Der Kinematograph (August 1923)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

860 61 Dcc funcmatogcapfi Seite 13 Das amerikanische Problem Von E. H. Correll, Direktor der Phocbus-Film A.-G. 1. Was uns drüben erwartet V iele Filmindustriclle Deutschlands haben sich schon auf den Weg über den Großen Ozean gemacht, um ihre Verbindungen mit Amerika aufzufrischen oder neue anzuknüpfen. Viel ist von diesen Herren in der Fach¬ presse geschrieben worden, leider meistens in allzu optimistischer Färbung. Ich glaube deshalb, daß cs nur im Interesse der Industrie liegen kann, die ganze Wahrheit zu sagen, selbst wenn sic noch so bitter ist. Eine Feststellung zunächst: Amerika hat für europäische Filme, somit auch für die deutsche Produktion, so gut wie gar kein Interesse. Die meisten der großen Filmverkäufe Deutschlands nach Amerika haben sich entweder als voll¬ kommen falsch oder stark übertrieben herausgestcllt. So konnte ich z. B. erfahren, daß ein großer historischer Film, der angeblich für 40 000 Dollar verkauft sein sollte, in Wirklichkeit nur 6000 Dollar gebracht hatte. Ich halte es für einigermaßen zwecklos, derartige Nachrichten in die Welt zu setzen, die vielleicht geeignet sind, den Kurs der Aktien zu heben, aber das Ansehen der Industrie nur schädigen können. Was ist nun der Grund, der einen Verkauf deutscher Filme oder besser gesagt europäischer Filme nach Amerika so schwer macht. Der Amerikaner ist ein Mensch, der schnell zugreift, wenn er gute Ware sieht, mit der er Geld verdienen kann: die deutschen Filme hes tzen eine Qualität, die auch der Amerikaner nicht anzwcifclt: er hat deshalb seine Versuche gemacht, sic sind aber bisher auf kleine Ausnahmen fast immer fehl- geschlagen. Das Geschäft war schlecht, und die meisten Käufer deutscher F-Ime mußten Geld zuzahlcn. Einen bescheidenen Gewinn, keineswegs aber die phan¬ tastischen Summer, die man hier nannte, brachte der Film ..Madame Dubarry". noch weniger Gewinn „Der Doktor Caligari". Ein geringes Geschäft bedeutete auch der deutsche Film „Sappho" mit Pola Ncgri, den die amerika¬ nische Firma unter geschickter Ausnützung der Reklame, die die Famous Players fü' ihren Pola-Negri-Film „Bella Donna" gemacht hatte, herausbrachte. Die Famous Players setzte für ihre Reklame Nachrichten in die Welt über die angebliche Verlobung Pola Negris mit Chaplin, die in sämtlichen Zeitungen unter der Überschrift „Made love" (schlechte Liebe) erschienen. Die Firma, die „Sappho" erworben halte, brachte nun unter dem Titel „Made love“ den Film in die Öffentlichkeit, so daß das Publikum glauben mußte, es handele sich um den Film, für den die große Reklame gemacht war. Alle übrigen Filme brachten in Amerika absolut kein Geschäft, so daß die Käufer noch beträchtliche Summen darauflegcn mußten. „Othello" fand bei seiner Urauf¬ führung wenig AnkJang; wie man mir sagte, soll er äußerst schwer unterzubringen sein. „Die Lady Hamilton" ist bis¬ her überhaupt noch nicht erschienen, und cs ist noch nicht zu sagen, wann und ob sie erscheinen wird; ebenso ist der Film „Lady Oodiva" in Amerika nie gezeigt worden. Der letztgenannte Film wurde seinerzeit von einem Ameri¬ kaner, der außerhalb der Filmindustrie stand, gekauft. Wie immer in solchen Fällen, konnte der Amerikaner, der eine verhältnismäßig große Summe für den Film angelegt hatte, ihn nachher nicht verkaufen. <o d. ß er sein ganzes Geld verlor. Während wir drüben waren, lief im Realto-Thcatcr „Peter der Große“. Obwohl Jannings als deutscher Schau¬ spieler drüben bekannt ist, wurde de - "ilm als Paramount- F-rzeegnis herausgebracht, und die Zuschauer waren, wie ich fcststcllen konnte, durchweg der Ansicht, daß der Film in Amerika hergcstellt sei. Ebenso wie den deutschen Filmen geht es auch den übrigen europäischen Produktionen, ln den Ponts lagern große Mengen von Kopien, die dort zum Verkauf liegen, und ebenso viele europäische Negative. Der französische Film „Atlantide“ z. B„ der bei seiner Aufführung in Deutschland sehr günstig aufgenommen wurde, erlebte in Amerika einen glatten Durchfall. • Diese Sachlage w-rd sich erst dam ändern, wenn in Amerika einmal ein deutscher Film wieder einen geschäft¬ lichen Erfolg erzielt hat. Ob dieser geschäftliche Erfolg jemals erzielt werden kann, halte ich für sehr fraglich, denn der Erfolg in Amerika hängt von so vielen psychischen Momenten ab. die in ihrer ganzen Bedeutung eigentlich nur in Amerika selbst berücksichtigt werden können; dort allerdings mit Leichtigkeit, weil sic den Amerikanern eben selbstverständlich sind. Deshalb kann ich als Zusammenfassung meiner ameri¬ kanischen Eindrücke die deutsche Filmindustrie nur er¬ mahnen. den Verkauf nach Aire ika aus ihrer Kalkulation auszuschlicßcn und ihre Produktion auf einen Verkauf nach den europäischen und außeramerikanischen Ländern einzustellen. Damit wäre ihnen selbsi und der ganzen Industrie am besten gedient. 2. Was man uns hier bietet Von D. Melamerson (Fox-Film, Berlin) F rank A. Tilley, der Schriftleiter des „Londoner Kine- matographen Weekly", beantwortet diese Frage mit einer mehr als trostlosen Negierung. Er sieht in der amerikanischen Industrie nichts als hohle Geschmack¬ losigkeit, die man mühsam hinter Riesenbauten, Statisten¬ heeren und Monsterpropaganden zu verbergen sucht. Der amerikanische Film sei eine charakterlose Konzession an das amerikanische Publikum, dem Frank A. Tilley ein äußerst niedriges intellektuelles Niveau anweist. Man mag den englischen Journalisten eine starke all¬ gemeine kritische Einsicht zubilligen — seine Stellung zum innersten Wesen des Films läßt sich jedoch be¬ streiten. Wir Deutschen haben von dem guten amerikanischen Film in vieler Beziehung Anregung und Befruchtung zu erwarten. Wir sind den Weg gegangen, den der eng¬ lische Kritiker dem Amerikaner weisen möchte. Wir haben versucht, Gedankenkomplexe und ethische Pro¬ bleme im Lichtbild aufzurollen. Wir haben mit den Grenzen des stummen Lichtspieles gerungen und uns ehr¬ lich bemüht, diesen jungen und mächtigen Ausdrucks¬ faktor in den Dienst höherer Geistesrichtungen zu stellen. Das freie, organische Werk, das sich nur aus der Har¬ monie zwischen Aufgabe und Werkzeug ergeben kann, ist uns nicht gelungen. Dem guten amerikanischen Film ist es Vorbehalten, uns den richtigen Weg der Kinemato¬ graphie zu weisen. Ich betone mit Absicht: den guten amerikanischen Film, und bin mir dabei bewußt, daß das deutsche Publikum bis jetzt noch nicht Gelegenheit hatte, diese Gattung kennenzulernen. Der gute amerikanische