Der Kinematograph (July 1923)

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Nummer 858 Der Rmcmotogtopfj Seite 7 Wie man nicht nach der Schweiz verkauft Von Vera Bern. r\ie deutschen Fabrikanten treten «ihne Ausnahme mit zu hohen Forderungen an die Schweizer Verleiher heran Sie sind das Jonglieren mit Milliardcn-Unwerten so gewöhnt, daß sie es verlernt haben, die solide Nieder- raünze eines anderen Landes richtig einzuschätzen. Zehn Centimes sind in der Schweiz noch immer zehn Centimes — ein Betrag, über den die Hausfrau spricht, wenn ihn der Krämer auf seine Ware aufschlägt! 1 Franc ist eine Summe, die man sich auszugeben überlegt* 10 Francs bezahlen heißt, sich einen kleinen Luxus leisten! hin Hundert-Franc-Umsatz — bedeutet schon eine kleine Transaktion. Diese Begriffe sind das Fundament, auf dem sich die Preise aufzubauen haben, nicht aber auf unserer, allerdings sehr leistungsfähigen, deutschen Geld-Druck-Maschine! Reell wirkt es nicht, wenn eine deutsche Fabrik — der Name bleibe vorläufig ungenannt — tür einen Film erst 8000 Francs verlangt — vor Schreck über das Entsetzen der Schweizer Reflektanten aber gleich aul 4000 Francs herunterpurzelt. Das sieht nicht nach Schätzung eigener Werte, sondern nach Überschätzung fremder Geldbörsen aus! Obiger Film blieb meines Wissens übrigens bis heute unverkauft. Es ist unsinnig. „Phantasic'-Preise zu verlangen! Die werden nur für Amerikaner, und auch da nur in Aus¬ nahmefällen gezahlt! Chaplin kann fordern! Jackie Coogan kann es! — Nicht einmal Mary Pickford darf den Bogen überspannen. — Griffith - ja! Auch der kann es! Die für das Dreigestirn Chaplin. Jackie Coogan. Griffith angewendeten Beträge bedeuten ja auch kein Ri«:kt. Es ist — mündelsicher angelegtes Geld. Ich tühle das neugierige Wittern meiner Leser: Phan¬ tasiepreis — — —? Wieviel ist — ,,Phantasie"-Preis in der Schweiz?? Also: E r, Griffith, erzielt nicht mehr als 2000 Francs tür seine F'ilme. Jackie Coogan wollte ihn übertrumpfen: ..Oliver Twist" trug für die Schweiz einen Verkaufspreis von 5000 Dollar, also etwa 25 000 Francs! Dieser Film ist bis heute — oder war es vielmehr bei meinem letzten Aufenthalt in der Schweiz — noch herrenlos! Kaum glaub¬ lich, wenn man weiß, daß mit dem Coogan-Chaplin-Film ..The Kid" Verleiheinnahmen von 80 000 Francs erzielt worden sein sollen!! Allerdings, ein sonst kaum je da¬ gewesener Fall. Aber „The Kid“ ist beste tragi-komisch- scntimentale Groteske und vereint den Welt-Clown Chaplin mit dem bis heute unvergleichlichen Kind-Genie Jackie! Für deutsche Filme werden keine ,.Phantasie"-Preise bezahlt! Trost sei: auch nicht für italienische, fran¬ zösische usw Die meisten Produktionen werden |a. wie „Ufa", „Efa“. .Emelka von der Schweiz nicht gekauft, sondern ver¬ trieben („Eos-Film", Basel, „Nordisk-Film Co.“. Zürich, „Emelka usw.). In Genf gibt's „Pathe Consortium-Film". ,.Gaumont" (der für die Gaumont-Produktion sowie für F'ilme anderer französischer, amerikanischer, italienischer etc. Produzenten — sogar für deutsche — sorgt). In Genf noch die „United Artists", die „Fox-Film", in St. Gallen Burstein (Universal) usw. Viele deutsche Fabrikanten können sich nicht zu einer eigenen Agentur entschließen und suchen Anschluß. Der wäre leicht gefunden, wenn die Fabrikanten sich kauf¬ männisch den Schweizern gegenüber anders einstellen wollten, andererseits davon absehen wollten, an die Schweiz durchaus ungeeignete Filme ..loszuschlagen". Zum kaufmännischen Teil sei noch bemerkt: Auch in der Schweiz gibt es eine Krisis Zum Teil her¬ beigeführt durch den Lonnabbau. Diese Knsis hat zu einer derartigen Reduktion der Verleihprcise geführt, daß die Theaterbesitzer nicht einmal die Hälfte der letzt- jährigen Preise bezahlen können! Große Theater in Zürich. Basel, Bern, die vor einem Jahr eine Leihgebühr von 60. 