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Nummer 859 3er RfticmatofjraDfi Seile 7 Ernste und heitere Kleinigkeiten aus dem Maingau Von Otto Schwerin A nläßlich der Konimunistentumultc in Frankfurt am k Main, denen ein bekannter Staatsanwalt zum Opfer fiel, mußte sich die Frankfurter Polizei, deren Struktur und Organisation sonst für das ganze Reich als vorbild¬ lich gelten soll, schwere Vorwürfe und Angriffe gefallen lassen. Wieweit diese berechtigt sind, dies zu untersuchen soll nicht unsere Sache sein, um so mehr, als wir ehrlich zu¬ geben müssen, daß jene Spezialabteilung des Polizei¬ präsidiums, mit der die Filmindustrie allein oder haupt¬ sächlich zu tun hat. alles andere als lässig ist. — So wur¬ den vor einigen Monaten Vorführerprüfungen angeordnet, die jetzt die ersten praktischen Ergebnisse zeitigen, indem sich der größte Teil der in Frankfurt und Hessen-Nassau tätigen Kinovorführer einer amtlichen Prüfung unterziehen muß. — Erfreulicherweise haben sämtliche „Kandidaten" bisher bestanden. Es soll des weiteren eine Verfügung in Vorbereitung sein, wonach jeder Filmverleiher oder Händler mit Filmen sein Filmlager anzumclden hat; die Behörde vermutet ob mit Recht, muß dahingestellt bieiben, daß eine große An¬ zahl Bildstreifen in unvorschriftsmäßiger Weise aufbewahrt wird und eine immerwiederkehrende Feuersgefahr be- Gcgcn die grundsätzliche Berechtigung dieser Verfügung ist nichts einzuwenden, auch gegen die regelmäßigen Kon¬ trollen in den Lichtspieltheatern sollte nichts gesagt wer¬ den. wenn die Verfügungen und Forderungen nicht ina-ich- mal allzu bureaukratischen Charakter trügen und ohne jede Rücksicht auf den Geldbeutel der Theaterbesitzer gestellt würden. Die Alemannia-Lichtspiele wurden, wie schon bekannt, vor einigen Monaten amtlich geschlossen, weil sie den fcue-polizcilichen Vorschriften nicht mehr in allen Punkten entsprechen sollten. — Die Behörde hatte nicht ganz un¬ recht. denn die Szenen an den Kassen, die in einem schmalen Hauseingang angebracht sind, waren wirklich mitunter direkt gefährlich, auch der Zugang zu dem im Hintergrund des Ganges befindlichen Theater, der gleich¬ zeitig Eingang zu einem gutbesuchten Restaurant und einem von vielen Parteien bewohnten Geschäftshaus bildete, war stets verstopft. Die Forderung der Polizei, den Zugang durch Entfernen großer Holztürcn. der vor¬ stehenden Briefkästen usw. zu vergrößern, schien daher nur gerecht. Zwei große Schaufenster einer Konfektions¬ firma, die auf den Kassengang führten, mußten durch Querstangen geschützt werden. Auch diese Forderung scheint recht und billig. Nun hat aber ein ganz besonders eifriger Herr fcstgcstcllt. daß die Schaufenster an und für sich eine Gefahr bedeuten, erstens weil im Falle einer Feuersgefahr im Konfektionsgeschäft der Qualm durch diese Fenster ins Theater dringen könnte und umgekehrt bei einem Theaterbrand die flüchtenden Besucher — trotz der behördlich angeordneten Schutzstangen -- in die Glasscheiben fallen und sich verletzen könnten. Es wurde daher verlangt, daß ab Beginn der Vorstellung bis zu deren Schluß, also von 4 bis a i11 Uhr. je ein Mann vor den beiden Scheiben sitzen muß. Diese Lcutehaben nichts weiter zu tun. als im Falle eines Brandes sofort die Rolläden der beiden Erkerscheiben hcrunterzulassen. Für diese Schwerarbeit bezieht jeder einen Lohn von 15 000 Mark die Stunde. Zahlen muß der