Der Kinematograph (September 1923)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

Seite 8 Oer Rmcmatoarnoft Nummer 862 63 möchte ich gerne noch auf di 2 Anregung zurückkommen, daß die Fachpresse gleich der amerikanischen und eng¬ lischen auch bei ihren Filmbes Brechungen auf den Theater¬ besitzer der Provinz Rücksicht nimmt und ihm sagt, was an einem Film Gntes und für ihn Ausbeutbares ist, denn der Theaterbesitzer hat gar nichts davon, wenn er nur vielleicht liest, daß ein Film, den er bereits fest abge¬ schlossen hat, dem Herrn Refe-cnten persönlich vielleicht nicht gefällt, sondern er muß mindestens dann auch noch hören: „An dem Film ist aber dies und jenes dran, worauf du deine Reklame aufmachen kannst.“ Auf diese Weise würde die Fachpresse auch für den Theaterbesitzer eine praktische Mitarbeiterin werden, ohne daß deswegen die Kritik beeinflußt würde. — So würde der große Ring der Industrie — wie in Ame¬ rika — in dieser Saison endlich einmal durch ein gemeinsames Zusammenarbeiten wirklich geschlossen werden. — Zur Notlage der Provinzlichispieltheater Herbert Müller. Wir bringen nachfolgende Ausführungen, die uns knapp vor der Arbeit*: icderlegung in unserem Be triebe, also vor mehr als zwei Wochen zugingen, ob¬ wohl die Zahlen längst überholt sind. Aber gerade die enormen Preiszuschläge haben die Situation nur noch verschärft, wodurch die Ausführungen nur er¬ höhte Aktualität erhalten. I \,e letzte Nummer des ..Kirematograph" brachte eine kurze Meldung über die plötzliche Schließung der Kinos im Stollberger Bezirk (Sachsen) infolge de: hohen Filmleihpreise und der ruinös wirkenden Lustbar¬ keitssteuern. Es handelt s ch hierbei um acht mittlere und kleinere Theater. Diese plötzliche Schließung wi-ft ein grelles Licht auf die finanzielle und wirtschaftliche Notlage, in der sich viele Provinztheaterbcsitzer befinden. Es ist daher wohl am Platze, daß sich die Fachblätter endlich einmal mit den gegebenen traurigen Verhältnissen befassen, zumal gerade die mittleren und kleineren Provinztheater einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Filmindustrie ausmachen. Die trostlosen Verhältnisse, denen viele Theaterbesitzer machtlos gegenüberstehen, haben ihren augenscheinlichen Grund zunächst in den fortgesetzten, rapiden Erhöhungen der Eintrittspreise, die naturgemäß einen gewaltigen Ge¬ schäftsrückgang bedingen, da für viele Kinobesucher die Eintrittspreise unerschwinglich hoch sind. Aber auch die Erhöhungen der Eintrittspreise sind nur eine Auswirkung anderer im Theaterbetrieb maßgebender Faktoren: der ständig steigerden Filmmieten, der oft sehr hohen Lust- barkeitsstcuerr. der ungeheuren Kosten für Strom. Licht, Reklame. Arbeitslöhne usw. Eine rohe Skizze über das Verhäl.nis von Leihmieten und Lustbarkeitssteuern, überhaupt der Ausgaben einerseits, zu den Einnahmen andererseits zeigt, daß viele Theater mit völliger Unrentabilität arbeiten. Diese Tatsache sei an einem praktischen Beispiel erhärtet. Ein Theater von 250 Sitzplätzen spiele wöchentlich zwei Programme in je zwei Tagen. Ein Programm kostet min¬ destens 6 000 000 Mark, die durch den Eintritt unbedingt eingenommen werden müssen. Für den Lebensunterhalt des Theaterbesitzers muß man wöchentlich 8 000 000 Mark rechnen. Durch ein