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Seite 12 Der Rmcmatograpü Nummer 860 61 Was soll er eigentlich noch tun? Die Antwort überlasse ich Ihnen. 2. Erfahrungen eines Verleihers Von Georg Hohmann Sehr geehrter Herr Aros! ln den letzten Nummern des „Kineir.atographen" rich¬ ten Sie einen öffentlichen Brief mit der Mahnung zur Verständigung an die Herren Graf und Scheer. Auf Seite zehn derselben Ausgabe bringen S e unter den Aus¬ führungen über den Teuerungszuschlag von 320 000 Pro¬ zent den Satz: „Wir halten cs aber auf der anderen Seite für fraglich, ob Steigerungen in einem solchen Tempo ohne weiteres bei allen Theaterbesitzern tragbar sind." Ich will gerne anerkennen, daß Sie bis jetzt stets un¬ parteiisch in den Streit zwischen Theaterbesitzer und Verleiher cingegriffen haben, aber die augenblicklichen Verhältnisse liegen doch so, daß diese Unparteilichkeit nicht zum Segen der Branche gereicht, son¬ dern daß die Schuldigen an dem Niedergang der ganzen Industrie öffentlich dokumentiert werden, d. h. endlich ein¬ mal festgestellt wird, wer der wirkliche Schuldige ist. Wir stehen drei Wochen vor Beginn der neuen Saison! Noch in keinem Jahr wie in diesem war es so totenstill in der Branche. Hat man in früheren Jahren schon wochenlang vorher in den Fachzeitschriften seitenlange Prospekte über die Neuprodukticn zu esen bekommen, so schweigen sich diesmal die Verleiher aus. Es wäre ein Pleonasmus, wollte ich hier die Schwierigkeiten der Fabrikation und die enormen Milliardensummen aufzählen, welche diese verschlingt, nachdem dies Thema wohl in jeder Woche von Ihnen erörtert wurde! Die Auswirkung dieser Kosten erleben wir )ctzt im Verleihbetrieb täglich. Alle Filme, die uns angeboten werden, kosten derartige Summen an Lizenz (die übrigens jetzt auf Dollarbasis ge¬ fordert wird), daß kein Verleiher daran denken kann, sein Programm für die neue Saison auch nur irgendwie gro߬ zügig auszugestalten und damit den Theaterbesitzern die Möglichkeit zu neuen, guten Geschäften zu geben. Woran liegt das? Selbst das bestorganisierteste Verleihgeschäft bringt heute nicht die Gelder ein, welche die Gehälter der Angestellten kosten, geschweige denn wirf'. Summen ab, die in neuen Filmen investiert werden können. Ab¬ gesehen davon, daß die Lizenzen nicht zu bezahlen s'nd, kostet heute eine Kopie zirka 120 000 000, ein Photo z i 80 000, ein Plakat zirka 40 000. Man hat bisher die Bilder mit 10 bis 20 Kopien zur neuen Saison anlaufen, hat Sätze von zirka 30 Stück Photos und Plakate in hoher Auflage hcrstellen lassen. Alle diese Beträge konnte früher der Verleiher aus den Erträgnissen, d. h. aus dem Eingang an Leihmieten, welche er von den Theaterbesitzern erhielt, bezahlen. Ist das heute noch möglich? Es wäre doch recht und billig, wenigstens von den Theaterbesitzem zu ver¬ langen, daß diese den Verhältnissen Rechnung tragen und uns Leihgebühren bewilligten, welche uns einigermaßen instand setzen, an ein neues Verleihprogramm zu denken. Man nennt die Theaterbesitzer nicht mit Unrecht die „Kassen der Industrie"! Was machen jedoch die Theater- bcsitzer, diese Verwalter der „Kassen der Industrie"? Sie sabotieren das ganze Fortbestehen der Filmbranche! Zahlen beweisen: Am Montag, dem 8. Juli, ging ich in ein Theater eines größeren Vororts von 20- bis 30 000 Einwohner. Das Kino hat 500 bis 600 Sitzplätze, welche auf Parterre und Balkon verteilt sind. Preise der Plätze: 10 000 M., 15 000 M., 20 000 M. (Balkon), 25 000 (12 sogenannte Logenplätze). Da cs etwas spät war, benutzte ich die Straßenbahn, um rechtzeitig in das Theater zu kommen. Preis 