80. 10O Centimes pro Meter entrichteten, zahlen jetzt 30, 40. 50 Centimes!! Kleinere Theater in den gleichen großen Städten zahlen 20 Centimes und meinen schon, das sei zu viel! Kleine Kinos in kleinen Städten ratten sich zu einer Leihgebühr von 6 bis 12 Centimes auf! Ort¬ schaften zahlen 50 bis 100 Francs für das komplette Pro¬ gramm von zirka 3000 Meter! Im Herbst natürlich gibt’s einen Ruck nach oben. Die obigen Zittern aber werden den deutschen Fabrikanten zu denken geben. Die deutschen Fabrikanten sparen außerdem an Photos und an geschmackvoll bedruck, em Reklamematenai! Warum?? Wenn die Verleiher sich ftcklamematcrial in der Schweiz selbst besorgen müssen, verteuert das den betreffenden Film um 300 bis 500 Francs!! Die so beliebten Amerikaner verschwenden beinahe ihr Reklamematenai. liefern 60 bis 100 Photos pro Film! Und der Schweizer Verleiher freut sich! Das Kiügste. was die deutschen Produzenten machen können, um trotz der Krisis ins Geschäft zu kommen und um später von der guten Konjunktur zu profitieren, ist das Abschließcn mit einem Verleiher auf Prozente Durch¬ schnittlich 50 zu 50. manchmal auch 60 (der Verleiher) zu 40 (der Fabrikant), ln dem Fal' bezahlt der Verleiher die Kopie. Der Betrag wird dann meist aus den ersten V erleiheingängen abgezogen. Eventuell kann der Ver¬ leiher zur Zahlung einer allerdings bescheidenen Garantie¬ summe verpflichtet werden. Der Preis bei festen Verkäufen an die Schweiz?? Tja . . . Vielleicht gibt's einen Maßstab. wenn ich sage, daß tür ein gutes deutsches Durchschniltsdrama von 1600 bis 2000 Meter 500 Francs erzielt werden können. Nun über die Geschmacksrichtung der Eidgenossen. Der Schweizer Verleiher äußert sich: Derjenige deutsche Film gefällt in der Schweiz, der das bringt, was andere Länder noch nicht produzieren. Daher die Eriolge der großen deutschen historischen Filme „Anna Boleyn". „Madame Dubarry". „Peter der Große". „Nathan der Weise" etc. Der beste deutsche Spielfilm geht leider nicht über den Du chschnitt eines amerikanischen oder französischen hin¬ aus. Ist zum Teil schlechter, weil die deutsche Film¬ industrie das Kokettieren mit dem Ausland nicht lassen kann und ihre Filme in fremden Ländern spielen läßt, deren Sitten. Gepflogenheiten, ja deren ganze Psycho¬ logie ihr schleierhaft ist. Die Schweiz, das zwar chauvinistischste, aber zugleich internationalste Land, sieht darin eben sehr scharf. Sie verlangt Echtheit und verlacht alle Verstöße. Es kam einer der — wie man sagt -- besten deut¬ schen Spielfilme „Die Pariserin" im Basler Union- Cinema zur Aufführung. Der Titel — „zog"! Der Film enttäuschte!! Und die Kritik! Die National-Zeitung. Basel: . eine Berliner Truppe gibt sich Mühe. „Pariserinnen" und das Mont-Martre-Leben hervorzu¬ zaubern! Ach Gott, wie sehr gewänne dieses gut ge¬ spielte Stück, wenn es „Berlinerinnen" hieße, wenn der Regisseur seine Leute nicht zwänge, ihnen wesensfremde Typen darzustellen. Die Berliner Filmproduzefiten heben