Kinobesitzer. Wir könnten noch eine weitere Anzahl von Forderungen einer Kritik unterziehen, wie zum Beispiel die .geforderten Umbauten im U. T.. wo die p olizei die nach innen sich öffnenden Fensterflügel der Logenfenster beanstandet und verlangt, daß die Fenster sich nach außen öffnen müssen, wir verzichten aber darauf schon aus dem Grunde, weil diese Verfügungen und Kontrollen erstens doch nur den Schutz des Publikums bezwecken und zweitens von einer Behörde ausgehen, die nicht nur das Recht, sondern schließlich auch die Pflicht hat. Verfügungen zu treffen und Wünsche zu äußern. Anders liegt jedoch der Fall bei den zahlreicher Limonaden-. Altjungfern- und Trak¬ tätchen-Vereinen, die wie überall auch in Frankfurt den Kampf gegen das volksverdcrbcnde Kino (!) führen, und zwar mit Mitteln, um die sie selbst der selige Don Quixote beneidet hätte. Vor allem sind ihnen jene dunklen und versteckt angebrachten Logen ein schmerzender Dorn im züchtigen Auge, weil-weil-?? Nt, weil in den Augen jener .lungfrauen schon der Aufenthalt in einem dunklen Raum — insofern es sich uti verschiedene Gc- scnlcchtcr handelt — unzüchtig sche-n.. Die Eintrittspreise in Frankfurter 'heatem sind im Monat Juli wieder etwas erhöht worden. An der Spitze marschiert das Hohcnzollern-Theater. ein gutes Theater in guter Lage, mit zirka 500 Sitzplätzen, das Preise ver¬ langt vor 2 T00 bis 54 000 Mark, cs folgt Frankfurts größtes Theater, das U. T. im Schwan, mit 1100 Sitz¬ plätzen und Preisen von 18 000—45 000 Mark, das Scala- Theater mit zi-ka 400 Sitzplätzen 18 000—42 000 Mark, die Neue Lichtbühne mit über 600 Plätzen 15 000 bis 30 000 Mark. Dieser Preis wird auch von dem Gros der Frankfurter Theater, im ganzen noch zirka 20 bis 25 Etablissements, verlangt. In den Vorstädten sind die Plätze noch etwas niedriger im Preise, sie belaufen sich zum Beispiel in dem gutgeführten Palast-Theater in Bockenheim auf 12 000— 24 000 Mark. Als Durchschnittspreis für gute Spielfilme muß fü*- Frankfurt ein Wochendurchschnitt von 5—6 Millionen an¬ genommen werden. Wohlgemerkt, cs handelt sich um einen errechneten ungefähren Durchschnittspreis und um Filme, die noch zur Produktion 1922 23 zu zählen sind. Vorführer erhielten Ende Juli einen Wochenlohn von 1 200 000 Mark. Kinomusiker 1 500 000 Mark. Die Programme der Theater zeigten das Bestreben, „billig" zu sein. d. h. die Theaterbesitzer suchten gewalt¬ sam ihre schlechtesten bzw. billigsten Filme hervor, cm in den heißen Monaten möglichst zu sparen. Die neu¬ eröffnete Neue Lichtbühne mußte aus besonderen Grün¬ den. nämlich um sich einzuführen, eine Ausnahme von diesem System machen. Sie erzielte mit ihren guten Spielfilmen, z. B. „Friedrich Schiller". ..Mignon" und „Frauenschicksal", gute Geschäfte. Der Afa-Film „Die Frau aus dem Orient" zog nicht recht. Die Alemannia- Lichtspiele machen mit dem Fred-Sauer-(Hermes-Film) „Time is money" gute Kassen, auch „Nora“ (Film der Ber¬ liner Union) bringt im U. T. im Schwan viele Besucher ins Theater, hingegen war „Polikuschka" kein Erfolg und ein uralter Film „Die Tänzerin Navarro“ eine Katastrophe trotz der Asta Nielsen. Das Publikum brach bei den tragischen Szenen :n ein lustiges Lachen aus. und die Kritik fragt sich ernsthaft, wie ein solcher Film sich in das Verleihprogramm der Ufa und auf den Spiciplan des ersten Theaters einer verwöhnten Halbmillior.cnstadt ver¬ irren konnte.