7000 M. für 2’> Minuten Fahrt. In der Pause trank ich ein Glas Bier, Preis 30 000 M., kaufte meiner Frau eine Tafel Schokolade, Preis 60 000 M.! Programm: „Die drei Marien und der Herr von Marana" und „Die Frau aus Zimmer Nr. 13“, beides Bilder aus der Neuproduktion. Dollarstand am Montag abend 2' Millionen. Der Eintritt kostete mich pro Person 20 000 M. inklusive Lustbarkeitstcucr. Ich hoffe, daß Ihnen diese Zahlen genügen. Das Schlimmste daran ist doch, daß der Theaterbesitzer mit diesen Preisen uus- kommt! In einer Zeit, wo man den Gaspreis über Nacht von 6000 auf 20 000 M., den Brikettpreis von 50 000 auf 250 000 M. pro Zentner erhöht, ist cs doch eine Gewissen¬ losigkeit sondergleichen an der gesamten Industrie, eine derartige Eintrittspreispolitik zu treiben. So wie in diesem Falle, machen es jedoch fast vier Fünftel der gesamten Theater im Reich! Ist es dann ein Wunder, wenn man vom „Niedergang" der Branche spricht? Es wäre zu diesem Thema noch viel zu sagen, aber ich will mich neute nur mit den „Teucrucgszuschlägen“ befassen! Wenn wir heute 500 000 Prozent Zuschlag hätten, wäre auch das noch ein Entgegenkommen der Verleiher den Theater¬ besitzern gegenüber! Jetzt haben aber die Verleiher erst vom 17. August an 320 000 Prozent Teucrungszuschlag in Aussicht, und nun frage ich an. wollen Sie in Ihrem Blatt, das die Interessen der gesamten Industrie vertritt, zu¬ lassen, daß diese Industrie durch eine derartige Politik bis in den Abgrund gebracht wird? Ich glaube nein! Eine Verständigung, für die Sie predigen, gibt es nur in d e m Sinne, daß endlich der Reichsverband, falls überhaupt seine Macht so weit reicht, seine Mitglieder auffordert, sich den Verhältnissen anzupassen. Man mußte meines Erachtens soweit gehen, von den Theaterbesitzern drei Wochen vor Spielen eines Filmes (etwas, was namentlich bei prozentualen Abschlüssen sehr wichtig ist) polizei'ich beglaubigte Meldungen über die gegenwärtigen Eintritts¬ preise zu verlangen, und falls diese Preise nicht einer Norm entsprechen, welche zwischen Reichsverband und Zentralverband vereinbart worden ist, einfach die Liefe¬ rung der Bilder nicht vorzunehmen. Wenn die Theater¬ besitzer in dieser Beziehung keine Selbstdisziplin haben können und nicht wissen, was sie den Verleihern und der ganzen Industrie schuldig sind, muß der Verleiher eben zu einem derartigen Mittel Zuflucht nehmen. Jede Schwäche in dieser Beziehung von den Verleihern bedeutet eine Versündigung am Wohle der ganzen Industrie! Sie sehen also, mein verehrter Herr Aros, daß die Theaterbesitzer schon ganz andere Zuschläge zahlen müßten und daß dieselben ihre Preise auf Kosten der Ver¬ leiher so niedrig halten! Eine weitere Ansicht von Ihnen ist: „Die Grundpreise sind zu hoch!“ Nun, da möchte ich Ihnen erwidern, daß man sich von Ausnahmefällen, die Ihnen bekannt sind, nicht täuschen lassen sollte. Seit Bestehen des Teucrungszuschlag-Systems haben nämlich die Theaterbesitzer auf die Grundmieten derartig gedrückt, daß trotz der Zuschläge zugunsten der Verleiher nicht viel hcrauskam. Wenn heute der Verleiher trotz großer Umsätze immer weniger Geld e i n n i m m t (von „Verdienen" kann man heute nicht sprechen), so liegt das eben nächst den vorgenannten Gründen an den viel zu niedrigen Grundpreisen. Wir Verleiher haben bitteres Lehrgeld zahlen müssen, und man kann nur hoffen, daß zur neuen Saison den Theaterbesitzern nichts mehr „geschenkt" wird, sondern daß diese endlich Leihmieten zahlen, welche Samenkörner werden, die „tausendfältig Früchte tragen” zu ihrem eigenen Nutzen und zum Vorteil der gesamten In¬ dustrie.