Programm, also zwei Spieltage, müssen 4 000 000 Mark aufgebracht werden. Der Vorführer wird in zwei Tagen mindestens 2 000 000 Mark erhalten. Die Musik (zwei oder drei Mann) wird mit 4 000 000 Mark nicht zu hoch cingeschätzt sein. Strom und Licht kosten mindestens 500 000 Mark. Das betreffende Theater gäbe pro Tag drei Vorstellungen. Die rund 16 000 000 Mark sind also in sechs Vorstellungen einzunehmen. Die erste Vor¬ stellung und auch der Anfang der zweiten Vorstellung sind bekanntlich sehr schlecht besucht. Wenn drei Vor¬ stellungen ausverkauft sind, so ist das gut gerechnet. Auf eine Vorstellung müßten also reichlich 5 Millionen Ein¬ nahme fallen. Das Theater habe 100 zweite und 150 erste Plätze. Die Eintrittspreise wären also 15 000 Mark und 25 000 Mark. In dieser Aufstehung sind aber Miete. Kosten für Re¬ klame und Reinigung. Löhne für Kassiererin und Platz- anweiserinnen. Abschreibungen, Neuanschaffungen usw. nicht enthalten. Die Eintrittspreise kämen dann auf min¬ destens 30 000 Mark und 50 000 Mark. Rechnet man noch die I.ustbarkeitsstcuer hinzu, die im Stollberger Bezirk durchweg 50 Prozent (in Worten: fünfzig Prozent) beträgt, dann entstehen phantastische Eintrittspreise, die in der Provinz kaum ein Besucher bezahlt. Noch ein Wort zu der Lustbarkeitssteuer, die im Stollberger Bezirk 50 Prozent beträgt. Es ist direkt ein Skandal, daß eine Behörde eine derart unsinnig hohe Steuer verlangt, zumal nun schon seit reichlich vier Wochen die neuen Normativbestimmungen des Reichsrates bekannt sind. Diese Lustbarkeitssteuer wurde vor reichlich 1S Jahren aufgestellt, zu einer Zeit, als die Eintrittspreise gegen 10 Mark betrugen. Alle Bemühungen der hiesigen Lichtspieltheatcrbcsitzer zwecks Einführung neuer, der Geldentwertung angepaßter Steuern waren erfolglos, der Bezirk blieb bei seiner alten Staffel. So mußten eben die Theaterbesitzer fortwursteln, bis cs nicht mehr ging. Ein hiesiger Theaterbcsitzer hatte allein bei seiner letzten Vor¬ stellung am 5. und 6. August ein Defizit von über 1 000 000 Mark. Nächste Woche werden sowohl der Bezirkstag als auch die Kinobesitzer tagen. Man darf gespannt sein, ob eine Einigung erzielt wird. Was müssen die Theaterbcsitzer angesichts dieser Lage tun? Hinsichtlich der Teuerungszuschläge muß unbedingt eine Einigung zwischen Verleiher und Theaterbesitzer her- beigeftihrt werden. Eine Möglichkeit der Einigung be¬ stände vielleicht darin, daß die Kinos je nach ihrer Ren¬ tabilität in verschiedene Klassen cingetcilt würden. Diese Gruppierung könnte als Grundlage für die Teuerungs¬ zuschläge dienen, die sich also nach der Rentabilität der verschiedenen Kinos richten müßten. Hinsichtlich der wahnsinnig hohen Lustbarkeitssteuern müssen die Theater¬ besitzer aufklärend auf ihre Besucher einwirken. Nament¬ lich die Zeitungen müssen sie für ihren schweren Existenz¬ kampf zu gewinnen suchen. Viele Tageszeitungen stecken aber wohl sehr gerne die hohen Insertionsgebühren für die Anzeigen ein, haben aber sonst für den Film leider nichts übrig. /in unsere Ceser. Auch diese Nummer s/efjf nocJ > xum Teil unter den Hacf>u>trKungen der vorU1*ergef>en- den Be/rlebselnachrUnltung. Von der nächsten Ausgabe ab wird der ,,Klnematographwieder In altem Umfang und In alter Weise erscheinen.