Gerechten" sein, der tief und süß sein soll, aber die Herde wird unruhig. Das andere Getier aber steht an dem Zaun des neuen Reichs, freundlich lächelnd: ..Haben wir s nicht gesagt." Die ganz Spöttischen aber sprechen von dem alten Mann, der, nach dem Sprichwort, auf dem Dache sitzt. der Wuch e Am Start: Pathe. Kodak. Dollar und Agfa Agfa — wenigstens Wir wissen, daß dieser Herr an seiner Stelle schon mehr geleistet hat als viele junge Streber, bei denen die Worte im umgekehrten Verhältnis zu den Taten standen. Wir wissen, daß Herr Kalhnann täglich vollauf mit großen und neuen Plänen zu tun hat. Wenn man aber Präsident eines \ erbendes st. muß man sich auch d «ran ab und zu erinnern 2. Der Vogel Stiauß. Er hat seinen Käfig etwas abseits vom großen Weg und sird darum wenig beobachtet, ln Fachkreisen nennt ir.an ihn ..Reichsfilmblatt" Seine Kurzsichtigkeit ist berühmt. Er sieht die Welt, wie alle Kurz¬ sichtigen. durch di<- Scheersche Brille. Da- •an hat sich unser Vogel so gewöhnt, daß er es selbst nicht merkt. Den Kopf steckt er ständig in den Sand, gewissermaßen, um an- zjdeuten. daß seine Vorderpartie wertlo. sei. Man sieht also soweit man ihn über¬ haupt beachtet — nur das Hinterteil, der so¬ zusagen „amtlich" ist Wenn man genau hinsieht, stellt man fest, daß dieser amtliche Teil eigentlich gar nichts mit dcmStrauß oder mit seinemGeisi — zu tun hat. FIr schmückt sich hier mit fremden Federn. Ob er überhaupt Geist besitzt, ist noch nicht einwandfrei festgcsiellt. An heißen Sommertagen wird er übermütig. Dann reibt er sich an dem anderen Filmzeitungsgetier. Er steckt den Kopf durchs Gitter und stößt unverständliche Laute aus. Er merkt gar nicht, daß die Distanz zwischen ihm und den andern so groß ist, daß er nicht hcranreicht. aber er kommt sich dann selber wichtig vor. Der Strauß gehör* bekanntlich zu den zahmen Tieren Wenn er tut, als ob er so wild wie der Löwe wäre, so sieht das komisch aus. Etwa wie Pallenberg als König Lear. Er hat wechselnde Spitznamen. Zurze t heißt er „Beißel", aber mit beißen hat das nichts zu tun. Der Volks mund sagt: „Der Beißel gar possierlich ist, besonders, wenn er Phrasen drischt " s — in der Welt v